: Empfänger*inunbekannt verzogen
Das Festival „Miniaturen“ zeigt zum zehnten Mal kleine künstlerische Arbeiten, die im Umfeld des Theaterkontors entstanden sind und sich diesmal mit dem Thema „Senden“ befassen
Von Jan-Paul Koopmann
Mit der Größe ist es so eine Sache bei diesem Wald von Mario Ziegenbalg. Der allegorische Forst beschäftigt den Bremer Künstler schon eine ganze Weile und wuchert immer weiter zwischen Comics, Installationen und sehr persönlichen Erinnerungen. Zuletzt hat Ziegenbalg sein Dauerthema in Haushaltsgeräte gestopft und da wird’s wirklich interessant: dass ein Wald in keine Waschmaschine passt, wird nämlich so deutlich, gerade weil diese Ranken aus bunter Wolle in den Raum drängen und zur Größe streben – und trotzdem längst nicht das Volumen auch nur eines einzigen Baumes erreichen.
Zu sehen ist der Wald demnächst im Theaterkontor, zur zehnten Ausgabe des jährlichen „Miniaturen“-Festivals. Eingeladen sind 40 Künstler*innen, um ausdrücklich kleine Arbeiten zu präsentieren. Manche sind Entwürfe und Experimente, andere hingegen einfach kompakte Werke, die sich über zwei Tage durch das ganze Haus in der Schildstraße ziehen. Veranstaltungsräume werden genauso bespielt wie das Treppenhaus und der Besenschrank – bis raus auf den Hof. So unterschiedlich die Positionen ausfallen, so vielfältig sind bereits ihre Medien: vom Szenischen über Tanz und Installation bis zum Trickfilm.
Angefangen hatte das Festival als Tag der offenen Tür des Theaterkontors, erzählt der künstlerische Leiter Stefan Berthold. Inzwischen ist eine beachtliche Werkschau daraus erwachsen, die weit über das Haus hinausreicht und für das zuverlässig zahlreiche Bewerbungen eingehen. Zum vierten Mal folgen die „Miniaturen“ dabei einem Oberthema – in diesem Jahr dem „Senden“.
Ausgangspunkt war laut Stefan Berthold der Tod des klassischen Briefs, der durch Instant-Messenger und E-Mail eben nur zum Teil ersetzt wurde, obwohl immer größere Datenmengen unterwegs sind – und natürlich eine ganze Armada von Lieferfahrzeugen Pakete vom Versandhaus zum Kunden und nicht selten auch gleich wieder zurück befördert. Es geht also um die Organisation des gesellschaftlichen Miteinanders, um das Spannungsverhältnis von analog und digital – und um alles Mögliche andere, das den Künstler*innen zum Senden eingefallen ist.
Zum ersten Mal dabei ist die Bremerin Ulrike Brockmann, die mit ihrer Malereikollegin Ute Ewe aus Osnabrück Kunstwerke per Post austauscht. Das ist ein kollektiver Schaffensprozess, der schon länger läuft, für das Festival aber noch mal intensiviert wurde. Die Malerinnen zeigen einander per Post, was sie künstlerisch beschäftigt und erhalten zur Antwort neue Werke, oder eine Bearbeitung des vorangegangenen Bildes.
Einen technisch sehr aufwendigen Ansatz hat Knut Lagies mitgebracht, der sein Studio vom Güterbahnhof ins Viertel verschifft hat und hier eine Tanznummer präsentiert. Kameras scannen den Raum und übersetzen die Bewegungen der Tänzer*innen bis hin zu Mundbewegungen in Licht und Sound. Anhand der Körpergröße kann das Programm einzelne Personen unterscheiden und bespielt die Körper mit je eigenen Projektionen. Es entsteht also ein komplexes Wechselspiel, in dem sich zur Musik nicht nur bewegt wird, sondern Bewegungen ihrerseits auch die Musik beeinflussen.
Sich zwischen diesen Arbeiten ein bisschen zu verirren, gehört dazu. Einen Programmzettel zum lückenlosen Abhaken sämtlicher Angebote gibt es nicht. Es geht also gar nicht anders, als sich in den ausschließlich von Naturlicht beleuchteten Fluren und Räumen treiben zu lassen. Wer mag, kann auch selbst noch teilhaben an der Kunst und dem Theaterkontor entweder die erste Erinnerung des eigenen Lebens für die Arbeit im „Demenzlabor“ stiften – oder alte Briefe und Postkarten, die hier neuen Empfänger*innen zugestellt werden. Und das ganz ohne Porto oder Handyvertrag.
Fr, 7. 2., und Sa, 8. 2., je ab 17.30 Uhr, Theaterkontor
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen