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RadioAktiv funkt garantiert kommerzfrei

Die Reporter des Kreuzberger Kiezradios RadioAktiv sind gerade mal 20 Jahre alt. Sie senden viermal pro Woche

Roland ist der Chef des Jugendradios. Er will das nicht zugeben, denn Roland ist 47 Jahre alt. Eigentlich heißt er Roland Krome, aber so nennt ihn hier niemand.

Heute steht die Redaktionskonferenz auf dem Plan. Roland sitzt an der Stirnseite des Tisches. Auf den Nebenplätzen sinkt der Altersschnitt rasch, die meisten hier sind knapp über zwanzig Jahre alt. Kiezradio für Jugendliche – das gibt es nur in Kreuzberg, dort, wo die Friedrichstraße zur Fußgängerzone wird, also ganz am Ende. Ein sozialer Brennpunkt liegt hier, eine Schnittstelle der Kulturen.

Viermal pro Woche sendet RadioAktiv. „Glaubt ihr nicht, wir sollten die Direktkandidaten der Parteien zur Bundestagswahl zu einer Diskussion einladen?“, fragt Roland. Der Mann ist schon ergraut, hat lange Haare, ein bisschen zerzaust sieht er aus. Die jungen Leute mögen ihn. Nur: Mit echten Politikern sprechen? Und sie einladen?

„Ich ziehe mir diesen Schuh nicht an“, sagt Myriel. Man hält sie auf den ersten Blick für ein junges Mädchen, aber sie ist schon 25 Jahre alt. Ewiges Telefonieren? Keine Lust. „Bei uns läuft eben nichts perfekt“, sagt Roland und schaut grinsend in die Runde. Radioaktiv ist Amateurradio, dazu einer der wenigen unkommerziellen Jugendsender in Berlin. Er funktioniert als Jugendarbeiter und Freizeitgestalter in einem.

Mit Radiomachen hatte vorher niemand zu tun, der hier im Kreis sitzt. Nicht Myriel, nicht Raúl, der links neben ihr sitzt, und Monique genauso wenig. Sie haben keine Ausbildung, sie haben hier ihren Spaß. Roland lehnt sich zurück. „Wie gesagt, nichts perfekt hier“, murmelt der Mann. Er hat es nicht leicht: Kein Job, kein Geld, für RadioAktiv arbeitet er unbezahlt. Die nötigsten Mittel für den Sender, die Technik und die Räume, stellt der Verein „Kreuzberger Musikalische Aktion“. Aber selbst für neue Kabel reicht es nicht.

Roland wirkt ausgebrannt. Früher, zur Hausbesetzerzeit, hat er Piratenradio gemacht, später bei Radios in Nicaragua und Afrika gearbeitet. Alles war anstrengend. Außerdem gibt es Sachen, die ihm den Spaß verübeln: dass der Offene Kanal, über den RadioAktiv sendet, dem Jugendradio das Wochenende gestrichen hat, zum Beispiel. „Früher durften wir sonnabends und sonntags auch eine Sendung machen.“ Jetzt nicht mehr. Begründung des Kanals: Man sei voll ausgelastet. Dabei sind junge Leute auf dem Kanal beileibe nicht überrepräsentiert.

Montag bis Mittwoch und freitags ab 18 Uhr senden die Jugendlichen ihre einstündigen Sendungen. „Es geht um alle jugendrelevanten Themen, Musik und Kultur, aber auch Politik“, sagt Myriel. Auch sie ärgert sich, dass zwei Sendetage „geklaut“ wurden. Das spornt sie aber an. Auch Roland ist motiviert. Er geht ins Sendestudio. Es ist schon nach acht Uhr. Er hat noch zu tun. MARTIN MACHOWECZ

Die RadioAktiv-Frequenz auf UKW: 97,2

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