Südkoreas Parlamentswahl: Corona verhilft zu Erdrutschsieg
Südkoreas Regierungspartei war auf dem absteigenden Ast. Dann hat sie die Corona-Pandemie erfolgreich bekämpft – und eine Trendwende erlebt.
Von 300 Sitzen konnte die Regierungspartei 163 für sich gewinnen. Mit weiteren 17 Sitzen einer nahestehenden Splitterpartei stellt das Regierungslager künftig mehr als 60 Prozent aller Abgeordneten. Es ist die größte Mehrheit seit über drei Jahrzehnten. Das konservative Lager musste sich mit nur 103 Sitzen bitter geschlagen geben.
Traditionell ist Südkoreas politische Landschaft stark polarisiert, wobei sich links und rechts meist etwa die Wage halten. Doch haben die Konservativen seit dem Fall der Ex-Präsidentin Park Geun-hye, die wegen Machtmissbrauchs und Korruption amtsenthoben wurde und seither im Gefängnis sitzt, vor allem bei der Jugend den Anschluss verloren.
Die Wahlbeteiligung lag trotz Coronapandemie bei 66,2 Prozent und war damit so hoch wie seit den ersten freien und demokatischen Wahlen 1992 nicht mehr.
Präsident Moon setzt auf Entspannungspolitik zum Norden
Präsident Moon wird das Votum der Bevölkerung nutzen, um seine Agenda mit neuem Selbstbewusstsein voranzutreiben. Dazu gehört vor allem die Entspannungs gegenüber Nordkorea, die jedoch im Jahr 2020 als gescheitert gilt.
Denn zum einen gibt es bei den Verhandlungen zwischen Washington und Pjöngjang keine Hoffnung auf Fortschritt, zum anderen zündet Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un inzwischen wieder regelmäßig Raketen.
Moons zweites Mammutprojekt ist die Reform der potenziell korrupten und politisch beeinflussbaren Staatsanwaltschaft. Dagegen gibt es jedoch massive Widerstände.
Für viele Südkoreaner ist jedoch die Wirtschaft am wichtigsten: Der 66-jährige Moon hatte auf den Ausbau des öffentlichen Sektors gesetzt, den Wohlfahrtsstaat ausgebaut und den Mindestlohn rasant erhöht. Doch ist inzwischen die Jugendarbeitslosigkeit auf Rekordniveau gestiegen.
Beiebtheit des Präsidenten steht auf wackligen Beinen
Moons derzeitige Beliebtheit könnte also schnell wieder verfliegen, wenn er nicht bald wirtschaftliche Erfolge vorzuweisen hat. Das scheint wegen der globalen Rezession aber nahezu unmöglich.
Der einzige Grund für den massiven Wahlsieg war das entschlossene und frühzeitige Vorgehen gegen Covid-19, das rückblickend betrachtet viele Menschenleben gerettet hat. Zwar registrieren Südkoreas Behörden auch weiterhin täglich mehrere Dutzend Infiziere. Doch die Ende Februar außer Kontrolle geratene Epidemie konnte eingedämmt werden.
Im Vergleich zu Europa geht der Alltag in Südkorea mit vergleichsweise kleinen Einschränkungen seinen gewohnten Gang. Der Internationale Währungsfonds prognostiziert für 2020 dennoch einen Einbruch der Wirtschaft um 1,2 Prozent. Die stark exportabhängige Nation dürfte besonders unter der globalen Rezession leiden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!