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Debütsoloalbum von Beatrice DillonFreude am Hören

Von Malerei inspiriert: Wie die britische Elektronik-Produzentin Beatrice Dillon mit ihrem Soloalbumdebüt „Workaround“ die Instinkte berührt.

Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos: Beatrice Dillon Foto: Nadine Fraczkowski

Streifen, Linien, Wellen, von denen einem schwindelig werden könnte – die Vertreter:innen der Op-Art begannen in den 1960er Jahren mithilfe der Gesetze der Physik den Betrachter:innen die Sinne zu verwirren: mit Farben, die auf der Bildfläche erscheinen, aber gar nicht da sind; mit räumlichen Täuschungen und flimmernden Bildern, die sich vor den Augen in Bewegung setzen, nicht wirklich natürlich, aber immerhin scheinbar und mitunter überaus intensiv.

Bridget Riley, eine von ihnen, ging es jedoch weniger um die bloße Irritation als vielmehr um die emotionale Regung, die sie mit ihren Bildern beim Publikum auszulösen versuchte. „Freude am Sehen“ betitelte sie entsprechend einen ihrer vielen Essays. Es ist eine Freude, die offenbar auch die britische Musikerin Beatrice Dillon teilt.

Für ihr Solodebütalbum „Work­around“ nannte Dillon nämlich unter anderem die Schriften der britischen Op-Art-Künstlerin als eine Inspirationsquelle. Und das passt sehr gut: Wie Riley betonte die Londoner Musikerin und DJ in Interviews bereits mehrfach, es ginge ihr darum, Menschen emotional und instinktiv zu berühren. Und auch mit Dillons Musik verhält es sich ein wenig wie mit Rileys Kunst. Zuerst ist da nur eine Struktur, ein Raster, das sich jedoch bei intensiverer Zuwendung ins Dreidimensionale stülpt.

Mäandernder Rhythmus

Was bei Riley die akkurat gezeichneten Muster sind, ist bei Dillon der Rhythmus. Er treibt ihr Album voran, in 150 bpm verharrend, jedoch zwischen den Stilen mäandernd und immer wieder überraschend. Dillon, die ihr Studium als Verkäuferin in Londoner Plattenläden finanzierte, klingt mal ganz konzentriert-minimal, mal hypnotisch-technoid, dann wieder fast poppig, deutlicher nach Dub, mal wie eine aktualisierte Version von Folk.

Letzteres hat vor allem damit zu tun, dass sie für das Album eine ganze Reihe Gastmusiker:innen um sich versammelte, die eine Vorliebe für sehr spezielle Instrumente vereint: Kuljit Bhamra an der Tabla, Jonny Lam an der Pedal-Steel-Gitarre, Kadialy Kouyaté an der Kora und Lucy Railton am Cello; auf „Workaround Two“ steuert Laurel Halo Stimme und Synths bei, Verity Susman Saxofonklänge.

Das Album

Beatrice Dillon: „Workaround“ (PAN/Al!ive)

Drei Jahre arbeitete Dillon an der Musik für ihr Album, nicht permanent, sondern immer wieder hat sie an den 14 Tracks geschraubt. „Workaround“ entstand in London, Berlin und New York. Was die Einflüsse betrifft, so nennt sie – man hätte es sich denken können –, die Kunst und nicht etwa Musik studiert hat, hauptsächlich bildende Künst­le­r:innen.

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Beatrice Dillon „Workaround“

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Abstrakte Kunst

Riley, wie schon eingangs erwähnt, die abstrakte Malerin Tomma Abts und Jorinde Voigt. Die Berliner Künstlerin, mit der Dillon schon seit Längerem kooperiert – 2017 vertonte sie in der Londoner Lisson Gallery deren Ausstellung –, ist quasi ihr Counterpart: Voigt hat eine klassische Musikausbildung, arbeitet nun visuell, bleibt aber von Musik inspiriert. Voigts Zeichnung „Yes or No Study“ von 2014 widmete Dillon nun den Song „Square Fifth“– bitte googeln und beim Hören betrachten. Es ist einer der besten auf „Workaround“.

Kunst ist auch das Cover des Albums, ein digital bearbeitetes Fotogramm von Thomas Ruff, quasi eine zeitgemäße Version von Op-Art. Bleibt die Frage, was man mit der Ac-Art von Dillon eigentlich anstellen soll. Andächtig lauschen? Oder kann man, soll man darauf tanzen? Am Ende ist die Antwort einfach: wieder und wieder hören, und agieren, wie es einem gerade ankommt, ganz instinktiv.

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