: Rund läuft der Funk nicht mehr
Alternative Radiosender haben es schwer: Frequenzen sind knapp, das Funken ist teuer. Jedes Projekt laboriert dabei mit eigenem Konzept. Drei TU-Studierende wollen zum Beispiel per Internet senden
VON MARTIN MACHOWECZ
Ein Text über Marika Rökk liegt auf dem Tisch. Frau H. setzt sich davor und beginnt, ihn laut zu lesen. Die 27-Jährige spricht ganz deutlich. Es klingt bemüht. „Kannst du das Mikrofon ein bisschen lauter drehen?“, fragt sie. Der Raum um sie ist verkleidet und schalldicht gedämmt. Er ist das Radiostudio der Technischen Universität. Hanna übt hier zum ersten Mal.
Es dauert nicht mehr lange, dann wollen drei Studenten der TU mit ihrem eigenen Internetradio auf Sendung gehen. Ein tägliches Programm von Studenten für Studenten – das ist der Plan.
Rechts neben Hanna hängt eine Uhr an der Wand. Sie tickt. Die Studentin muss weiter, denn sie hat noch viel zu tun. Schon zu Semesterbeginn will sie ihre Stimme auf den Weg zu Computern auf der ganzen Welt schicken. Dieser Weg ist noch weit.
Hinter Hanna verlassen auch die Radio-Mitstreiter Andreas Rotter und Robert Damrau den Schnittraum. Die drei gehen eine schmale, dunkle Treppe hinauf. Oben hängt ein Schild, „Regieraum“ steht drauf. Hier steht das Herzstück des studentischen Radio-Plans: Ein Server, zwei Computer, drei Monitore. Der ganze Sendebetrieb soll später übers Internet laufen, denn freie UKW-Frequenzen gibt es in Berlin nicht. Die drei gehen vorbei an alten Bandmaschinen und staubigen Mischpulten. Alles Schnee von gestern. Nur die Computer und das Sendestudio sind wichtig. „Irgendwann hatten wir die Idee, einen neuen Radiosender zu gründen. Den Einheitsbrei im Berliner Formatradio hält ja keiner aus“, sagt Andreas Rotter.
Deshalb rackern sie gerade, und das in den Semesterferien. Es müssen noch einige Probleme gelöst werden. Zumindest technisch sieht es aber gut aus. „Die Uni stellt uns alle Geräte zur Verfügung, wir haben auch einen eigenen Schlüssel für die Senderäume.“ Andreas Rotter studiert eigentlich Elektrotechnik und Kommunikationswissenschaften.
„Außerdem müssen wir uns noch über die Finanzierung klar werden“, sagt Mitstreiter Robert Damrau. Er nimmt vor dem Computer Platz und blättert in E-Mails. Es ist eine teure Sache für Studenten, Radio zu machen, denn jedes gespielte Lied kostet viel Geld. Ein bisschen Geld hat die TU für die Campusradio-Macher und die damit verbundene Projektwerkstatt zur Verfügung gestellt. „Das ist natürlich gut“, sagt Andreas. Bringt die Studenten aber auch in die Bredouille: Richtig unikritisches Radio ist so kaum noch machbar, man ist ja abhängig von der TU. „Ich würde keine harte Kritik an der Uni äußern“, sagt Frau H.
Wie es beim Radio redaktionell laufen soll, ist den jungen Machern noch nicht klar. Im Moment favorisieren sie das System eines Offenen Kanals – jeder soll nach Belieben Beiträge produzieren und senden können. „Zu Semesterbeginn werden wir erst mal nach radiointeressierten Studenten aus allen Fachbereichen suchen“, sagt Hanna. Die sollen dann Radio machen, Programm von Studenten für Studenten. Gesendet wird voraussichtlich in den Abendstunden, die Internetadresse www.campusradio-online.de wurde schon reserviert. Zum ersten Tag des neuen Semesters sollen Töne von der Seite zu hören sein – ein ehrgeiziges Ziel. Schließlich läuft die Technik noch nicht ganz reibungslos, und bisher wurde kein einziger Beitrag produziert.
Deshalb sind auch Tipps von außerhalb notwendig. Ratschläge von anderen Radiofans haben sich die TU-Leute aber noch nicht geholt. Auch mit dem Uniradio Berlin-Brandenburg (siehe Bericht rechts) haben sie bisher nicht gesprochen. Hanna will das nachholen: „Ich finde es total schade, dass ich das seit der Frequenzumstellung nicht mehr hören kann, das Uniradio war immer ein guter Sender.“ Sie studiert Literaturwissenschaften und Philosophie an der TU, die Radioarbeit sieht sie als Abenteuer, aber auch als Referenz für die Zukunft.
Im Radiogeschäft sind die Studenten Anfänger. Vielleicht ist das gar nicht schlecht – und die Chance, in Berlin ein neues Studentenradio zu etablieren.
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