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Protest für die Ratibor14 in KreuzbergNebulöse Perspektive

Die Finanzverwaltung will ein Areal in Kreuzberg nun womöglich doch nicht kaufen. Eine Initiative fürchtet die Verdrängung von Gewerbe und Wagenplatz.

Protest für den Erhalt der Ratibor14 vor dem Roten Rathaus in Mitte Foto: Christian Ditsch

Berlin taz | Dichte Kunstnebelschwaden ziehen vorbei am Seiteneingang des Roten Rathauses. Am frühen morgen haben sich rund 50 Handwerker*innen und Unterstützer*innen der Initiative Areal Ratibor 14 versammelt, um für den Erhalt ihres bedrohten Werkshofes in Kreuzberg zu demonstrieren. „Keine Gentrifizierung durch die Hintertür!“, fordert ein Aktivist in einem Redebeitrag. In die zustimmenden Rufe und Pfiffe der Demonstrant*innen stimmt eine Trompete ein.

Mit dem morgendlichen Spektakel hoffen die Demonstrant*innen die Senator*innen auf ihrem Arbeitsweg zu erreichen. Denn von ihrer Entscheidung wird auch die Zukunft der Nutzer*innen des Areals an der Ratiborstraße 14 abhängen.

„Es herrscht großer Frust bei allen“ schildert der Sprecher der Initiative Areal Ratibor 14, Moritz Metz, mit maskierten Gesicht die Situation. „Das Ziel war, Geflüchteten und verdrängten Handwerksbetrieben Raum zu geben, aber bisher ist nichts passiert.“

Die drei Hektar große Fläche an der Dreiländereck genannten Grenze der Bezirke Treptow, Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln wird derzeit vor allem von Handwerksbetrieben, aber auch von einer Kita, einem Wagenplatz und einem Biergarten genutzt.

Anfang 2018 überraschte der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg die Nutzer*innen mit der Ankündigung, auf dem Gelände eine MUF – eine sogenannte Modulare Unterkunft für Flüchtlinge – mit 500 Plätzen errichten zu wollen. Schnell entwickelte sich Protest. Statt Massenunterkunft und Verdrängung einer der letzten Gewerbeflächen in Kreuzberg forderten die Nutzer*innen die Integration von Handwerk, Geflüchteten und Kultur.

Wir würden eigentlich gerne ausbilden dieses Jahr.

Livius Härer, Tischlermeister

Von einer „Kreuzberger Mischung“ war die Rede

In langwierigen Gesprächen mit Bezirk und Senat wurde die Idee eines „Modellprojekts“ für die Unterbringung von Geflüchteten entwickelt. Nicht wenige Einwände der Aktivist*innen, die insgesamt vier detaillierte Konzepte entwickelten, wurden berücksichtigt: Die Zahl der MUF-Plätze wurde auf 250 Plätze reduziert, das angestammte Gewerbe sollte erhalten werden. Immer wieder war die Rede von der „Kreuzberger Mischung“, die auf dem Gelände wieder aufleben sollte.

Ursprünglich geplant war, dass die Senatsverwaltung für Finanzen dafür das Gelände vom Bund erwirbt. Ein Teil des Geländes sollte an das landeseigene Wohnungsbauunternehmen Berlinovo gehen, die dort die MUF errichten will. Auf der verkleinerter Fläche von rund 10.000 Quadratmetern sollten der Wagenplatz und die Handwerker*innen zusammenrücken. Dafür wurde eigens die Genossenschaft Ratibor 14 e.G. gegründet, die das Gelände dauerhaft vom Senat in einem Erbpachtvertrag mieten sollte.

Doch die Aktivist*innen fürchten nun, dass die Senatsverwaltung für Finanzen den Kauf des Geländes abbrechen will, womöglich um eine Nachnutzung der MUF durch Luxuswohnungen zu ermöglichen. Dabei berufen sich die Aktivist*innen auf interne Informationen. Auf Anfrage teilte die Senatsverwaltung für Finanzen der taz mit, es geben diesbezüglich noch keine Entscheidung, die Verhandlungen liefen noch.

Die unklare Situation bedeutet für die dort ansässigen Handwerksbetriebe vor allem weiterhin Unsicherheit: „Wir würden eigentlich gerne ausbilden dieses Jahr“, erklärt Livius Härer. Der Tischlermeister hat eine Werkstatt mit drei Angestellten auf dem Gelände. „Doch wie es jetzt aussieht, müssen wir am Ende des Jahres vom Gelände.“ Auch notwendige Investitionen könne er nicht tätigen. „Wir fordern deshalb zu erst einmal ein Verlängerung der im Dezember auslaufenden Mietverträge.“

Am Dienstagmorgen singt im Kunstnebel eine Opernsängerin vor dem Roten Rathaus, ihr Auftritt ist Teil der Protestaktion. Eine schwarze Mercedes-Limousine fährt vorbei, die Insassen sind unbeeindruckt. Wie sich die Senator*innen entscheiden, bleibt nebulös.

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