Neues Leben auf alten Gräbern

Neues Konzept: Der NS-Opfer-Friedhof Meyerhöfen im Landkreis Osnabrück soll Gedenkstätte werden

„Wir rücken den Ort ins öffentliche Bewusstsein, als Gedenkstätte“

Filiz Polat, Bundes­tags­abgeord­nete der Grünen aus Bramsche

Von Harff-Peter Schönherr

Wer nach dem NS-Opfer-Friedhof Meyerhöfen bei Bohmte im Landkreis Osnabrück sucht, hat es schwer. Die Beschilderung ist lückenhaft und führt teils in die Irre. Selbst mancher Anwohner weiß nicht, wo er liegt.

Wer Meyerhöfen schließlich findet, zwischen Feld und Wald, erschrickt: Anfang der 1940er-Jahre angelegt, ist er ein Ort der Schändung, des Vandalismus, der Vernachlässigung. 482 Tote liegen hier, viel­leicht mehr, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter.

Und dass das Land Niedersachsen, für Meyerhöfen zuständig, provisorisch den Schriftzug „Adolf“ überdeckt hat, von Unbekannten in die Informationstafel am Eingang geritzt (taz berichtete), bereitet der Würdelosigkeit kein Ende. Die vier Bronzetafeln, auf denen die Namen der Toten standen, schon vor Jahren von ihren Stelen gestohlen, wurden nie ersetzt.

Aber dieser Zustand ist bald Vergangenheit. „Wir rücken den Ort ins öffentliche Bewusstsein, als Gedenkstätte“, sagt Filiz Polat, Bundes­tags­abgeord­nete der Grünen aus Bramsche. „Mit einem Konzept, das nah an den Men­schen ist.“ Einfach wird das nicht. „Vieles an der Geschichte des Friedhofs ist ja noch unerforscht.“ Als langjähriges Beiratsmitglied des Osnabrücker NS-Gedenkstätten-Ensembles „Augustaschacht“ und „Ge­stapo­keller“ weiß sie: Eine Spurensuche wie diese erfordert Zeit.

Mitte November hatte Polat zum Ortstermin geladen. Mit dabei: Bohmtes neue Bürgermeisterin Tanja Strotmann, deren Gemeinde Anfang Januar 2020 die gärtnerische Pflege von Meyerhöfen übernimmt. Ebenfalls mit dabei: die Osnabrücker Historiker Michael Gander, Leiter der Gedenkstätten Augustaschacht und Gestapokeller, und Volker Issmer, der schon lange zu ­Meyerhöfen forscht.

„Da ist wirklich Tatendrang zu spüren“, sagt Polat im Anschluss. „Auch direkt in der Gemeinde. Der Ortsrat ist eingebunden, der Heimatverein. Es ist ja wichtig, das so was nicht nur von außen kommt.“ Nach Jahrzehnten des Vergessens bewegt sich also etwas, endlich.

Gander: „Da liegt viel Arbeit vor uns. Recherchen an den Sterbe-, womöglich den Geburtsorten der Toten. Eine internetbasierte Plattform entsteht, zu ihren Biografien, um ihnen Gesichter zu geben. Wir entwickeln ein Bildungskonzept, zusammen mit einer Bohmter Schule.“

Es gilt, Förderanträge zu schreiben, Gedenkveranstaltungen zu planen. Vor allem aber gilt es, die Würde des Ortes wieder herzustellen, auch jenseits der Reparatur heruntergebrochener Zäune und verfaulter Sitzbankbretter.

Und es gilt, die Frage zu beantworten, zu welchem Zweck der Friedhof im Krieg überhaupt angelegt wurde. Aus der örtlichen Bevölkerung liegt hier niemand. Und ahnen, dass in den 1950er- und 1960er-Jahren Hunderte NS-Opfer aus dem gesamten Regierungsbezirk Osnabrück hierher umgebettet werden würden, konnte keiner ahnen. War es eine Vorbereitung für die „Vernichtung durch Arbeit“ in der örtlichen Torfindustrie?