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Wandel liegt in der Luft

„A Change Is Gonna Come“ – eine Veränderung ist zu spüren und darüber wollen wir reden. Am 25. April 2020 findet rund ums taz-Haus ein Kongress statt zu allem, was die Welt bewegt

Fridays For Future kämpfen seit Ende 2018 gegen den Klimawandel Foto: Christoph Soeder/dpa

Von Jan Feddersen

Ist der Titel nicht zu englisch? Ist er womöglich zu lang – fünf Worte, da doch eigentlich nur eines benötigt wird? Braucht es für ein Event wie das taz lab im kommenden Jahr nicht eine irgendwie deutsche, alternativkulturelle, punkigere Oberzeile? Und überhaupt: Ist der Satz „A Change Is Gonna Come“ nicht viel zu historisiert, als dass wir ihn für unsere heutigen Debatten verwenden dürften?

Ja, das stimmt alles. Der Titel hat fünf englische Worte, die man sich, hat man die Überschrift nicht schon als Zitat erkannt, zunächst kaum merken kann. Aber, nein, es braucht keine deutschsprachige Überzeile, denn Englisch versteht heute jeder und jede. „ A Change Is Gonna Come“ – das ist das entscheidende Lied, der Hymnus der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung.

Im Jahr 1964 verfasst, gesungen, interpretiert von Sam Cooke, Anfang der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts am Mississippi geboren, in Zeiten, als sich in jener Gegend kaum jemand laut hätte wagen wollen, „Black Lives Matter“ zu äußern, gar laut auszurufen – er oder sie hätte umgehend befürchten müssen, von weißen Rassist:innen aufgehängt zu werden, die sich viel auf ihr Amerika einbildeten, aber nichts gegen Sklaverei hatten. Der Song „A Change Is Gonna Come“ wurde von Sam Cooke aus purer Lebenserfahrung geschrieben, er kannte es, als Schwarzer kaum ein Hotelzimmer buchen zu können, er kannte es, Opfer von weißer Gewalt zu werden, von Herabsetzungen, Diskriminierungen schwerwiegendster Weise, er wusste, wie es sich anfühlt, an die Tische der Weißen niemals gebeten zu werden, allenfalls als Dienstpersonal.

Das Lied, ohnehin von getragenem Sound, handelt davon, dass einer am Fluss in einem kleinen Zelt geboren worden ist, von dort im Leben immer auf dem Weg, irgendwie auf der Flucht, keine angstlos siedelnde Heimat – aber, so geht der Refrain, so ist es typisch für die gospeligen Lieder jener Zeit, jede Hoffnung sei gerechtfertigt: „It’s been a long / A long time coming / But I know a change gonna come / Oh, yes it will.“

Atmosphären des Wandels

Ein Wandel kommt, ja, das wird er: Sam Cooke hat dieses Lied in die Welt gesetzt, als die US-Bürgerrechtsbewegung mit ihren weißen Hero:innen wie Bob Dylan und Joan Baez, Peter, Paul und Mary und natürlich Simon und Garfunkle längst auch ihren Weg begonnen hatte – und vom Vietnamkrieg noch keine Rede war. Dieser Aufbruch gegen den hässlichen, vergiftenden, tödlichen Rassismus hatte in linken und liberalen, christlichen und jüdischen Weißen Bündnispartner:innen gefunden – und der „Change“, der Wandel, so Cooke, der würde eben kommen.

Der Wandel liegt auch heute in der Luft. Es ist eine Zeit wie 1964, ein Scharnierjahr der kommenden Proteste und Aufstände gegen die konservativen Establishments der Nachkriegsjahre. Vor 35 Jahren war es die Zeit, als afroamerikanische Bürger:innen selbstbewusst genug waren, um sich gegen ihre Herabsetzungen zur Wehr zu setzen, es war auch das Jahr, dieses 1964, in dem sowohl die frühe Öko- wie auch die genderdemokratische Bewegungen der Frauen, der Lesben und Schwulen und Trans* sich zu formieren begannen. In der Popkultur waren es Labels wie Motown und Stax, die die schwarzen Tanztraditionen dem Mainstream antrugen.

Diese Atmosphären des Wandels spüren alle irgendwie heutzutage auch: Und sei es, dass sie merken, wie sehr Rechtspopulist:innen Angst vor diesen haben – sie nennen es „rotgrünversiffte“ Errungenschaft, sie nennen es „Genderwahn“ und „Klimahysterie“. Der „Change“, das merken alle und von nichts anderem handelt auch unser taz-Journalismus, sollte nicht beginnen – er wirkt schon längst. Wäre sonst die schwedische Schülerin Greta Thunberg zu einem globalen Popstar mit erheblichem Ernsthaftigkeitsappeal geworden?

Diskussion auf dem lab

Den Glauben nicht verlieren, denn ein Kampf für ein gemeinsam gutes Leben lohnt

Das taz lab im kommenden Jahr handelt genau davon: Was hat sich gewandelt? Wo ändert sich nun was? Und durch wen? Nicht an konkreten Politikschritten allein, sondern an politischen Großwetterlagen. Was tun nach dem Klimakonferenzdebakel in Madrid? Sollten wir, mehr oder weniger privilegierte Mittelsschichtsbürger:innen, bei unserem Konsum verzichten – um eine Klimakatastrophe abzuwenden?

Und wenn nein: Was dann? Und wie, bitte, geht’s in puncto Geschlechterdemokratie weiter? Wie steht es um den herrlichen, schwierigen, manchmal nervigen, oft auch lustvollen „Genderwahn“ tatsächlich? Und schließlich und endlich: Was wäre nützlich für eine viel stärkere Teilhabe von geflüchteten Menschen und Migrant:innen – in Deutschland, aber auch in ganz Europa? Was wäre ihren Lebens- und Aufstiegschancen dienlich? Und auch noch dies: Wenn selbst die Union Facharbeiter:innen für einen leergefegten deutschen Arbeitsmarkt anwerben will – warum nicht solche aus Afrika, mit einer Anwerbestrategie, die den hierher Migrierenden Lust macht auf ihr neues Land?

„A Change Is Gonna Come“ – das taz lab für bessere Verhältnisse, klimatisch und auch sonst wie: Fragen über Fragen, die mit über 200 Expert:innen, Wissenschaftler:innen, Ak­t­vist:innen und Polemiker:innen, mit Politiker:innen und Menschen der Basis streitend diskutiert, aber auch Antworten gefunden werden müssen.

Im Dezember 1964 wurde Sam Cooke in einem Hotel in Los Angeles unter bis heute ungeklärten Umständen erschossen. Er hat bis zum letzten Tag seines Lebens, heißt es, die Hoffnung nicht fahren lassen: Alles ist möglich. Sein wichtigstes Lied schmückt eine Wand am National Museum of African American History and Culture in Washington D.C.: Es liest sich wie eine Erinnerung an lang zurückliegende Kämpfe. Und wie eine Mahnung, nicht den Glauben zu verlieren, dass sich ein Kampf für ein gutes Leben lohnt.

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