: Zu wenig Geld fürs Grüne
Das Bündnis Grünes Bremen fordert höhere Investitionen in Bremens Parkanlagen und Grünstreifen und findet, man könne auch von den Coronamilliarden etwas abzwacken
VonJens Fischer
Bremen ist eine grüne Stadt dank all der Wiesen, Parks, Deiche, Gärten und Ansammlungen von Bäumen. Aber die Grünflächen „leiden unter einem dwramatischen Sanierungsstau und können ihre Funktionen nur noch eingeschränkt erfüllen, teilweise müssen sogar Bereiche gesperrt werden, weil sie nicht mehr verkehrssicher sind“, sagt Ulf Jacob, Grünen-Mitglied und Sprecher des Bündnisses „Grünes Bremen“. In diesem haben sich Landschafts- und Gartengestalter, die Architektenkammer der Freien Hansestadt und der BUND zusammengeschlossen.
Der Klimawandel und der verstärkte Nutzungsdruck unter anderem als Folge der Coronakrise verschärften das Problem, sagt Jacob. Das Bündnis fordert daher Investitionen von mindestens 35 Millionen Euro.
367 öffentliche Grünanlagen mit einer Gesamtfläche von 798 Hektar gibt es in Bremen in kommunaler Verwaltung, hinzu kommen Kleingartengebiete von über 100 Hektar und 13 Friedhöfe mit 211 Hektar. „Quantitativ sieht das sehr gut aus, qualitativ aber eher schlecht“, so Jacob. Stauden und Gehölze zu pflanzen sowie insektenfreundliche Blühwiesen zu ermöglichen, das sei zu teuer, zu pflegeintensiv, meist werde nur Rasen gesät.
Beispiel: Grünflächen in der Vahr. „Diese wurden in den 1960er-Jahren angelegt und seither nicht mehr grundlegend verbessert. Folge des Defizits sind fehlende Aufenthalts- und mangelhafte ökologische Qualität, schlechte Ausstattung etwa mit Sitzgelegenheiten, keine Erholungs- und Freizeitangebote, schlechte Wege, verschlammte und ökologisch minderwertige Gewässer“, erklärt Jacob. Der Grund: Geld- und Personalmangel.
Zur Sanierung von Grünanlagen und Kleingartengebieten standen bisher „nur sehr begrenzt Mittel in Höhe von 610.000 Euro pro Jahr zur Verfügung“, hieß es Anfang März in einer Senatsantwort auf eine SPD-Anfrage, gleichzeitig sind dort Bedarfe von etwa 7,5 Millionen Euro aufgeführt. „Darüber hinaus wird geschätzt, dass circa zehn Prozent aller Wegeflächen in Grünanlagen sowie 25 Prozent der Wegeflächen im Rahmengrün der Kleingartenanlagen sanierungsbedürftig sind“, teilte der Senat mit.
Für die Pflege öffentlicher Grünanlagen stehen seit Jahren nur 5,2 Millionen Euro, für Friedhöfe 1,6 Millionen Euro zur Verfügung. Es sei nur noch eine „Notpflege möglich“, erklärt Jacob, also Verkehrssicherheit herstellen durch Baum-, Pflanzen-, Grashalmschnitt. „Neubau- oder Sanierungsprojekte können nicht umgesetzt werden. In der Folge verlieren die Grünanlagen weiter an Substanz und Attraktivität, der Sanierungsstau vergrößert sich laufend.“
Jacob rechnet vor: „Bremen stellt für die Pflege der öffentlichen Grünflächen im Durchschnitt 0,64 Euro je Quadratmeter und Jahr zur Verfügung.“ Die von Bremen mitgetragene Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement habe einen erforderlichen Durchschnittswert von 1,19 Euro ermittelt.
Die geforderten 35 Millionen sind laut Jacob nur eine vorläufig mal grob zusammenaddierte Summe für Rad- und Fußwege, Brücken, Baumschutz, Grünanlagen und Parks sowie eine klimafreundliche Ausstattung des für die Grünanlagen zuständigen Umweltbetriebs mit Photovoltaikanlagen, Dach- und Fassadenbegrünung sowie Elektrofahrzeugen. Auch eine stadtweite Grünflächenplanung wird gefordert, die vielleicht auch Investoren daran hindern könnte, durch bauliche Innenverdichtung der Stadtteile, Baumfällungen und Versiegelung der Böden zur Entgrünung beizutragen.
„Wir unterstützen die Forderungen voll und ganz, da sie in unserem Interesse sind“, sagt Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) zu dem Positionspapier. Aber voll und ganz finanzieren – das gehe nicht. „Insgesamt hätte ich im Doppelhaushalt gerne noch mehr Geld für das Stadtgrün gehabt“, so Schaefer. Immerhin sei die Planung von drei Fahrradbrücken gesichert und man habe zusätzlich mehrere Millionen Euro für den Rad- und Fußverkehr zur Verfügung.
Wider den Sanierungsstau soll auch das Grünpflege-Budget erhöht werden, von 250.000 Euro ist die Rede. „Ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Jacob. Er hofft, dass bei den Nachverhandlungen für den Haushalt noch mehr möglich sein wird. Auch bei den 30 Millionen Euro des Bremer Klimafonds müsste für nachhaltiges Grün etwas zu holen sein. Ebenso könnten das Bremer Corona-Hilfspaket von 1,2 Milliarden Euro und die entsprechenden Bundesmittel, 353 Milliarden Euro, angezapft werden für grüne Infrastruktur und innerstädtische Biodiversität, die auch zur Stärkung der Widerstandskraft gegenüber dem Klimawandel notwendig sei, meint Jacob.
In einer Pressemitteilung zitiert er die Stadtplanerin Sabine Baumgart vom Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen: „Grün- und Freiräume leisten einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsvorsorge und helfen auch, die Akzeptanz der Corona-Beschränkungen zu verbessern.“ Um die gestiegene Wertschätzung von Stadtnatur in der Coronakrise auszudrücken, nennt Jacob sie „systemrelevant“.
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