piwik no script img

Verschobene Sommerspiele in TokioGrößte Afterparty der Menschheit

IOC-Präsident Thomas Bach will mit den Olympischen Spiele die Überwindung der Corona-Epidemie feiern. Doch wer für das Fest bezahlt, ist unklar.

Letzte Bilder mit dem olympischen Feuer: Es soll nächstes Jahr zum Licht für die Welt werden Foto: ap

BERLIN taz | Pathos ist das Schmiermittel, welches die große lukrative Maschinerie des Weltsports so geschmeidig am Laufen hält. Nur taugten die alten Bestände in den letzten Tagen nicht mehr recht. Thomas Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees geriet immer stärker in die Kritik, weil er trotz der weltweiten, albtraumhaften Corona-Epidemie dafür warb, die olympischen Träume der Athletinnen und Athleten im Sommer in Tokio wahr werden zu lassen.

Mit der Kehrtwende vom Dienstag, als die Verschiebung der Sommerspiele auf das Jahr 2021 bekannt gegeben wurde, hat Bach ganz neue Pathosquellen für sich und den Sport entdeckt. Er träumt nun davon, die größte Afterparty der Menschheit mitzuorganisieren. In einer Telefonpressekonferenz mit gut 400 Journaliten erklärte er am Mittwochmorgen, die verschobenen Spiele von Tokio könnten symbolische sein. „Sie können eine Feier der Menschheit nach der Überwindung der Virusepidemie sein. Diese olympischen Spiele können ein Licht am Ende des sehr dunklen Tunnels sein.“

Das Licht für die Welt anknipsen, das wäre wahrlich ein prestigeträchtiger Job für das IOC. Dagegen fielen die olympischen Bemühungen, die koreanische Einheit mit Sommerspielen in Nord und Südkorea 2032 voranzutreiben, eher in den Bereich der Minijobs.

Wann genau die große Party 2021 steigen soll, ist noch nicht klar. Bach sagte, die Terminfindung sei eine sehr herausfordernde Aufgabe. Tausende von Fragen müssten gelöst werden. Ob etwa das für nächstes Jahr eigentlich schon vermietete olympische Dorf genutzt werden kann, sei unklar und nur eines von unzähligen zu lösenden Problemen.

„Wunderschönes Puzzle“

Am Donnerstag soll auf einer Telefonkonferenz mit 33 internationalen Sportverbänden beraten werden, wie man den nun durcheinander gewirbelten internationalen Sportkalender für das kommende Jahr gestalten kann. Man wolle so schnell wie möglich zu einer Lösung kommen, im Vordergrund stünde aber die Qualität der Entscheidung bei all den vielen unterschiedlichen Interessen. Dabei betonte er, dass man für die Ausrichtung der Spiele nicht auf die Sommermonate festgelegt sei.

Thomas Bach mahnte die Kompromiss- und Opferbereitschaft aller Beteiligten angesichts der noch nie dagewesenen Herausforderung an. „Das ist ein riesiges Puzzle, alles muss zusammenkommen, alles ist wichtig.“

„Diese olympischen Spiele können ein Licht am Ende des sehr dunklen Tunnels sein“

Thomas Bach

Wenig erstaunlich ist, dass Bach sich optimistisch zeigte, dass dabei am Ende „ein wunderschönes Puzzle“ entstehen wird. Die Oberaufsicht darüber solle eine Task Force haben, deren Namen „Here we go“, so Bach, ihm gut gefalle. Auch hier hat man für einen ordentlichen Pathos-Anstrich gesorgt.

Zuletzt ist das IOC wegen seiner zögerlichen Haltung ja eher mit der Parole „Here we wait“ in Verbindung gebracht worden. Vor der Entscheidung die Spiele zu verschieben hatten etliche Athleten vergeblich beim IOC darum geworben, und die Nationalen Olympischen Komitees aus Kanada und den USA kamen mit ihren Entscheidungen, dieses Jahr keine Sportler nach Tokio zu entsenden, dem IOC gar zuvor.

Kritik, zu langsam und nicht im Sinne der Athleten gehandelt zu haben, wies Bach kategorisch zurück. Er berichtete von einer Telefonkonferenz des IOC mit Athletenvertretern, in der es vornehmlich um die Fragen der Qualifikation, der Trainingsbedingungen und der Gesundheitsvorsorge, aber nicht um eine Verschiebung gegangen sei.

Und auch die Nationalen Olympischen Komitees hätten in Telefonsschaltungen bis zuletzt einmütig hinter der Haltung des IOC gestanden. Die Frage ob er je an einen Rücktritt gedacht habe, beantwortete der deutsche Funktionär mit Leistungssportlervergangenheit lediglich mit dem Wort „Nein.“

Die Nachrichtenlage des Wochenendes hob Bach als entscheidend hervor, weshalb es zu einem Umdenken gekommen sei. Insbesondere die Nachricht, dass der Coronavirus auch in Afrika zum Ausbruch gekommen sei, habe eine große Rolle gespielt. Eine nur schwer nachvollziehbare Erklärung. Schließlich hat sich die Entwicklung schon früher abgezeichnet. Algerien etwa vermeldete bereits vor einer knappen Woche 87 Coronafälle.

Eines war Thomas Bach noch wichtig: Die Entscheidung der Verschiebung habe man gemeinsam mit dem japanischen Organisationskomitee getroffen. Dahinter dürfte ein Problem stehen, das wohl am schwersten wiegt. Wer muss denn die immens hohen Kosten für die Spiele, die nun zur großen After Party der Menschheit werden sollen, bezahlen? Bach brachte seine Freude über die Zusicherung des japanischen Regierungschef Shinzo Abe zum Ausdruck, alle erforderlichen Anstrengungen unternehmen zu wollen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen