heute in bremen: „Der Krieg, der nicht unserer war“
Elena Maslovskaya und ihr Mann Jörg Munder leben als Mediengestalter und Fotografen zwischen Russland und Deutschland.
Interview Sophie Lahusen
taz: Frau Maslovskaya, warum haben Sie die Austellung „Meinst du, die Russen wollen Krieg?“ genannt?
Elena Maslovskaya: In Russland herrscht eine ganz andere Erinnerungskultur um den Zweiten Weltkrieg. Fast jede russische Familie hat Opfer zu vermerken, und der Schmerz und die Trauer darüber sind immer noch omnipräsent. Diese großen Verluste in Russland werden in Westeuropa oft vergessen. In Russland geht man einmal pro Jahr am 9. Mai auf die Straße und gedenkt seinen Opfern.
Sie meinen also, dass dieser Schmerz die Antwort auf die Frage gibt, ob „die Russen Krieg wollen“?
Ja, ich glaube, das kann man so sagen. Diesen Schmerz wollen die Russen nie wieder erleben.
Der 9. Mai heißt in Russland „Tag des Sieges“ und ist auch ein stark patriotischer Nationalfeiertag, steht das dem Friedensgedanken nicht entgegen?
Ja, der Feiertag ist auch patriotisch, weil man seinen Opfern gedenkt und erinnert wird. Das ist aber nur ein Tag von 365. An den anderen 364 Tagen sieht das Leben in Russland genauso aus wie hier in Deutschland zum Beispiel. Das wollten wir auch in unseren Bildern zeigen.
Wird bei dem intensiven Gedenken an die sowjetischen Opfer nicht auch das Bild der Deutschen als Feind aufrechterhalten?
Das ist eine interessante Frage, aber ich glaube nicht. Es gibt keinen Hass. Dieser Krieg hat die Völker in der Erinnerungskultur eher verbunden, durch den gemeinsamen Schmerz. Mein Mann Jörg wurde als Deutscher bei einer russischen Veranstaltung extra eingeladen und ihm wurde gedankt. Das ist die gemeinsame Geschichte der Länder.
Foto-Ausstellung: „Meinst Du, die Russen wollen Krieg?“, 31. 1.–28. 2., DGB-Haus, Bahnhofsplatz 22–28
Sie sagen, dass Ihre Ausstellung nicht politisch gedacht ist. Was ist sie dann?
Wir wollen die russische Gesellschaft zeigen. Vor allem in den letzten sieben Jahren unter der aktuellen Regierung hat sich das Bild der westeuropäischen Länder gegenüber Russland verändert. Die Menschen in Russland aber sind anders, das wollen wir zeigen und den oft aggressiven westlichen Blick auf Russland etwas entspannen. Der Alltag in Russland ist nicht anders als hier, die Städte sind in den letzten Jahren sehr kapitalistisch geworden.
Nur am 9. Mai, da ist es ein bisschen weniger kapitalistisch?
Ja genau, da geht es um das Erinnern an den Krieg, der nicht unserer war.
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