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Kölner „Tatort“ Wahrheiten über Trennungs­familien

Harte Themen, wenig Klischees und viel Gewalt. „Niemals ohne mich“ handelt von Gewalt in Familien und ist sicher der beste Köln-„Tatort“ sei Langem.

Stress mit dem Jugendamt, das kennen viele, auch Tülay Firat (Yeliz Simsek) Foto: WDR

Erst einmal eine Triggerwarnung. In diesem Film gibt es Gewalt gegen Frauen. Mord an Frauen. Gewalt in der Familie. Verbale Gewalt. Drohungen. Unterhaltsprellung. Jugendamtszwist.

Und all das spricht nicht gegen diesen „Tatort“. Im Gegenteil, „Niemals ohne mich“ ist einer dieser Filme, die eine gesellschaftliche Wahrheit über Familien und Post-Trennung zeigen, die man sich sonst eher auf Mittwochabenddrama-Sendeplätzen vorstellt, samt „Maischberger“ danach.

Wer Unterhalt zahlen soll, schummelt sich mit Gehaltstricks dran vorbei, die Kolleg:innen vom Jugendamt prüfen, konfrontieren, schießen vor, helfen. Bis eine dieser Amtsmitarbeiterinnen nachts vor ihrem Zuhause erschlagen wird. Drum, ganz ehrlich: Hier ist dieser Stoff genau richtig, in einem Format, in dem es explizit um Mord geht. Damit niemand glaubt, hier gebe es irgendetwas zu verharmlosen.

Um sich gleich mal aus dem Fenster zu lehnen: Es ist sicher der beste Köln-„Tatort“ sei Langem, den Drehbuchautor Jürgen Werner (ein betörender Sonderfall der Branche, er hat unter anderem das großartige Dortmunder „Tatort“-Team erfunden und diverse „Forsthaus Falkenau“-, „Traumschiff“- und „Um Himmels Willen“-Folgen auf seinem Konto) und Regisseurin Nina Wolfrum (ihr erster „Tatort“) hier zusammen abliefern. Dialoge, die subtil mehr hergeben als nur die Oberfläche, Szenenbilder, die wie nebenbei nicht nur Nullachtfünfzehn-Optik abliefern; gerade aus Köln, das als „Tatort“-Stadt bislang location­mäßig abgearbeitet wirkte.

Schluss mit den Phrasen

Was diesen WDR-Fall so heraushebt: Klischees tauchen nur auf in Phrasen, die die Kommissare Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) ihren Zeug:innen und Verdächtigen entgegenhalten – und die ihnen dann um die Ohren gehauen werden. Ganz anders als im furchtbaren ARD-Mittwochsfilm „Weil du mir gehörst“ Mitte Februar zum gleichen Thema, der die Mutter als Grund allen Übels zeigte.

Der Film

Köln-„Tatort“: „Niemals ohne mich“, So., 20.15 Uhr, ARD

Hier aber läuft das so: Warum sie denn mit ihren Kindern nicht in eine kleinere Wohnung ziehe, fragt das Duo etwa eine Alleinerziehende, der Kindsvater zahlt nicht, er ist mit 10.000 Euro beim Amt im Rückstand. Gerne!, pfeffert sie den Kommissaren also entgegen, würde sie sofort nehmen, aber: „Ich bin alleinerziehend, arbeite im Versandhandel, in Köln gibt mir keiner ’ne Wohnung.“ Realitätsnah, vorbildlich, mehr davon.

Die Triggerwarnung, sie gilt übrigens bis zur letzten Sekunde, wenn die Schwarzblende kommt.

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5 Kommentare

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  • Es gibt Väter, die Schweine sind weil sie keinen Unterhalt zahlen und es gibt Mütter, die ihre Macht und das Image der "heiligen Mutter" ausnutzen um Kinder von den Vätern zu entfremden. Ersteres ist sicher deutlich häufiger, vermutlich erschreckend häufig der Fall. Letzteres sicher ein Ausnahmefall - aber zur Realität gehört ja wohl beides. Weshalb dann die Spitze gegen „Weil du mir gehörst“?

    Ich habe den Film nicht gesehen und es kann schon sein, dass der "furchtbar" war. Aber ich habe so die Befürchtung, dass es nicht um Handwerk sondern um Aussage geht. Da sollte man mit der nötigen Gewichtung beide Übel darstellen und keine Art von positiver Diskriminierung von Müttern als "Heilige" akzeptieren. Man darf ja ruhig unterschiedliche Dinge daraus schließen, aber gewiss nicht so tun, als gäbe es den im Mittwochsfilm geschilderten Fall nicht.

    • @Axel Donning:

      Der Kommentar krankt an der Einstellung "Ich habe den Film nicht gesehen ... aber ich habe so die Befürchtung..." um dessen ungeachtet meinungsstark zu verkünden was "man darf" und was "man sollte".

      Doch sei's drum: Halten wir uns an Monty Python und singen mit dem verzweifelten Brian gemeinsam "Always Look on the Bright Side of Life".

      • @hinnerk untiedt:

        Der Kommentar krankt deshalb nicht daran, weil der Film selbst keine Rolle spielt sondern die Aussage der Autorin zum Inhalt (also die Mutter als Ursache allen Übels in der Medienwelt verunglimpft). Was man daraus schließen sollte (nämlich beide Übel mit der richtigen Gewichtung darstellen) darf man sicher auch schreiben, wenn man den Film nicht gesehen hat, zu dem ich mich nicht geäußert habe, da ich den nicht gesehen habe.

    • @Axel Donning:

      Ich bin in der Trennungseltern-Selbsthilfe tätig, und ich bilde mir ein, sagen zu können, dass man in keinem der im Artikel oder bei dir, Axel, genannten Fälle nach Geschlecht sortieren muss. Dem anderen Elternteil in jeder Hinsicht die Hölle heiss machen, das können beide Geschlechter gleich gut, und mit den gleichen Mitteln.

      Die Frage ist doch einerseits: warum sind immer die Väter die Buhmänner? Weil es keine Buhfrauen geben darf vielleicht? Diese Frage geht an die Autorin, die es in der Tat an journalistischer Sorgfalt mangeln lässt.

      Die viel interessantere Frage aber ist: warum wird der die Kinder besitzende Elternteil nicht positiv motiviert, Kontakt zum anderen Elternteil zuzulassen? Und warum wird der getrennt lebende Elternteil nicht entsprechend sanktioniert wenn er sich nicht hälftig ums Kind kümmern will?

      Da wären in der Tat mal Politik und Rechtsprechung gefragt.

      • @Berno Z.:

        Danke dafür; das Du es exakt so ausdrückst, wie ich es empfinde!