piwik no script img

Ein gescheiterter KonzernlenkerKOMMENTAR VON STEPHAN KOSCH

„Speed, Speed, Speed!“, lautete die Parole, die DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp einst bei der Fusion zwischen den Schwaben und dem US-Konzern ausgab. Gas geben wollte er, bis ans Limit – schließlich ging es ihm darum, mit höchstem Tempo den größten Autokonzern der Welt zu schmieden.

Das System, dem sich Schrempp gnadenlos untergeordnet hat, steht auf Geschwindigkeitsrausch. Die internationalen Finanzmärkte sind auf Speed, süchtig nach immer neuen Storys und höheren Renditen. Von Anfang an hat Schrempp den Märkten und Analysten den Stoff geliefert, nach dem sie verlangten: neue Marken, weltweite Zukäufe, große Visionen. Doch der Traum von der Welt AG verflog in Milliardenverlusten bei Mitsubishi und Chrysler. Schrempp hatte nicht nur viel Geld verloren, sondern auch den Zuspruch der Aktionäre.

Eigentlich hätte er schon damals gehen müssen. Doch wie ein Süchtiger klammerte er sich, von Deutschbankier Hilmar Kopper im Aufsichtsrat gedeckt, an seine Vision und mehr noch an seine Macht, die er durch den Rauswurf von Kritikern hielt. Ein letztes Mal hat Schrempp nun gestern tatsächlich für Euphorie an der Börse gesorgt und der Aktie Speed gegeben – mit der Ankündigung seines vorzeitigen Rückzugs. Ein einziges Mal hat er damit seinen gepriesenen Shareholdern wirklich Value gegeben – mit dem Ende seiner Karriere. Für Schrempp ein verheerender Abgang. Was immer der Hintergrund für seinen Machtverzicht ist: Schrempps Geschichte könnte als symptomatisch für die globalisierte Wirtschaft stehen, er könnte sich sogar zum Opfer immer neuer modischer Konzernstrategien erklären, wenn es nicht Gegenbeispiele wie Porsche gäbe.

Der Sportwagenhersteller lässt sich viel Zeit mit der Entwicklung neuer Modelle und beschränkt sich auf seine Kernkompetenz. Und um nicht ständig Finanzberichte veröffentlichen zu müssen, lässt Porsche-Chef Wiedeking die Firma lieber in einem unansehnlichen Börsensegment notieren. Die Entschleunigung hat dem profitabelsten Autobauer der Welt nicht geschadet. Vielleicht ist es symbolisch, dass DaimlerChrysler derzeit mit seinen Trucks richtig Geld verdient.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen