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Am Ende wird alles gut

Mit Zeichnungen bereiteten Ilya & Emilia Kabakov ihre erzählerischen Installationen vor. Diese schönen Blätter sind nun in der Tchoban Foundation zu sehen

Vertical Opera (Guggenheim) Detail/Aquarell, Tusche, Bleistift, Entwurf von Ilya & Emilia Kabakov Foto: Tchoban Foundation

Von Ronald Berg

Sicher, es gibt heute Wohnungsnot und Obdachlosigkeit, aber wer könnte sich vorstellen in einer öffentlichen Toilette zu wohnen? Das Künstlerpaar Ilya & Emilia Kababov hat sich das nicht nur vorstellen können, sondern die Idee bereits 1992 realisiert – als Kunstprojekt. Die einer öffentlichen Toilette – wie man sie in der Sowjetunion bei Bushaltestellen oder in Schulen finden konnte – nachemp­fundene Installation entstand für die documenta IX in Kassel. Das insgesamt elf Meter breite Gebäude mit sechs Plumpsklos im Inneren beherbergte direkt daneben Wohn‑ und Schlafraum.

Wie das aussah, kann man in der Tchoban Foundation anhand von Zeichnungen nachvollziehen. Allerdings handelt es sich bei den teils aquarellierten Blättern, beim Grundriss und perspektivischen Ansichten nicht um eine nachträgliche Dokumentation, sondern um die Entwürfe für die Installation. Das mentale Bild stand bereits bis ins Detail fest, als Ilya Kabakov daranging, die Idee zeichnerisch festzuhalten. Was dann mithilfe der Erinnerung an die frühere sowjetische Heimat (aus der Ilya und Emilia stammen) entstand, ist in sich so stimmig und detailliert, als wäre die Toi­lette wirklich bewohnt gewesen und nicht das Ergebnis übersteigerter Fantasie. „Totale“ Installation hat Ilya Kabakov diese Methode deshalb genannt.

Ilya Kabakov, Jahrgang 1933, hat in der Sowjetunion als Kinderbuchillustrator gearbeitet. Das ist seinen Zeichnungen aus den Jahren 1991 bis 2004 immer noch anzusehen, auch wenn die Ideen seit seiner Emigration aus der UdSSR im Jahr 1988 zusammen mit Ehefrau Emilia auf Long Island in der Nähe von New York entwickelt und umgesetzt werden. Obwohl beide im ukrainischen Dnepropetrowsk geboren wurden, hat sich das Paar erst in den USA gefunden, wo Emilia bereits seit Mitte der 70er wohnte.

Um die Zeichnungen überhaupt in Berlin zeigen zu können, musste Kuratorin Esenija Bannan sie den Kabakovs regelrecht abschwatzen. So fein und detailliert sie sich vielfach ausnehmen, sind sie eigentlich das Bindeglied zwischen Idee und Installation, ein Entwurfsinstrument beim Machen – „In the ­Making“ wie die Ausstellung heißt.

Die Botschaft aller Arbeiten der Kabakovs heißt schlicht Hoffnung. So auch bei der „Toi­lette“, die damals vielfach als Kommentar zu der zu Ende gehenden Sowjetunion gedeutet wurde. Natürlich stammt vieles bei den Kabakovs aus den Erfahrungen aus dem Sowjetreich, aber der Sinn ihrer Kunst soll universal gelten. Sich in einer Toilette einzurichten heißt demnach, das Beste aus einer Situation zu machen, etwas weiterzuentwickeln, ja sogar nach Höherem zu streben. Diese Vision eines Fortschritts, einer Höherentwicklung als allgemein menschliches Streben ist den Arbeiten der Kabakovs eingeschrieben.

Das Projekt für ein „Zentrum der kosmischen Energie“, das in riesigen Dimensionen für das Gelände der Zeche Zollverein in Essen gedacht war, beerbt nicht nur die himmelsstürmerischen Ideen eines postrevolutionären Russland, sondern erinnert mit schräg-dynamischen Architekturen und zeichenhaften Bogenbauten zugleich an die Revolutionsarchitektur eines Étienne-Louis Boullée aus dem Frankreich des 18.Jahrhunderts.

Er erklimmt eine Himmelsleiter, um zu den Engeln zu kommen

Selten einmal gibt es so deutliche Hinweise auf die Diskrepanz zwischen Hoffnung und Realität wie bei dem „Gefallenen Engel“, einem unrealiserten Projekt für das Whitney Museum in New York. Eine großformatige Zeichnung von 2001 zeigt eine Figur mit lädierten Flügeln, die im Graben vor dem Gebäude des Museums liegt und vom Himmel herabgestürzt zu sein scheint. In den Straßenschluchten von Manhattan – zumal bei den vorbeidrängenden Autofahrern – nimmt kaum jemand überhaupt Notiz von dem Vorfall.

Dass die Engel im Himmel wohnen, also in einem metaphorischen wie metaphysischen Bereich des Höheren, erzählt eine andere Geschichte. Es ist die von einem Mann, der eine Himmelsleiter erklimmt, um dorthin aufzusteigen, wo er einem Engel begegnen würde und „hoch über den Wolken ganz allein Wind und Wetter ausgesetzt“ wäre. Auf einer Zeichnung mit zwei Engeln und einem Mann auf der Spitze einer „1200–1400 Metern“ aufragenden Himmelsleiter ist das zu sehen und nachzulesen.

Die Himmelsleiter existiert – etwas verkürzt auf etwa 16 Meter Höhe – tatsächlich. Im Guts­park Böckel in Rödinghausen (NRW) reckt eine männliche Figur an der Spitze der Leiter beide Arme zum Himmel. Unrealisiert dagegen blieb bisher das Projekt einer „Vertikalen Oper“. Auch hier geht es um Aufstieg. Geplant war, im berühmten Guggenheim Museum in New York mit seiner spiralförmigen Rampe im Inneren fünf Bühnenbilder übereinander anzuordnen, jeweils bestückt mit Karussellfiguren. Begleitet von Musik, sollte hier die Geschichte der Sowjetunion von der Oktoberrevolution über die „Stalin-Zeit“ und „Stagnation“ bis in einen Himmel voller Posaune blasender Engel erzählt werden. Am Ende wird alles gut, es siegt die Hoffnung – wie im Märchen.

Tchoban Foundation – Museum für Architekturzeichnung, Christinenstr. 18 a, bis 23. 2. Mo.–Fr. 14–19, Sa. u. So. 13–17Uhr

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