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Neues Album von Malakoff KowalskiBis einer heult

Der Pianist Malakoff Kowalski hat mit seinem fünften Solo-Album „Onomatopoetika“ eine aparte Seelenklanglandschaft erschaffen.

Kitsch him if you can: Malakoff Kowalski Foto: Julja Goyd

Malakoff Kowalski fiel zuerst Mitte der nuller Jahre als schlumpfig gekleidete Hälfte des HipHop-Duos Jansen & Kowalski auf. Danach begann er, sich, seine Kunst und sein Leben neu zu erfinden. Er stellte seine Ernährung auf Trennkost um, kleidete sich ausschließlich in Schwarz und Weiß und zog nach Berlin.

Dort komponiert er seitdem Musik für Filme von Klaus Lemke und Theaterstücke von Angela Richter oder ergänzt als Bühnenmusiker die Band Zweiraumwohnung. Außerdem veröffentlicht er Klavierstücksammlungen. Das neue Album „Onomatopoetika“ entstand im Saal 3 des altehrwürdigen Funkhauses Nalepastraße im Ostberliner Ortsteil Oberschöneweide. Mitproduziert hat Nils Frahm. Der hat sich im Lauf seines Künstlerlebens mit präparierten Klavieren, Synthesizern, Sequenzern und Orchestern durch so ziemlich jede Musik von Joachim Kühn über Jean-Michel Jarre bis zum Pyrolator und von Notwist bis Markus Popp durchgespielt.

Kowalski geht es allerdings weniger um verschiedene Genres als um ein Gefühl von Zeit. Schon im ersten Stück „Ono“ kommen die Töne so langsam heran, als würden sie sich beim Nachhallen umschauen. Einen langen Weg haben sie dabei allemal hinter sich. Denn der Pia­nist Malakoff Kowalski hat 40 Lebensjahre verbracht, um ihn zurückzulegen. Währenddessen entwickelte er sich zu einem Staunen erregenden Musiker, der hier die „Gymnopédies“ des Erik Satie mal eben mit dem musikalischen Backwerk des Richard Clayderman verbinden kann.

Noch tragischer

Das zweite Stück, „Noma“, klingt noch tragischer, nicht mehr wie das Vor-, sondern bereits wie das bedrohliche Nachspiel zum „Nachmittag eines Fauns“. Unter „Mato“ liegt Chopin wie ein Pflaster unter einem Strand. „Atopo“ reißt immer mehr und größere Stücke aus dem Herzen und die einzelnen Noten fallen noch weiter aus der Zeit raus. Kowalski schaut ihnen dabei zu, während er behutsam Tasten anschlägt. Bei „Topo“ wird die Stimmung besser, Kowalski tanzt sich von einem Springbrunnen in Versailles bis zu einer Wiese in Sanssouci. Dass er musikalisch nie festgelegt ist, zeigt „Oéti“, wo die jazzigen Sextakkorde schon einen Ausblick auf weitere Alben ermöglichen.

Die Stimmung wird besser, Kowalski tanzt sich von einem Springbrunnen in Versailles bis zu einer Wiese in Sanssouci
Onomatopoetika

Malakoff Kowalski: „Onomatopoetika“ (MPS/Edel)

Mit seinen aktuellen Aufnahmen dokumentiert Kowalski Traurigkeit, die keinen weiteren Anlass mehr braucht. Weil er sich trotzdem strebend bemüht, kann er uns mit der aparten Seelenklanglandschaft „Onomatopoetika“ mindestens ein bisschen erlösen.

So fasziniert Kowalski, und das nicht nur mit seiner Musik, sondern darüber hinaus mit seiner in Interviews zur Sprache kommenden Lebensführung. Denn den Herrn im weißen Hemd, der schwarzen Prinz-Heinrich-Mütze auf dem Kopf und neuerdings der Fliege am Hals treibt sein Wille zum Selbstregime an.

Der hat ihn in Verbindung mit seinem manierlichen Erscheinungsbild zum Szene-Liebling werden lassen. Kowalski hat sich als ebenso produktiv wie dekorativ herausgestellt. Mit seiner Musik ist es mittlerweile wie mit seinen Klamotten, sie passt zu vielen Anlässen, für das Konzert in der Privatwohnung eines Galeristen ebenso wie für die Buchveröffentlichungsparty einer Schriftstellerin.

Zarteste Töne, schlimmste Gewalt

Das einzige Problem, das „Onomatopoetika“ hat, ist, dass Kowalskis Wille zur Selbstorganisation musikalisch auf eine oft schwer erträgliche Fein-geisterei hinausläuft. Die lässt den Hörer an Filme denken, in welchen die zartesten Töne die schlimmste Gewalt untermalen. Etwa an „Das Schweigen der Lämmer“, wenn Hannibal Lector die „Goldberg-Variationen“ hört, bevor er einem Polizisten ein Stück aus dessen Gesicht beißt.

Oder an „Django Unchained“, wo „Für Elise“ auf einer Harfe kredenzt wird, während tollwütige Hunde einen Sklaven zerreißen. Es wäre daher unpräzise zu sagen, dass Kowalski Musik macht. Denn tatsächlich stellt er am Klavier historistische Teegedecke zwischen einem langsamen Adagio und einem schreitenden Andante her. Das kommt bei Menschen an, die gern in sich selber schwelgen möchten und nur dann noch Gewissensbisse kriegen, wenn sie ihre Putzkraft schwarz und nicht auf ­Rechnung bezahlen.

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