piwik no script img

Inhaftierter türkischer MenschenrechtlerEGMR fordert Freilassung von Kavala

Seit über zwei Jahren sitzt Osman Kavala in U-Haft. Nun hat der Europäische Menschenrechtsgerichtshof geurteilt, dass er freigelassen werden muss.

Kavala wird unter anderem ein Umsturzversuch durch Finanzierung der Gezi-Proteste vorgeworfen Foto: dpa

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat am Dienstag entschieden, dass der bekannte türkische Bürgerrechtler und Kulturmäzen Osman Kavala sofort aus der Untersuchungshaft entlassen werden muss. Der Menschenrechtsgerichtshof urteilte, dass die Inhaftierung von Kavala politisch motiviert ist und Kavala damit zum Schweigen gebracht werden sollte. Sein Recht auf „Freiheit und Sicherheit“ sei verletzt.

Osman Kavala sitzt mittlerweile seit 770 Tagen in Untersuchungshaft. Er wurde im Oktober 2017 verhaftet. Über ein Jahr lang erfuhr er nicht, was ihm eigentlich vorgeworfen wird. Erst im Frühjahr dieses Jahres begann dann ein Prozess gegen ihn und weitere 15 Angeklagte, die angeblich im Sommer 2013, im Rahmen der Gezi-Proteste, versucht haben sollen, die Regierung zu stürzen.

Osman Kavala ist einer der bekanntesten Kulturmäzene des Landes und hat immer wieder zivilgesellschaftliche Initiativen unterstützt. Als im Sommer 2013 Demonstranten den kleinen Gezi-Park mitten in Istanbul besetzten, weil die Regierung plante, dort ein Einkaufszentrum zu bauen und deshalb sämtliche Bäume fällen wollte, hat Kavala die Demonstranten unterstützt, indem er ihnen belegte Brote oder ein paar Stühle bringen ließ. Daraus hat die Staatsanwaltschaft dann eine „Verschwörung zum Sturz“ der Regierung konstruiert, für die Kavala lebenslang ins Gefängnis gehen soll.

Nach Auffassung juristischer Experten wie Turgut Kazan, dem früheren Vorsitzenden der Istanbuler Anwaltskammer, und Fikret İlkiz, einem bekanntem Medienanwalt, muss Osman Kavala jetzt umgehend aus der U-Haft entlassen werden. Der Beschluss aus Straßburg sei für die Regierung absolut bindend. Kavalas eigener Anwalt İlkan Koyuncu sagte, man lasse das umfangreiche 90 Seiten starke Urteil jetzt übersetzen und werde dann bei einem Istanbuler Gericht seine sofortige Freilassung beantragen.

Allerdings hat sich die Regierung Erdoğan schon in anderen Fällen geweigert, Beschlüsse aus Straßburg umzusetzen. Als Straßburg entschied, dass der frühere HDP-Vorsitzende Selahattin Demirtaş aus der U-Haft entlassen werden muss, wurde die Umsetzung des Urteils so lange verzögert, bis Demirtaş rechtskräftig verurteilt wurde.

Der nächste reguläre Verhandlungstag im Prozess gegen Kavala und 15 weitere Angeklagte, die aber alle auf freiem Fuß sind, findet am 24. Dezember statt. Sollte das türkische Gericht ihn nicht schon vorher auf freien Fuß gesetzt haben, wird spätestens bei dieser Verhandlung über eine Haftentlassung entscheiden müssen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!