: Der Hund wird zum Geldscheißer
Die Partei des Satiremagazins „Titanic“ tritt in Neukölln und Mitte mit Direktkandidaten zu Bundestagswahl an. Der Parteichef hat die Mitglieder fest auf Linie gebracht. Er will Deutschland mit Hundekot aus der Misere kaufen
Am Ende kommt der Sieg. 20 Prozent wird die Partei bei der Bundestagswahl schaffen – vielleicht sogar die absolute Mehrheit. Darüber sind sich der Vorstand, der nicht Lafontaine heißt, und die Mitglieder, die nicht rot sein wollen, einig. Stolz wie Oskar sind sie alle, sagen sie, nur mit der WASG haben so wenig zu tun wie ein Pferd mit Turnschuhen. Es geht hier um die Partei, die einfach nur „Die Partei“ heißt und vor einem Jahr in Frankfurt gegründet wurde – von den Machern der Satirezeitschrift Titanic. Als todernstes Projekt. „Wir haben eine sehr breite Basis“, sagt Matthias Balski, Student, und deshalb erstklassig qualifiziert zum wissenschaftlichen Sprecher der Partei.
Er hat Recht. Riesiger Andrang herrscht bei der ersten Unterschriftenaktion des Partei-Direktkandidaten in Neukölln, Rolf Kohnen, dem Balski beim Wahlkampf hilft. Kohnen braucht 200 Unterstützer, die ihm damit ermöglichen, bei der nächsten Bundestagswahl anzutreten. Deshalb baut er seinen Wahlkampfstand vor dem Neuköllner Rathaus auf. Menschenmassen drängen sich dort. Hier tummeln sich nicht hundert, nicht tausend, nicht zehntausend Leute – nein, genau elf Menschen sind es, wenn man jene mitzählt, die zufällig vorbeigehen.
Wissenschaftsexperte Balski ist Direktkandidat in Mitte. Dort hat er schon fast alle Unterschriften gesammelt. Von 200 fehlten ihm nur noch 195 Unterstützer. Bald kommt die Partei groß raus. Aber Balski will realistisch bleiben. Er schaut sehr ernst, kein Zucken kommt über sein Gesicht. „Ich bin zurückhaltend, was eine Prognose zur Wahl betrifft“, sagt er. Die Fünfprozenthürde? „Schafft die FDP nicht. Und für uns werden es wohl nur 20 bis 25 Prozent.“
Ein Stück abseits steht ein großer, ruhiger Mann im Anzug. Er schaut genauso ernst, auch wenn ihm manchmal die Mundwinkel zucken. Sein Name ist Martin Sonneborn, hauptberuflich Titanic-Chefredakteur, nebenbei noch Partei-Parteivorsitzender. Sonneborn kann erklären, wofür die Partei eigentlich steht: nämlich für nichts. „Wir schüren billigste Emotionen und bringen die Dinge auf den Punkt“, sagt er.
Punkt 1: Das Merkel – für die Partei ist das Geschlecht der CDU-Spitzenkandidatin nicht zweifelsfrei geklärt – soll hinter einer hohen Mauer weggeschlossen werden. Am besten sollte das so eine sein, wie es sie schon vor fünfzehn Jahren gab. Der Osten muss abgespalten werden. Darüber, wer die neue Mauer zahlt, sind sich die Parteimitglieder noch uneins. „Wir sammeln in Neukölln Hundescheiße und verkaufen sie. Außerdem bringen uns die Leute das Baumaterial von selbst“, umreißt Direktkandidat Kohnen sein Konzept. Hunde kacken für den Wohlstand, Geld durch Scheiße – besser kann es niemand sagen.
Zumindest unter den Neuköllnern, die sich am Stand sehen lassen, stößt die Maueridee auf Anklang. Ein Mann kommt, schaut sich eine Weile um, sieht das Anti-Merkel-Plakat und die Flyer, auf denen man sich seine Mauer-Wunschroute einzeichnen kann. Die wichtigste Frage für ihn: Gibt es noch Döner, wenn die Mauer erst mal wieder steht? Irgendwie sind sie alle bekloppt bei der Partei und drumherum. Aber das ist das Tolle. Politik wird witzig vermittelt, auch wenn längst nicht jeder Passant erkennt, wie ernst die Partei es mit ihren Konzepten meint. „Die Mauer muss wieder hoch – wie in der DDR. Wir wählen jetzt andere Parteien, damit sich was ändert“, schimpfen Jürgen Hampel aus Neukölln und seine Frau, die für Direktkandidat Kohnen unterschrieben haben. Ohne Korruption und ähnliche Schandtaten müsse das laufen. Die gibt es bei der Partei tatsächlich nicht – bisher. „Nach unserer Einschätzung dauert es vier bis fünf Jahre, bis wir genauso korrupt wie die etablierten Parteien sind“, vermutet Sonneborn. MARTIN MACHOWECZ
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