: Mit den Taliban, gegen al-Qaida
AFGHANISTANKRIEG Offenbar ist Obama bereit, auch der Islamistenbewegung eine Rolle am Hindukusch zuzugestehen. Der Kampf soll sich dann auf das Terrornetzwerk konzentrieren
AUS WASHINGTON ANTJE PASSENHEIM
US-Präsident Barack Obama will offenbar akzeptieren, dass „gemäßigte Taliban“ künftig in der afghanischen Politik eine Rolle spielen. Obama wolle den Fokus am Hindukusch auf das Terrornetzwerk al-Qaida richten und weg von den Aufständischen, zitierten US-Medien am Donnerstag einen Regierungsmitarbeiter.
Er hatte sich am Rande der Beratungsgespräche über eine mögliche Truppenaufstockung für Afghanistan geäußert, die Obama derzeit nahezu täglich mit Experten, Politikern und Militärs im Weißen Haus führt. Die US-Regierung werde zwar „nicht die Rückkehr der Taliban an die Macht“ tolerieren, sagte ein Kongressabgeordneter, der anonym bleiben wollte. Doch sie müsse sich der Realität beugen, dass die Taliban Teil der afghanischen Kultur seien. Dies könne bedeuten, dass Vertreter der Islamistenbewegung sich an der Zentralregierung beteiligen, sofern sie der Gewalt abschwören. Es könne auch bedeuten, dass bestimmte Regionen des Landes von den Taliban regiert würden.
Der Dialog mit moderaten Taliban ist Teil der Afghanistanstrategie, die der US-Präsident im März verkündete. Sie beinhaltet unter anderem, dass mehr Wert auf den Schutz von Zivilisten als auf die Jagd auf Aufständische gelegt wird. Mit dem weiteren Händereichen würde Obama nun auf die Linie seines Vizepräsidenten Joe Biden einschwenken. Er plädiert seit langem dafür, dass sich die US-Soldaten statt auf die Taliban besser auf den Kampf gegen al-Qaida konzentrieren, vor allem im Grenzgebiet zu Pakistan.
Obama hat als Oberkommandierender der Streitkräfte angekündigt, sich Zeit mit seiner Entscheidung und sich ausgiebig über die Lage in Afghanistan beraten zu lassen. Am Donnerstag konferierte er darüber mit Biden und Außenministerin Hillary Clinton. Sein Urteil zur Truppenverstärkung wird frühestens in zwei Wochen erwartet. Beobachter deuten Obamas kolportiertes Zugeständnis an die Aufständischen jedoch eher als Ablehnung einer Aufstockung der Truppen.
Ein zentraler Punkt ist die Frage, wie eng die Taliban mit al-Qaida verzahnt sind. Außenministerin Clinton und Verteidigungsminister Robert Gates haben stets davor gewarnt, dass die Terrorgruppe wieder erstarken könnte, wenn die Taliban weite Landesteile kontrollierten. Doch offenbar ist das Obama-Team inzwischen anderer Meinung. Die Mehrheit der Taliban habe nichts mit al-Qaida zu schaffen, hieß es jetzt. Obamas Sicherheitsberater Jim Jones meinte unlängst, die Präsenz der Terrorgruppe Ussama Bin Ladens in Afghanistan sei geschwunden. Die Zahl ihrer Kämpfer betrage keine 100 Mann.
Unterdessen verlängerte der UN-Sicherheitsrat am Donnerstagabend das Mandat für die von den USA und der Nato gestellte Internationale Sicherheitsbeistandstruppe (Isaf) für Afghanistan um weitere zwölf Monate. Die einstimmig verabschiedete Resolution 1890 unterscheidet sich nur geringfügig von der entsprechenden Entschließung des Vorjahrs.
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