Lagebericht aus Ruanda: Ohne Bargeld unterwegs
Ruanda hat seine Sicherheitsmaßnahmen in der Coronakrise straff organisiert. Kontaktlose Seifenspender und Bezahlen via App sind beliebt.
Manchmal gab es Anweisungen, zum nächstgelegenen Supermarkt zu fahren und nicht zu dem, bei dem es die Lieblingsmarmelade gibt. Manchmal gab es die Anweisung, die Mundschutzmaske aufzuziehen, dabei saß ich allein im Fahrzeug. Manchmal wurde man einfach so hindurchgewinkt. Jeder Ausflug nach draußen wurde somit zum Risikospiel.
Das kleine, aber straff durchorganisierte Land Ruanda hat mich in den vergangenen Wochen immer wieder überrascht. Die Zahl der rund um die Uhr stationierten Polizeikräfte war schier überwältigend: ebenso deren Disziplin und Fähigkeit, stundenlang bei strömendem Regen sich die Beine in den Bauch zu stehen. Dass sie dennoch höflich waren, beeindruckte mich am meisten. Im Nachbarland Uganda werden Uniformierte oft ausfallend, im anderen Nachbarland Kongo fragen sie in der Regel nach Geld. In Ruanda taten sie einfach ihren Job. Das gab den Menschen ein Gefühl der Sicherheit und den Eindruck, die Regierung habe die Lage unter Kontrolle.
Nur in den Seitengassen, wo die Polizei nicht hinreichte, herrschte oft fragliche Unordnung: bettelnde und barfüßige Straßenkinder, die sich durch die Müllsäcke der gut betuchten Stadtelite wühlten und den Unrat auf den sonst sauberen Straßen verteilten. Die sonst in der Hauptstadt nur versteckte Armut wurde in den vergangenen Wochen wieder überall sichtbar. Vor den städtischen Wasserquellen drängelten sich trotz Abstandsgebot die Kinder mit ihren gelben Wasserkanistern, die sie dann nach Hause schleppten.
Joggen nur mit Hund
Für die Mittelklasse gab es Wasser satt: Überall vor den Banken, Supermärkten, Krankenhäusern wurden mobile Handwaschstationen aufgebaut. Durch das Drücken eines Fußpedals sprudelt Wasser heraus. Daneben der automatische Seifenspender mit Sensorfunktion. Alles „Made in Ruanda“.
Made in Ruanda war auch die eigens programmierte Polizeiapp. Wer zum Supermarkt oder selbst ins Krankenhaus wollte, musste in den vergangenen zwei Wochen jedes Mal eine Anfrage online stellen. Dabei musste man Personaldaten, Autokennzeichen und Zweck und Ziel der Fahrt eingeben. Eigentlich sollte dann eine Bestätigungs- oder Ablehnungsnachricht aufpoppen. Meist gab es aber nur Fehlermeldungen. Erst Tage später kam mitunter die Meldung: „Fahrt zum Supermarkt zwischen 15.55 Uhr und 16.55 Uhr erlaubt.“ Glücklich fuhr ich damit durch die Gegend, drehte noch eine Extrarunde, um die Autobatterie etwas aufzuladen. Ausgerechnet dann wollte kein Polizist mich kontrollieren.
Ich habe seit Wochen kein Bargeld angerührt. Mein Handy mit der mobilen Geldtransfer-App wurde neben meiner Visakarte zur Geldbörse. Erstaunlich, wie wenig man ausgibt, wenn man keine Restaurants besucht, in keine Kneipe geht. Nur mit dem Hund habe ich mich jeden Abend zum Joggen rausgewagt, um die Ecke allerdings nur. Knapp eine Stunde lief ich immer wieder um denselben Häuserblock.
Am Montag nun war ich zum ersten Mal ohne Auto, ohne Hund draußen. Selbst ohne obligatorischen Mundschutz, denn der stört beim Joggen. Auf der acht Kilometer langen Strecke, die ich auch sonst immer laufe, war alles wie vor der Coronakrise: der Stau auf den Straßen, die Luftverschmutzung, die offenen kleinen Läden in den Seitengassen mit rauchenden und trinkenden Männern davor. Nur wenige Menschen trugen Mundschutz. Selbst die Polizisten waren verschwunden.
Ich begegnete nur drei von ihnen: Sie lagen in einem kleinen Park zwischen den Bäumen und dösten vor sich hin. Nach wochenlanger Arbeit aber wohlverdient.
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