Erste Hilfe beim Prokrastinieren: Der große Ratgeber ganz zum Schluss
Spätkauf: schenken und schenken lassen. Acht elegante, praktikable und preiswerte Lösungsvorschläge, kurz vor Weihnachten.
Sterne schneiden
Irgendwann ist es dann so weit, es gibt die Verabredung, dieses Jahr keine Geschenke mehr. Sei es aus der Einsicht, nicht noch mehr Paketboten auf den Weg zu schicken oder weil alle schon älter geworden sind, keine Kinder dabei und die Regale schon voll. Vielleicht auch, weil das Geld gerade knapp ist. Also was tun?
Eine praktikable Lösung ist, noch einmal darauf zurückzugreifen, schöne Sterne aus roter und goldener Alufolie auszuschneiden, die man nicht nur ans Fenster hängen kann. Wenn man das will, hier eine kurze Erinnerung an die Technik: Man schneidet von der Folie quadratische Stücke ab und faltet sie zunächst zu einem Dreieck. Das legt man noch zweimal zusammen.
Für einen Stern mit sechzehn Zacken schneidet man jetzt von den äußeren Spitzen nach innen und lässt dazwischen einen Mittelteil stehen, sodass man ein Dreieck mit drei Zipfeln in der Hand hält. In die beiden äußeren Seiten kann man nun vorsichtig Muster schneiden, halbe Bögen oder halbe Herzen, die dann beim Aufklappen eine filigrane Struktur ergeben. Man bringt sich so beim Basteln auch ein bisschen in weihnachtliche Stimmung. Und wem das doch zu wenig ist, der kann ja vielleicht noch ein Paar Socken dazulegen. Katrin Bettina Müller
Beasty Bar
Eines meiner Lieblingsspiele ist (neben „Café International“) ganz klar „Beasty Bar“. Entworfen von Stefan Kloß und dem Illustrator Alexander Jung, wurde es von der Fachzeitschrift Fairplay 2015 zu einem der besten drei Kartenspiele des Jahres gekürt. Völlig zu Recht. Es erfordert etwas strategisches Geschick, aber wieder auch nicht so viel, als dass man es nicht mit Kindern ab etwa acht Jahren sowie mit älteren Erwachsenen spielen könnte. Auch zeitlich liegt es im überschaubaren Rahmen.
Gespielt wird verdeckt mit Tierkarten, denen unterschiedliche Eigenschaften zugeordnet sind. Es geht um das für den tatsächlich gelebten Alltag realistische Ziel, auf der sogenannten Drängelmeile die Tierkarten anderer Spieler*innen mit fiesen Tricks ins Abseits zu befördern. Am besten per Rauswurf in den „Das war’s“-Bereich, um selber triumphierend die harte Tür ins „Heaven’ Gate“ zu nehmen. Seit April 2017 liegt im Zoch-Verlag mit „Beasty Bar: New Beasts in Town“ auch die Erweiterung vor. Alles sehr handlich, lässt sich gut in der Reisetasche verstauen. Andreas Fanizadeh
Feministischer Spirit
Zu Weihnachten – und im restlichen Jahr auch – sind Männer die echten Stars. Den Anfang macht Jesu Christi, dessen Geburt Anlass des großen Festes bildet. Dann kommt der Weihnachtsmann – oder das Christkind –, dem die Beschenkung der Kleinen dem Brauchtum zufolge zu verdanken ist. Und weiter geht’s mit den Heiligen Drei Königen, die dem Neugeborenen mit wertvollen Gaben huldigen.
Währenddessen bleiben die Frauen meist im Hintergrund: sowohl Maria, die Mutter Jesu, als auch die vielen anderen Mütter, deren Schweiß hinter den überirdischen Leistungen des Weihnachtsmannes steckt. Wenn Ihnen die patriarchalen Rollenbilder, die in religiösen und weltlichen Weihnachtsbräuchen Ausdruck finden, auf die Nerven gehen, schenken Sie sich und Ihren Liebsten Kinokarten für den Film „Gott existiert, ihr Name ist Petrunya“ von Regisseurin Teona Strugar Mitevska.
Die Handlung dieser brillanten Satire über patriarchale Gesellschaftsstrukturen spielt am Dreikönigstag. Das passt perfekt, denn in der nordmazedonischen Kleinstadt Štip, wo sich die Geschichte – die auf realen Ereignissen basiert – abspielt, wird an diesem Tag ein christlich-orthodoxes Ritual zelebriert, an dem nur Männer teilnehmen dürfen.
Wenigstens bis Petrunya, so heißt die Heldin von Mitevskas Film, dagegen rebelliert, und zwar mit einem Sprung in die eiskalten Fluten des örtlichen Gewässers, in die ein Priester ein geweihtes Holzkreuz geworfen hat, damit eine Horde halbnackter Männer sich auf dessen Suche begeben kann. Petrunya springt mit, fängt als Erste das Kreuz und sorgt damit für Aufruhr. Und das Beste ist, dass mittlerweile Frauen am Ritual in Štip teilhaben dürfen, wie Regisseurin Mitevska berichtete. Also verbreiten Sie diesen Film weiter für feministischen Spirit, damit er auch nach Weihnachten und dem Dreikönigstag anhält. Gloria Remény
Erinnerungen an England
Jetzt kommt er also doch. Der Brexit. Noch wirkt er nicht real. Doch so viel scheint sicher: Europa wird danach nicht größer geworden sein. Dass ein Musiker, in Halle geboren, nach London geht, um in der Ferne sein Glück zu machen, erscheint in einer solchen Zukunft weniger reizvoll. Georg Friedrich Händel war seinerzeit nach Stationen in Hamburg und Italien ins Königreich gezogen, hatte dort seinen „Messiah“ geschrieben.
Festlich prunkvolle Weihnachtsmusik, auf Englisch gesungen, aber keinesfalls bloß für Engländer gedacht. Wird ja auch rund um die Welt aufgeführt. Jetzt hat es der Katalane Jordi Savall beim Label Alia Vox neu eingespielt, mit dem Chor Capella Reial de Catalunya und dem Orchester mit dem programmatischen Namen Le Concert des Nations. Im 18. Jahrhundert sorgte der Opernkomponist Händel noch für Krawall, weil er sein geistliches Oratorium mit Bibelversen in weltlichen Theatern aufführen ließ. Heute kann die Musik als Erinnerung an ein England dienen, das andere Probleme hatte als jetzt und trotzdem näher scheint. Hallelujah! Tim Caspar Boehme
Selbst gemachter Gutschein
Weihnachtseinkäufe bereiten Stress. Vor allem in Begleitung von Kindern. Früher hat man Spiele gekauft, am besten pädagogisch wertvoll, die dann nur ein einziges Mal gespielt wurden. Später wollten die Kinder nur noch Handys oder Spiele für ihre Gameboys. Dieses Jahr hat sich alles geändert. Greta Thunberg! „Wollen wir uns dieses Jahr mal gar nichts zu Weihnachten schenken?“, fragt der Ehemann, vorausschauend schon zwei Monate vor Weihnachten.
Ich will nichts, finde die Schenkerei eh anstrengend, weil ich zu 70 Prozent immer Sachen gekauft habe, die er danach wieder umtauschte. Aber die Kinder? Wir bitten sie dann doch, ihre Wunschzettel zu schreiben. Und die sehen bescheiden aus. Klamotten? Handys? Fehlanzeige. Plötzlich ist nicht nur Fliegen bäh, sondern auch Konsum. Hosen werden im Second-Hand-Laden gekauft, alte Handys von Freunden übernommen, die noch vom Zwang getrieben sind, sich jedes Jahr ein neues Modell zulegen zu müssen.
Machen Sie sich keinen Stress, reihen Sie sich nicht in Schlangen vor den Kassen der Konsumtempel! Schenken Sie einen selbst gebastelten Gutschein für eine Radtour, einen Spaziergang oder ein gemeinsames Essen. Schenken Sie Zeit, davon haben alle zu wenig. Greta sei Dank, sind wir endlich befreit von dem Zwang, Neues kaufen zu müssen. Es ist ganz einfach: Wir retten die Welt, indem wir nichts kaufen. Elke Eckert
Kabellose Bluetooth-Kopfhörer
Der gemeine Kabelsalat ist eine Geißel der Menschheit. Besonders schlimm sind die verknoteten Kabel bei sogenannten In-Ear-Kopfhörern, die oft so dünn sind, dass man sie ohne Pinzette kaum auseinanderfriemeln kann. Erlösen Sie die Menschen, die Ihnen lieb sind, von dieser Zumutung! Schenken Sie kabellose In-Ear-Bluetooth-Kopfhörer.
Zugegeben, schick sind die nicht gerade: Die vom Marktführer sehen aus wie ein kleiner, weißer Duschkopf im Ohr, die nächsten haben hässliche Bügel, andere schauen aus wie Kapseln. Aber in diesem Fall ist die Qualität wohl entscheidender: Nichts ist schlimmer als Störgeräusche und auditives Buffering. Also zeigen Sie sich spendabel, investieren Sie ruhig ein paar Flocken mehr. Man wird es Ihnen danken! Denn der/die so Beschenkte wird wie durch ein Wunder von sämtlichen Verknotungen befreit sein. Jens Uthoff
Alte Meister
Ein Geschenk für alle Altersklassen: Die Geburt Christi. Da ja nun mal Weihnachten ist, sollte man sich das doch anschauen. Also schenken wir einen Eintritt ins Museum, und zwar zu den Sammlungen mit alter Malerei, vom Mittelalter über Renaissance und Barock bis zum Rokoko. In München wäre das die Alte Pinakothek, in Dresden die Gemäldegalerie Alte Meister im Zwinger und in Berlin die Gemäldegalerie.
Wenn man dort nun nach der Geburt Christi Ausschau hält, versteht man sehr schnell, wie entschieden das christliche Bildprogramm von Macht handelt. Denn zumindest in Berlin finden sich nur wenige Gemälde mit dem Motiv der Geburt Christi, ein Vielfaches aber an Gemälden, die die Anbetung der Heiligen Drei Könige zeigen und dazu noch ein paar mit der Anbetung der Hirten. Erst wenn Männer und Institutionen Maria und dem Gottessohn ihre Aufwartung machen, lohnt es sich, das im Bild festzuhalten.
In Zeiten einer allumfassenden Digitalisierung lassen sich Sammlungen natürlich auch kostenlos online einsehen. Vorbildlich macht das etwa die Bayerische Staatsgemäldesammlung oder das Metropolitan Museum of Art in New York. Zu Lorenzo Monacos „The Nativity“ (ca. 1406–10) werden dort nicht nur Objektangaben wie Entstehungs- und Erwerbungszeit, Material, Maße etc. vermerkt, sondern der Maler, sein Herkommen und sein Stil in einem Text vorgestellt, die Bildanalyse selbst geschieht dann über Audiotext. Was will man mehr? Brigitte Werneburg
Norient-Crowdfunding
Immer mehr Menschen möchten keine materiellen Weihnachtsgeschenke und bitten stattdessen, man möge jemand anderes unterstützen, der finanzielle Hilfe benötigt. Aktuell sucht die Schweizer Musikplattform Norient nach Spender:Innen, um ihre Homepage runderneuern zu können.
2000 in Bern als Thinktank gestartet, der über Musik aus aller Welt berichtet, ist Norient längst ein renommiertes Online-Magazin, das Wissenswertes über globale Pop-Phänomene in Form von Essays, Interviews, Dokfilmen und Podcasts liefert. Norient möchte seinen Autor:Innen in Zukunft faire Honorare zahlen und Musikinteressierte aus aller Welt besser vernetzen.
Deshalb hat man nun ein Crowdfunding gestartet, mit dem Ziel, 100.000 Euro zusammenzubekommen. Tun Sie Gutes, helfen Sie mit: www.startnext.com/de/norient. Julian Weber
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Plan für Negativ-Emissionen
CO2-Entnahme ganz bald, fest versprochen!
Human Rights Watch zum Krieg in Gaza
Die zweite Zwangsvertreibung