piwik no script img

Die dunkle Seite der Macht

LOBBYISMUS Die Initiative LobbyControl versucht die unbekannte Welt des Lobbyismus zu beleuchten

„In der Lobby-Szene herrscht Hochbetrieb“, sagt Dietmar Jazbinsek, der die Lobby-Tour durch das Regierungsviertel moderiert. Jetzt nach der Bundestagswahl sind ihnen einige Kontakte weggebrochen und sie haben es teilweise mit neuen Politikern zu tun, deren Lebensläufe noch nicht so bekannt sind.

Er führt uns durch Berlin-Mitte und erzählt, wer hinter den Mauern im Regierungsviertel residiert: die Lobbys natürlich, die Abgesandten von Konzernen und Verbänden. Diese, so stellen wir das eine ums andere Mal wieder fest, haben mehr zu sagen, als die Öffentlichkeit gemeinhin ahnt.

Die Führung hält an jedem zweiten Hauseingang. Vom Deutschen Brauer-Bund e. V. über den Verband der Chemischen Industrie bis zur Rüstungslobby. An jeder unserer 15 Stationen weiß Dietmar Jazbinsek spannende und zugleich erschreckende Geschichten zu erzählen.

So ist es zum Beispiel „üblich, dass die Erstellung von Gesetzestexten outgesourct wird“. Eine genaue Aufklärung, darüber, wie oft private Anwaltskanzleien Gesetze schreiben, gibt es nicht. Nicht durch die Lobbys, aber auch nicht durch „unsere“ Politik. Manchmal kommt etwas ans Tageslicht wie z. B. im Fall Guttenberg (CSU, Bundeswirtschaftsminister). Der amtsjunge Minister im Manager-Look hatte die Londoner Kanzlei Linklaters beauftragt, an einem Gesetz zum Umgang mit maroden Banken mitzuwirken. Das Brisante daran: Linklater hat Mandanten aus Industrie, Finanz und Wirtschaft, die von diesem Gesetz betroffen worden wären. Ein Interessenskonflikt, der nur zur Tage kam, da das Logo von Linklaters auf jeder Seite prangte.

Ein weiteres erschreckendes Beispiel von Lobbyismus wird uns auf dem Pariser Platz präsentiert. Hier geht es um die Interessen und Methoden der „Gesellschaft für intelligente Wirksysteme“. Der Name des Lobbyisten löste Heiterkeit aus, die im Halse stecken blieb, als deutlicher wurde, wie direkt Leben und Tod von Menschen mit diesem „Wirken“ verknüpft sind. Die Gesellschaft ist eine Tochter von Diehl und Rheinmetall, zwei deutschen Rüstungs-Riesen auf dem internationalen Todesmarkt. Als Teil der Rüstungslobby setzte sie sich energisch und erfolgreich dafür ein, dass die Bundesregierung dem Rüstungsexport keine zu hohen Schranken setzt. So drückten die deutschen Volksvertreter auf den Verhandlungen über die internationale „Ächtung“ von Streubomben eine abenteuerliche Definition derselben durch. Die aktuellen Produkttypen der deutschen Konzerne fallen demnach nicht darunter, weil sie lediglich 9 und nicht 10 oder mehr Sprengköpfe besitzen. Mehr noch, im März 2009 gab das Landgericht München einer Klage von Diehl statt, nach der künftig auch die Presse nicht mehr von Streubomben sprechen kann, wenn es um die strittigen Typen geht. Diehl selbst bezeichnet seine Todesbringer makaber und irreführend als „smart-Munition“.

„Positiv betrachtet geht es beim Lobbyismus darum, externen Sachverstand in die Politik einfließen zu lassen“, erklärt uns Jazbinsek. Die Auswirkungen, die Gesetze auf die Gesellschaft haben, sollen zurück in die Politik getragen werden. Quasi ein pluralistisches Korrektiv, denn auch die Umweltverbände sind ja zum Beispiel eine eigene Lobby, ebenso wie die Gewerkschaften. Nur sind die Ressourcen denkbar ungleich verteilt. Die Wirtschaftsverbände und Großunternehmen haben Millionen zur Verfügung, da können die NGOs wie der BUND oder selbst Greenpeace einfach nicht mithalten.Am Ende der zweieinhalbstündigen Tour sehen wir die Stadt mit anderen Augen. Wir nehmen die Klingeschilder in den Hauseingängen wahr und fragen uns, was eigentlich hinter und über den glitzernden Showrooms und Luxusboutiquen alles so passiert. JAL

LobbyControl ist ein gemeinnütziger Verein, der über Machtstrukturen und Einflussstrategien aufklären will. Lobby Control will Impulse liefern für Transparenz, eine demokratische Kontrolle und klare Schranken der Einflussnahme auf Politik und Öffentlichkeit.

Die nächsten Führungen durch den Lobbydschungel finden am Samstag 10. 10., 11.00 Uhr und Dienstag 20. 10., 17.30 Uhr statt. Eine Anmeldung ist erforderlich: stadtfuehrung@lobbycontrol.de.

Weitere Informationen und den Reiseführer als Buch gibt es auf: www.lobbycontrol.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen