piwik no script img

Gemalte Halbsätze

Von narrativ über figurativ bis installativ: Der Schweriner Kunstverein präsentiert in seiner Gruppenausstellung „In full sunlight“ drei dänische Künstler*innen

Frederik Næblerød kann auch plakativ: aus der dreiteiligen Serie „Inka“ Foto: Uwe Nölke

Von Frank Keil

Frederik Næblerød ist gekommen, hat seine Sachen ausgepackt und schnell gemalt, mit stark verdünnter Acrylfarbe auf nicht grundierter Leinwand. Nun hängen zwei Selbstporträts von den hohen Decken der Eingangshalle des Schweriner Kunstvereins, wie Fahnen. Sie zeigen – wenn man mag – den Künstler als Knochenmann mit keck erigiertem Penis, der im Vergleich dazu einen recht kleinen Pokal wie eine Trophäe über seinem Kopf hält sowie ihn als eine Art Insektenmensch auf einem Einrad, ein halbes Dutzend Bälle jonglierend: In der Ausführung dem schnellen Strich des Comics mehr verhaftet als dem austarierten Gemälde, bei dem jeder Strich ordentlich zu sitzen hat.

Ein guter Einstieg in die freundliche Wucht seines Schaffens, die sich in einer ganzen Wand mit kleineren und größeren Bildern fortsetzt: Ein Haifisch zieht über den Meeresboden, ein Krake füllt das Bild, eine Figur reitet auf einem Besen. Schneller Strich, sichtbarer Farbverlauf, dünnhäutig aufgetragen. Doch der Maler kann auch kräftig, ruppig, nahezu plakativ, wie seine dreiteilige Arbeit „Inka“ zeigt, die gleichfalls vor Ort für die Ausstellung entstanden ist: Monster schauen einen seitwärts an, scheinbar kindlich-naiv ans Licht geholt, getragen von fettem Schwarz, unter dem die Farben umso mehr leuchtend hervortreten und die an das Arbeiten mit Wachsmalkreiden aus Kindertagen erinnern.

„In full sunlight“ ist der Titel der Gruppenausstellung junger dänischer Kunst, die derzeit im Schweriner Kunstverein zu sehen ist. Und lichtgeprägt sind auch die schwereren, komplexen Arbeiten von Asger Harbou Gjerdevik, der im Gegensatz zum luftigen Næblerød mit dem Gewicht der Welt ringt. Seine Bilder erzählen von Sinn- wie Motivsuche, vom Zweifeln auch, ob das Sehbare zu fassen und darzustellen ist, und sind entsprechend immer wieder expressiv übermalt, immer wieder neu verfasst: Der Gekreuzigte schreit umschwirrt von Kleiderbügeln seine Not heraus; Edvard Munchs „Der Schrei“-Figur steht noch immer auf der Brücke, während ein stilisiertes, heutiges Flugzeug in die Tiefe donnert.

Beide Maler erzählen – aber in Halbsätzen. Sie fangen an und brechen ab. Sie erheben malend ihre Stimme, sie räuspern sich, sie beginnen von vorn und dann geht es weiter, immer weiter. Die beiden kennen sich gut, sind einander vertraut. Teilen sich Næblerød und Gjerdevik die vorderen Räume samt ihrer Nischen und werfen sie sich hier so lässig wie gezielt die Bälle zu, war es eine kluge Entscheidung, den hinteren, einzelnen, auch großen Raum allein Lone Haugaard Madsen zu geben, um der Abgeschlossenheit und der Souveränität ihrer Arbeit zu entsprechen.

Madsen zeigt sich mit ihrer Arbeit „Tropical“ sowohl als Bildhauerin wie als Malerin und nicht zuletzt als Konzeptkünstlerin. Kurz mag man an ein Ensemble verschiedener kultischer wie alltagstauglicher Gegenstände in einem ethnologischen Museum denken, das auf dem Boden liegt, bevor man es für verschiedene Vitrinen aufteilt und dort verteilt: Dünne Stäbe liegen bereit, ein kleines Netz kräuselt sich, eine Massagerolle steht aufrecht und ist tatsächlich dessen Bronzeabguss. Gefundenes und Ausgeformtes, gezieltes Stückwerk im positiven Sinne, so lässt sich ihre Ansammlung lesen, während an den Wänden einige wenige, kaum bemalte Leinwände auf das Geschehen schauen.

Madsen ist gewissermaßen kühler unterwegs als ihre beiden Männerkollegen, auch distanzierter und damit entspannter – wobei gefällt, wie sie nicht nur mit der Alltäglichkeit ihrer Exponate spielt, sondern auch die gegebenen Eigenheiten des Ausstellungsraums nutzt: Die Steckdose im Fußboden wird zum Objekt, listig schaut ein Stromkasten um die Ecke.

Ernste Versponnenheit

Und so liegt eine ganz eigene Feinsinnigkeit über dem von ihr arrangiertem Zusammentreffen, eine ernste Versponnenheit auch, während den Werken ihrer beiden Maler-Kollegen immer wieder anzumerken ist, wie sie mal still, mal beherrscht, mal auch gut gelaunt lärmend mit althergebrachten Maler-Gesten ringen, um diese eines Tages endgültig hinter sich lassen zu können.

Gewiss wäre es so unzulässig wie auch fahrlässig, diese drei Positionen ob ihrer Verwandtschaft wie Unterschiedlichkeit im Detail nun sozusagen aktueller dänischer Kunst hochzurechnen. Es sind drei Positionen, von narrativ bis figurativ zu installativ und erst einmal nicht mehr. Aber eben auch nicht weniger.

Ausstellung „In full sunlight“: bis So, 19. 1., Kunstverein Schwerin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen