piwik no script img

Andreas Speit Der rechte RandWarum Patrioten unter falscher Flagge laufen

Foto: Jungsfoto: dpa

Mit Flugblättern und Zeitungsanzeigen versuchen die „Patrioten für Deutschland“ seit Jahren eine „Volksbewegung“ anzustoßen. In Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben die Patrioten Kontaktpersonen. Das kleine Netzwerk um Hartmut Issmer will „deutsch und frei“ sein. „Wir sind das Volk“ prangt auf der Webseite der Patrioten unter zwei Fahnen: der Deutschland- und Wirmer-Flagge.

In den vergangenen Jahren nutzten insbesondere Reichsbürger-Organisationen und Pegida-Strukturen die rot-schwarz-goldene Fahne mit leicht nach links stehendem Balkenkreuz. Die Fahne nach dem Entwurf von Josef Wirmer, einem der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 gegen Adolf Hitler, steht aber für eine demokratische Gesellschaft. Anton Wirmer, Sohn des hingerichteten Josef Wirmer, erklärte schon 2015, dass mit der Nutzung durch Rechte eine Verdrehung all der Ideen betrieben werde, die die Fahne symbolisiert. Sie stehe für eine freiheitliche und tolerante Gesellschaft, sagte er dem Spiegel.

Die Patrioten interessiert der Hintergrund nicht. Die Fahne ist für sie ein Zeichen für den vermeintlich berechtigen Widerstand gegen die bundesdeutschen Verhältnisse. Denn „die Politik“ habe bereits vor Jahrzehnten begonnen, die „Förderung einer Masseneinwanderung aus dem afrikanischen und arabischen Raum“ zu betreiben. Die Bundesregierung wolle mit der Einwanderung „das eigene Volk und die eigene Kultur“ abschaffen.

Diese Annahme deckt sich mit der Vorstellung des „großen Austausches“, von dem auch das „Institut für Staatspolitik“, die Identitäre Bewegung und die AfD sprechen. Die Patrioten warnen, wie auch das neurechte Milieu, vor einer „schwarz-rot-grünen Politikerkaste“ und einer „dekadenten und perversen sogenannten Genderpolitik“. Auf ihrer Homepage führen die Patrioten aus: „Die Familienpolitik richtet sich gegen das deutsche Volk“, die traditionelle Familie solle vernichtet werden. Die Bildungspolitik richte sich ebenfalls gegen das Volk, weil Kinder nicht mehr die Rechtschreibung, sondern „die Anwendung perverser Sexualpraktiken“ lernten. Am menschengemachten Klimawandel zweifeln sie.

Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Die „gleichgeschalteten Medien“ verschleierten all das, während sie gegen Trump, Putin und Orban Hetzpropaganda betrieben. Die Untergangsphantasien der Patrioten gipfeln in dem Wahn, es sei der Plan „der Globalisten“, in Europa „eine Afro-Eurasische Mischrasse“ entstehen zu lassen. Die Wortwahl zeigt auch, warum die Patrioten bisher keine Bewegung sind – Neurechte sprechen von „Kultur“ statt von „Rasse“. Die Botschaften aber sind die gleichen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen