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Tausende Mitläuferinnen und Schreibtischtäter ebneten den Weg in den Holocaust Foto: Lengemann/laif

NS-Täterin auf der WannseekonferenzEichmanns Sekretärin

15 Männer besprachen auf der Wannsee-Konferenz 1942 die „Endlösung“. Jetzt gerät eine Frau in den Fokus: die Stenografin Ingeburg Werlemann.

A nfang Januar 1942 lud Reinhard Heyd­rich, Chef des Reichssicherheitshauptamts der SS (RSHA), hochrangige Vertreter von Staat und Partei zum 20. Januar „zu einer Besprechung mit anschließendem Frühstück“ an den Großen Wannsee 56–58 ein. Gesprochen wurde an diesem Tag über die sogenannte Endlösung der europäischen Judenfrage.

Dem schriftlichen Protokoll zufolge waren 15 Männer in das idyllisch gelegene Gästehaus der SS gekommen – führende Vertreter der Zivilverwaltung der besetzten Gebiete Polens und der Sowjetunion, von Reichsministerien und der ­NSDAP, zumeist im Rang von Staatssekretären.

Zudem waren Heinrich Müller, der Chef der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) und – als Rangniedrigster – Adolf Eichmann, Leiter des Referats IV B 4, des sogenannten Judenreferats, anwesend. Dieser sollte in Absprache mit Heydrich das Protokoll verfassen.

Seit Kurzem wissen wir, dass noch eine weitere Person an der Besprechung teilnahm, die aber aufgrund ihrer Funktion weder eingeladen werden musste noch in dem Protokoll aufgeführt ist. Ingeburg Werlemann, Sekretärin im Vorzimmer von Eichmann.

Die erste Vernehmung: 1962

Es gibt zwar keinen zeitgenössischen dokumentarischen Beweis ihrer Anwesenheit, aber auch keinen vernünftigen Grund, an den Aussagen, die sie selbst im Rahmen von Strafverfahren und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Angehörige des „Judenreferats“ des RSHA in den 1960er und 1970er Jahren machte, zu zweifeln.

„Haben Sie dort Protokoll geführt?“, wurde sie erstmals 1962 in einem Strafprozess vor dem Frankfurter Landgericht, bei dem sie als Zeugin aussagte, gefragt. Nach einer kurzen Verhandlungspause antwortete sie:

„Ich war einmal am Wannsee. Ob das diese Konferenz war, das weiß ich nicht mehr. Einmal habe ich ein Protokoll geführt im Gästehaus am Wannsee. Der Staatsanwalt hat mir aus einem Buch ein Protokoll vorgelegt. Er glaubte, ich hätte das geschrieben. Meiner Erinnerung nach kann ich das nicht getan haben.“

Ich war einmal am Wannsee. Ob das diese Konferenz war, das weiß ich nicht mehr. Einmal habe ich ein Protokoll geführt im Gästehaus am Wannsee. Der Staatsanwalt hat mir aus einem Buch ein Protokoll vorgelegt. Er glaubte, ich hätte das geschrieben. Meiner Erinnerung nach kann ich das nicht getan haben.

Ingeburg Wagner bei einer Befragung

Die Frage war ihr völlig überraschend gestellt worden, das Gericht verhandelte die Deportation und Ermordung der ungarischen Juden im Jahr 1944. Bei der vorangegangenen zweitägigen Zeugenvernehmung durch die Oberstaatsanwaltschaft Frankfurt a. M. einen Monat zuvor war sie nicht auf die Wannsee-Konferenz angesprochen worden.

Die zweite Vernehmung: 1967

Es wäre ihr ein Leichtes gewesen, diese Frage mit dem Satz „Das weiß ich nicht“ zu beantworten, wie sie es in der kurzen Befragung vor Gericht zuvor bereits insgesamt siebenmal getan hatte – oder einfach zu verneinen.

Stattdessen differenzierte sie hier bereits zwischen dem Mitstenografieren der Besprechung und der Anfertigung des Protokolls. Damit ist ihre Aussage im Hinblick auf die Wannsee-Konferenz stimmig, da sie durch das Stenografieren lediglich die Vorarbeiten für das Ergebnisprotokoll getätigt hatte, das so, wie wir es heute kennen, von Eichmann in Absprache mit Heydrich verfasst wurde.

Fünf Jahre später wurde sie in einer Vernehmung im Rahmen der Ermittlungen gegen ehemalige Angehörige des RSHA zum zweiten Mal zur Wannsee-Konferenz befragt. Statt ihre Aussage von 1962 zu widerrufen oder zu relativieren, ergänzte sie die Information, dass die fragliche Besprechung im Gästehaus der SS am Berliner Wannsee stattgefunden habe, mit dem Hinweis auf die Anwesenheit von Heydrich und Eichmann.

Gerade dadurch kann aus der Teilnahme an einer Besprechung im Gästehaus am Wannsee auf die Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942 geschlossen werden. Denn bis zum Tod des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD infolge eines Attentats in Prag Anfang Juni 1942 hat es dort, wie wir heute wissen, keine andere Besprechung mit Heyd­rich gegeben.

BDM- und NSDAP-Mitglied

Auch in den weiteren insgesamt fünf Aussagen blieben das Gästehaus am Wannsee und die Teilnahme Heydrichs sowie Eichmanns Konstanten ihrer Aussagen. Lediglich im Hinblick auf die Gesamtzusammensetzung der Teilnehmer variieren ihre Angaben.

Irgendwelche strafrechtlichen Konsequenzen hatten Werlemanns Aussagen nicht. Sie wurde weder angeklagt noch gar verurteilt. Wer war diese Frau, die durch ihre Anwesenheit auf der Wannsee-Konferenz den Massenmord an den Juden zumindest unterstützt hat?

Ingeburg Gertrud Werlemann wurde am 28. April 1919 in Berlin-Altglienicke geboren. Sie machte eine Ausbildung zur Sekretärin und belegte dabei – wie damals üblich – auch einen Kurs in Stenografie. Anschließend arbeitete sie zunächst beim Generalbauinspekteur Berlin und für kurze Zeit bei der Militärärztlichen Akademie als Schreibkraft.

Ingeburg Werlemann, rund zwei Jahre nach der Wannseekonferenz Foto: privat

Seit 1934 war sie Mitglied im Bund Deutscher Mädel, später auch bei der Deutschen Arbeitsfront und der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt. Im September 1938 trat sie in die NSDAP ein. Bereits ab Anfang März 1940 begann sie im Umfeld von Adolf Eichmann zu arbeiten, als sie in der von ihm geführten Reichszentrale für die jüdische Auswanderung im RSHA tätig wurde und als sogenannte Kanzleiangestellte für einen leitenden Sachbearbeiter arbeitete.

Die Sekretärin des Adolf Eichmann

Ab Ende 1940, höchstwahrscheinlich nach dessen Abordnung nach Paris im September, wurde die Einundzwanzigjährige direkt Eichmann zugeordnet. Bis zum Frühjahr 1945 blieb sie im Vorzimmer des Referatsleiters und seines Stellvertreters Rolf Günther in der Berliner Kurfürstenstraße 116. Mit ihr zusammen arbeitete dort auch der Geschäftsführer Rudolf Jänisch.

Im März 1941 war das Referat umstrukturiert worden und firmierte nunmehr unter dem berüchtigten Kürzel IV B 4. Eine weitere dem Vorzimmer fest zugeordnete Sekretärinnenstelle wurde in dieser Zeit mehrmals neu besetzt.

Als Ingeburg Werlemann am 20. Januar 1942 bei der Wannsee-Konferenz für Adolf Eichmann stenotypierte, war sie die dienstälteste Sekretärin des Referats. Im Juni 1944 heiratete sie den Wehrmachtsoffizier Heinz Wagner und nahm dessen Namen an.

Nachkriegsaussagen von Sachbearbeitern des Referats bestätigen Werlemann/Wagners besondere Stellung im Vorzimmer des Referats, das ab Frühjahr 1942 die europaweiten Deportationen von Jüdinnen und Juden zu den Mordstätten in Osteuropa organisierte, und sprechen ausdrücklich von „Eichmanns Sekretärin“.

Inhaftierung durch die Sowjets

Sie selbst erklärte im Zuge der strafrechtlichen Ermittlungen, es habe Bemühungen seitens ihres Mannes und Schwiegervaters gegeben, sie aus der Abteilung von Eichmann versetzen zu lassen, was aber von Eichmann mit dem Argument, sie befände sich in „kriegswichtigem Einsatz“, abgelehnt wurde.

Somit blieb sie bis Anfang Mai 1945 im Dienst des Referats IV B 4, dessen Reste im Februar dieses Jahres nach Prag verlegt wurden. Dort wurde sie Anfang Mai zunächst verhaftet, dann jedoch zusammen mit ihrer Mutter über die tschechische Grenze abgeschoben und kehrte über Dresden nach Berlin zurück.

Nach einer kurzen Inhaftierung in Berlin durch die Sowjetische Militäradministration, Freilassung und erneuter Inhaftierung durch eine Operativgruppe des sowjetischen NKWD am 1. September 1945 wurde Frau Werlemann/Wagner unter anderen im Spezial­lager 3 in Berlin-Hohenschönhausen und letztlich im Speziallager 7 auf dem Gelände des ehemaligen KZ Sachsenhausen interniert.

Ihre Verhaftung erfolgte nicht aufgrund konkreter Anschuldigungen, sondern infolge einer auch in der sowjetischen Zone durchgeführten Form des automatischen Arrests wegen der Zugehörigkeit zum NS-Verwaltungs- und -Terror-Apparat „als Stenotypistin der Berliner Verwaltung des SD“. Ihre Entlassung im August 1948 stand im Zusammenhang mit dem offiziellen Ende der Entnazifizierung in der sowjetischen Zone. Sie selbst gab an, mehrmals verhört worden zu sein.

Scheidung und neue Partnerin

Im Speziallager lernte Wagner Käte Werth kennen und ging mir ihr eine Beziehung ein, die bis zu ihrem Tod andauerte. Käthe Werth war als Mitarbeiterin des militärischen Geheimdienstes der Wehrmacht, der „Abwehr“, interniert und bei der Berliner Firma Telefunken als Fotografin beschäftigt gewesen.

Ingeburg Wagner ließ sich kurz nach ihrer Entlassung einvernehmlich von ihrem Mann scheiden. In dem Scheidungsurteil heißt es, „dass seit Ende 1944 jede eheliche Gemeinschaft der Parteien aufgehoben [gewesen] sei“. Kinder waren nicht aus der Ehe hervorgegangen.

Ingeburg Wagner mit ihrer Lebensgefährtin Käte Werth im Skiurlaub Foto: privat

Nach ihrer Entlassung wohnte sie wieder bei ihrer Mutter im Hessenwinkel in Berlin-Wilhelmshagen, im Ostberliner Bezirk Köpenick. Nach eigenen Angaben „floh“ sie 1951 in die Bundesrepublik und war ab April des Jahres in Bonn gemeldet.

Hier betrieb ihre Partnerin Käte Werth als ausgebildete Fotografenmeisterin ein florierendes Unternehmen, die Werth-Color-Kopieranstalt, in das Ingeburg Wagner einstieg und im kaufmännischen Bereich arbeitete. Käte Werth war auch als Fotografin überaus erfolgreich und arbeitete beispielsweise für die Regierung Brandt.

Verpasste Chancen

Ende der 1980er Jahre zogen sie nach Garmisch-Partenkirchen um. Sie verpartnerten sich, gaben in ihrem Umfeld jedoch an, dies nur aus steuerlichen Gründen zu tun. 2009 starb Käte Werth, im darauffolgenden Jahr Ingeburg Wagner. Von der Tätigkeit von Ingeburg Wagner als Sekretärin in Eichmanns Vorzimmer war dem Umfeld bis 2019 nichts bekannt.

Schon früh gab es Hinweise auf die Anwesenheit einer Schreibkraft bei der Besprechung am Wannsee. So hatte Eichmann während des Prozesses in Jerusalem Anfang der 60er Jahre mehrmals darauf hingewiesen, Frau Wagner selbst war insgesamt siebenmal dazu befragt worden. Im Juni 1962 erschien ein Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der sie namentlich nannte. Dennoch gab es bis 2019 keine systematische Recherche, die diese Hinweise aufgegriffen hätte.

Im Juni 1962 erschien ein Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der sie namentlich nannte. Dennoch gab es bis 2019 keine systematische Recherche, die diese Hinweise aufgegriffen hätte.

Dies ist nicht nur bedauerlich in Bezug auf die nähere Erforschung der Geschichte der Wannsee-Konferenz, sondern auf mehreren Ebenen auch symptomatisch für den Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit im Allgemeinen.

Bedauerlich, weil Frau Wagner neben Eichmann und dem ehemaligen Staatssekretär des Innenministeriums, Dr. Wilhelm Stuckart, im Gegensatz zur Mehrheit der nach 1945 vernommenen Teilnehmer an der Wannsee-Konferenz auch inhaltliche Angaben zum Verlauf machte. So gab sie an, dass das Stenografieren schwierig gewesen sei, „weil viel durcheinander gesprochen wurde“ – eine Aussage zum teilweise lebhaften Verlauf, die sich mit den Angaben von Eichmann deckt.

Nur eine einfache Sekretärin

Möglicherweise hätte sie sich außerhalb des ­strafprozessualen Raums an mehr erinnern ­können.

Symptomatisch ist die fehlende Recherche für den Umgang mit der NS-Zeit in den frühen Nachkriegsjahrzehnten, da bis auf wenige Ausnahmen die Verfahren wegen nationalsozialistischer Gewaltverbrechen (NSG) kaum überregional oder gar dauerhaft die Aufmerksamkeit der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft erregten.

Eine Beobachtung oder systematische Begleitung dieser Verfahren durch die Geschichtswissenschaft hat es ohnehin nicht gegeben. Als diese ab den 1990er Jahren begann, Prozessunterlagen als Quellen zu benutzen, dürfte angesichts der bleibenden Fokussierung auf Täter und Tatkomplexe eine einfache Sekretärin völlig irrelevant erschienen sein.

Symptomatisch ist dies aber vor allen Dingen für den Umgang mit Täterschaft. War der Fokus in den frühen Nachkriegsjahren mehrheitlich vom Diskurs über die „Bestien der SS“ geprägt, von denen sich die Gesellschaft leicht distanzieren konnte, setzte sich erst langsam ein Bewusstsein für die „ganz normalen Männer“ durch, die die Verbrechen geplant und umgesetzt hatten oder konkret am Mord beteiligt waren.

Bewusstsein für weibliche Täter fehlt

Bis heute ist die Beschäftigung mit Frauen als Mitläuferinnen und Täterinnen ein Feld, das gern Forscherinnen oder spezifischen historischen Orten, wie der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück als ehemaligem Frauen-KZ, überlassen wird. Auch wenn der Historiker Matthias Heyl die Bedeutung hervorgehoben hat, sich auch mit den Täterinnen der nationalsozialistischen Verfolgungspolitik auseinanderzusetzen, konzentrierte auch er sich dabei auf die weiblichen Wachmannschaften in Konzentrationslagern.

Ein Bewusstsein für weibliche (Mit-)Täterschaft im Bereich der sogenannten Schreibtischtäter(innen) im Kontext des systematischen Massenmords an den europäischen Jüdinnen und Juden fehlt bleibend.

Dieser Umgang mit weiblicher Täterschaft spiegelt sich auch in der justiziellen Aufarbeitung. So gab es insgesamt in der Bundesrepublik kaum Prozesse gegen Frauen, die an der Verfolgung und Ermordung in unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern mitgewirkt hatten.

Lediglich im Hinblick auf den Fürsorge- und Gesundheitssektor wurden Frauen zur Verantwortung gezogen, was mit diesem bereits zur Zeit des Nationalsozialismus mehr als klassischem Berufsfeld für Frauen zusammenhing, daneben wenige ehemalige KZ-Aufseherinnen.

Was ist mit den SchreibtischtäterInnen?

Seit wenigen Jahren kann aufgrund einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs wieder gegen mutmaßliche NS-Täterinnen und -Täter ermittelt werden, ohne dass ihnen eine unmittelbare individuelle Tötungshandlung nachgewiesen werden muss.

Eine Tötungsmaschinerie unterstützt zu haben, auch ohne direkt am Mord beteiligt gewesen zu sein, reicht für eine Anklage aus. Die Ermittlungen und die daraus resultierenden Gerichtsverfahren richten sich dabei bisher ausschließlich gegen ehemaliges KZ-Lagerpersonal.

Angesichts des Wissens um die Beteiligung und Verantwortung des öffentlichen Dienstes und der Verwaltung für die begangenen Verbrechen stellt sich die Frage, ob diese Argumentation nicht auch für die Schreibtischtäter und ihre männlichen und weiblichen Mitarbeiter gilt – insbesondere den Angehörigen des Reichssicherheitshauptamts –, die weitab von den eigentlichen Mordstätten tätig waren.

Marcus Gryglewski ist Historiker und langjähriger freier Mitarbeiter der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz

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8 Kommentare

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  • Danke. Spannend zu lesen.

    Das Wannseekonferenzprotokoll.



    Kannte ich bisher nur aus dem “ Blickwinkel“ - Robert Kempner.*



    & daß noch jeder der Akteure. Gellewelle.



    Bis dato behauptet hatte - “…habe da wohl gerade hinter einer Säule gestanden.“

    kurz - Nù. Robert Kempner wußte - Wo - er suchen mußte.

    unterm——- * -



    de.wikipedia.org/wiki/Robert_Kempner

    &! btw but not only -



    Zu Ihrer erwartbaren Anmahnung am Schluß.



    “… stellt sich die Frage, ob diese Argumentation nicht auch für die Schreibtischtäter und ihre männlichen und weiblichen Mitarbeiter gilt – insbesondere den Angehörigen des Reichssicherheitshauptamts –, die weitab von den eigentlichen Mordstätten tätig waren.“

    Gebe ich - wenn auch nicht speziell auf dem Gebiet des Strafrechts.



    Als Altgedienter - … “Kerner im Garten von Recht&Gesetz“;) - …etwa zu bedenken:

    So frappierend & in welch brutal menschenverachtendem Zusammenhängen hier.



    Nur. Kausalketten - welcher Couleur auch immer - zu jeglich menschlichem Verhalten.



    Lassen sich dazu - bekanntlich - salopp formuliert - Immer bis zu “Adam&Eva“ bilden.

    Anders gewendet. Warum bei der Sekretärin - Schluß machen? Newahr.



    & Vor allem:



    Mit welcher - juristisch wie allgemein tragfähigen Begründung?!

    kurz - Wo ist der Punkt - vor! - der strafrechtlich! nicht handelbaren.



    Kollektivschuld? & Zu welchem Behufe? - auch gefragt.

  • „Wer war diese Frau, die durch ihre Anwesenheit auf der Wannsee-Konferenz den Massenmord an den Juden zumindest unterstützt hat?“

    Wow.

    Und wann lesen wir in der Rubrik Hitlers Helfer Helfer Helfer etwas über die Schuld des örtlichen Catering-Teams, das durch das servieren von Speisen und Kaffee für die anwesenden Nazis und „durch seine Anwesenheit“ den Massenmord an Juden unterstützt hat?

    Was in dem Artikel fehlt: Jeglicher Hinweis, dass die Frau auch nur irgendetwas in Eigenverantwortung entschieden oder beigetragen hat, das den Holocaust begünstigt hat. Das einzige, was sie getan hat war ihrer normalen Arbeit (in Kriegszeiten als ein Teil dieser Maschine) nachzugehen.



    Das mag man menschlich verurteilen, dass sie nicht sofort unter Einsatz ihres Lebens mit dem Wissen um das gesagte ausländische Dienste informiert hat oder eine Widerstandsgruppe gegründet hat - also völlig unrealistische Maßstäbe, die praktisch niemand in der Situation erfüllen würde anlegend - aber aus einer nicht aktiv freiwillig anwesenden, sondern durch ihre Arbeit abgeordnete Stenotypistin hier eine Art weibliche Komplizin der Wannsee-Verbrecher zu machen, das ist schon absurd.

    Nach den Maßstäben wäre schlicht jeder (juristisch) schuldig, der hier irgendeine administrative Dienstleistung vor Ort erbracht hat - die Fahrer, die Köche - einfach jeder.

    Ich behaupte nicht, dass diese Frau frei von Schuld ist, aber der Autor erbringt mit seiner Recherche keinen Nachweis dafür (ausser, dass sie eben die Sekretärin eines Kriegsverbrechers war, was ja immer schon bekannt war). Die gewählte Konstruktion von Schuld ist völlig unspezifisch und lächerlich („guilt by physical presence without choice“). Und schon gar nicht zeigt das auf, dass auch Frauen per se an der Holocaust-Planung beteiligt waren, eher im Gegenteil - der Job der einzig anwesenden Frau war es zuzuhören und selbst den Mund zu halten.

    Ich frag mich ehrlich wo der Erkenntnisgewinn liegt, den der Artikel liefern will.

    • @hup:

      Und wie beurteilen Sie dann ihr Verhalten nach dem Krieg, wenn sie nicht ausreichend den naziverfolgenden Behörden Auskunft gibt über das, was sie erfahren hat?



      Man kann sich fragen, ob sie innerhalb der Jahre, in dem sie in das System eingebunden war, ausreichend Möglichkeiten hatte, diese Informationen zu verbreiten.

      Aber anschließend wäre es kein Problem gewesen, deutlichere Aussagen zu machen.



      Sie ist keine Kriegsverbrecherin. Inwieweit sie Prozesse und damit Gerechtigkeit aber verschleppt hat (offenbar mit klarer Hilfe der deutschen Justiz, die bestimmt dankbar war, dass sie sich nicht klarer äußerte), das muss diskutiert werden.

      Wir dürfen heute über Hitlers Helfer bis zum Fußpfleger debattieren, aber es wird bestimmt noch mal 50 Jahre dauern, bis wir über die reden können, die in der BRD die Nazitaten vertuscht haben.

  • Es war eine ganze Gesellschaft. Nach den Wachleuten und Sekretärinnen kämen die Journalistinnen und Milchfahrer dran. Man überlege sich, wie schwierig es heute ist, sich dem Mainstream und seinen Irrationalitäten zu entziehen. Damals war der strukturelle Druck viel stärker. Welchen Vorwurf kann man einer 21-jährigen machen, die als Lesbe einem noch viel stärkeren persönlichen Druck ausgesetzt war? Das heisst nicht, dass sie keinen Mord an vielen Hunderttausenden unterstützt habe. Aber hat sie es damals als falsch erkennen können? Die 21-jährige wird gedacht haben, sie könne es nicht beurteilen. Stenografie als Service wie Bügeln und Wache schieben. Es ist nicht jeder eine Sophie Scholl. Machen sich die Mitarbeiter an Trumps völkerrechtswidrigen Tötung des Iran-Generals des Mordes schuldig? Machen sich die Gegner der Mittelmeerrettung des Mordes schuldig (Tod in Kauf nehmen reicht schon)? Bei Zschepe hat man Kochen und Haushaltführung als Beihilfe gewertet, aber Zschepe war nie gefeierter Teil des Mainstreams. Die Grenze zwischen kollektiver und individueller Verantwortung ist schwer zu ziehen. Es wäre wohl wichtig, diese Zusammenhänge und die damit verbundene Gehirnwäsche näher zu beleuchten und Lehren für die Gegenwart zu ziehen.

  • Späte Rache ist keine Gerechtigkeit.

  • Die Abwehr unter Canaris hätte die Abspaltung des SD und anderer Teile zum Staat im Staat nicht zulassen dürfen ist leicht gesagt. Einziges sicheres Kriterium für die Hintergründe dieser Teilung kann eine verschiedene Bullettierung oder Pointierung dieser verschiedenen Teile sein. Es gab also eine zweite Leitung. Schon die SA konnte sich von der Gendarmerie der Berliner Polizei durch eigene Radiotechnik abheben und war so schwer unter Kontrolle zu bekommen. Die USA sollen Quelle dafür gewesen sein. Canaris nahm diese Doppelleitung offensichtlich hin. Faktisch führte dies zu einer Doppelung im Ganzen. Letztlich lehnte die Abwehr unter Canaris Hitler deshalb ab. Das brachte Canaris in Not. Die von Heydrich begonnene Politik konnte er nicht aufhalten. Auch Sekretärinnen konnten verschieden sein. Schellenberg würde noch einige Jahre von den Briten abgeschöpft, die über ihre Partner in den USA manches Mal ins Staunen gekommen sein dürften.

  • Das wundert mich schon lange.



    Im Bereich der Kirchen, besonders bei der Diakonie haben ausreichend Frauen gearbeitet, die an der Sterilisierung und der Ermordung von behinderten Menschen, die ihnen anvertraut waren, mitgewirkt haben. Dazu hatte schon Ernst Klee in "Die SA Jesu Christi" ausreichend Belege gebracht.



    Dennoch liest man in den Geschichtsschreibungen der meisten Einrichtungen nur davon, wie sehr diese Einrichtungen seit 1933 gelitten hätten. Eine vernünftige Aufarbeitung hat nur selten stattgefunden. Und eben in diesen Bereichen waren damals fast ausschließlich Frauen tätig, die auch noch nach dem Krieg weiter in den Einrichtungen arbeiteten ohne jemals zur Rechenschaft gezogen zu werden.

    Insofern ist es kein Wunder, dass in der Heimarbeit eigentlich bis in die 70er Jahre hinein völlig unhaltbare Zustände auch in der BRD herrschten.

  • Als 7-jähriger [1958], 10-jähriger [1961] und 15-jähriger [1966] musste ich auch schon meine Erfahrungen mit vormaligen NS-Täterinnen im Fürsorge- und Gesundheitssektor in Westdeutschland machen [Prügel und Bestrafungen gehörten weiterhin zur pseudo- pädagogischen Praxis der Täterinnen]. So im Kinderheim Sankt-Peter-Ording, im Kinderheim Odenwald und im Allgäuer Kaufbeuren. Die für Kinderbetreuung ungeeigneten Frauen setzten nach 1945 ihren Dienst unbeschadet fort. So auch im übrigen Gesundheitswesen, Beamten- und Bildungssystem Westdeutschlands.

    Immerhin hatte die NSDAP eine freiwillige Mitgliederbasis von bis zu 7,8 Mio., vor allem Männer. Die aber ohne die aktive Unterstützung ihrer Frauen, Töchter und Mütter niemals den Vernichtungskrieg hätten führen können.

    Der großen Mehrheit der deutschen und österreichischen Erwachsenen-Bevölkerung waren die NS-Verbrechen bekannt. Millionen Bürger und Bürgerinnen, nicht nur aus der sozialen Oberschicht, Finanz und Monopol-Bourgeoisie, versprachen sich nach dem Endsieg eine angemessene Beteiligung an der Beute.

    In diesem Zusammenhang sei auch an die Beutezüge in Deutschland-Österreich erinnert, vor, während und nach der Verschleppung der deutschen und österreichischen Juden. War man doch an deren Wohnungen, am Hausrat: Möbeln, Betten, Nachtschränken, Bettwäsche, Kücheneinrichtungen, Geschirr und sonstigen Inventar und (falls vorhanden auch) Kunstgegenständen interessiert. Hier gab es auch ein großes Betätigungsfeld für Frauen – aus allen sozialen Schichten und Klassen der Gesellschaft – auf dem Beutezug.

    17.01.2020, R.S.