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Reisbauern am Polarkreis

AUSBEUTUNG Irgendwann hatte Phomphaengs Tochter die Idee, Arbeiter aus Thailand zum Beerenpflücken in die Wälder Lapplands zu holen. Im ersten Sommer kamen ein paar Dutzend. Nun sind es Tausende

Reportagen

■ Die Geschichte: Thomas Brunnsteiners Text über thailändische Reisbauern in Lappland erschien zuerst in der Augustausgabe von Reportagen.

■ Das Magazin: Reportagen bietet sechsmal jährlich wahre Geschichten aus aller Welt. Es ist im gut sortierten Buchhandel und an großen Kiosken erhältlich.

VON THOMAS BRUNNSTEINER

Der finnische Polizist steht an der Grube, wortlos und lange. Dann macht er kehrt, bittet jemanden um eine Zigarette, raucht sie im Gehen. Kein Blick mehr zurück. Er hat genug gesehen. Eigenartig, was mit einem menschlichen Körper geschieht in nur wenigen Wochen, wenn es Sommer ist und fast 24 Stunden taghell. Der Körper ist verschwunden. Aber noch sind sein schwerer Abdruck im Waldboden auszumachen und Reste, von Tieren nicht fortgetragen. Vom Beerenpflücker Somchai Poonsab aus Thailand, Vater dreier Kinder und 38 Jahre alt zum Zeitpunkt seines Todes.

Vor drei Wochen hatte Somchai seinen Vorarbeiter angerufen. Erst den dritten Tag war er damals im Wald, bei Kursu, Bezirk Salla in Lappland, in diesem lichten und unheimlichen, mit Sümpfen und Kargstellen durchwirkten Wald, dessen Wesen und Richtungen er nicht kannte. An jenem Tag, dem 26. Juli, war er noch einmal allein aufgebrochen, seinen Tagesschnitt als Pflücker aufzubessern, und bald darauf klingelte das Telefon bei seinem Vorarbeiter, Thailänder wie er. Der hob ab und hörte die verstörte Stimme von Somchai, erst klang sie hastig, dann zerfahren und voller Angst: „Holt mich ab! Holt mich jetzt gleich ab, ich stehe an der Kreuzung“ – neben der Landstraße wollte Somchai auf das Auto seiner Landsleute warten – „und beeilt euch, macht schnell. Ich habe ein schwarzes Tier gesehen, es sieht aus wie ein großer Hund. Ich glaube, es ist hinter mir her.“ Da riss das Telefongespräch ab, die Batterien in Somchais Telefon waren leer. Der Vorarbeiter kannte es am Ton. Keine Antwort mehr. Als seine Landsleute ankamen, fanden sie einen Eimer voller Preiselbeeren und einen abgenutzten, doch schadlosen Blazer, beide gehörten Somchai. Sonst fanden sie nichts.

Ein finnischer Polizist und ein Mordfall

Nun, gute drei Wochen später, geht der rauchende Kriminalpolizist fort von dieser Grube, die eigentlich ein Grab ist. Sie hätten ihn niemals gefunden, den Leichnam, sagt er später der finnischen Presse. Wäre nicht an einem frostigen Augusttag der verspielte Welpe eines Hundezüchters aus dem Dorf Kursu mit einer schwarzen Mütze im Maul aus dem nahen Forst heimgekommen. Auf dass man die Suche erneut aufnahm. Und die Grube entdeckte. Ein Satz wird den thailändischen Beerenpflückern in Lappland eingebläut gleich nach der Ankunft, damit sie die Einheimischen nicht gegen sich aufbringen. In Ermangelung anderer Regeln befolgen sie dieses Mantra eisern: „Wenn ihr beim Pflücken ein Haus seht, seid ihr zu nah an der Siedlung. Dann müsst ihr umkehren. Zurück in den Wald.“

Wir betreten das alte Lehrerzimmer in der aufgegebenen Schule von Nuottavaara, einem fast menschenleeren Dorf im Westen Lapplands, wo nur noch 28 Finnen wohnen, vorwiegend Rentner und arbeitslose Junggesellen. Es riecht nach Safran und Salz, gemischt mit den flüchtigen Aromen von Schweiß, Benzin und Branntwein. Unser plötzliches Eintreten zusammen mit Somphong Phomphaeng, dem 56-jährigen Kapo des Lagers, versetzt die am Boden im Halbkreis hockenden Männer in eine Art amüsierter Lähmung. Sie scheinen von unserem Auftauchen genauso überrascht wie wir von ihrem Hiersein. Hatte Somphong nicht gerade erzählt, dass ein jeder der hier hausenden 150 Männer bei Tageslicht nur im Wald zu finden sei, weil ihnen Preiselbeeren derzeit so saftige Gewinne einbrächten?

Während die meisten der Männer noch in jener Schockstarre verharren, überwindet sich doch der Zimmerälteste, ein Lederhäutiger mit geröteten Augen, und weist mit wiedererlangter Geistesgegenwart seinen Sitznachbarn an, die offene Schnapsflasche gefälligst unters Bett zu schieben. Da, im Augenwinkel, bemerke ich die Frau. Bekleidet nur mit einem weiten T-Shirt, bewegt sie sich wie jemand, der eben erst aufgestanden ist. Ich schiele auf ihre bloßen Beine, während ich mit den Männern zu reden versuche, die wieder nur Somphong ansehen, der ihnen mit zugekniffenen Augen den Mund verbietet. Aber das Mädchen, als sei es nur gesund und natürlich, den eindringenden und störenden Fremden lasziv anzusehen mit dem ganzen Körper, lässt mich wortlos verstehen, dass sie wirklich gerade erst mit dem zart benebelten Jüngling neben ihr aus dem Bett gestiegen ist. Aber was machen diese zehn, bald zwölf Menschen hier?

Überall im Zimmer hing Wäsche, wie überhaupt überall in diesem seit gut 20 Jahren verlassenen Schulhaus Wäsche zum Trocknen hing, auf Fenstergriffen, an Haken und Nägeln, auf Stühlen und von Außenwänden herunter, sogar an faserigen Unebenheiten im Holz der Fassade haftete Wäsche. Draußen nur Wald und eine Sonne, die selbst jetzt, im frühen September, erst spät unterging und fast keine Dunkelheit zurückließ, ehe sie nach ein paar Stunden das Land wieder schlaflos quälte, ohne es mehr erwärmen zu können.

Später berichtete mir der Bürgermeister dieses 28-Seelen-Dorfes vom Wunsch Somphongs, sich in Finnland eine Motorsäge zu kaufen. Im Baumarkt sei der Thailänder aber über den Preis „aus allen Wolken gefallen“. Deshalb also saßen diese Männer hier. Es waren seine Arbeiter, befriedet mit Suff und Lust – und sie bauten ihm eine Kettensäge aus den Resten alter Maschinen. Und wenn sie monatelang dafür Zeit gehabt hätten, es wäre nichts geworden. Aber in den Wald mussten sie nicht.

In den Wäldern herrscht das Jedermannsrecht

„Der Kriminalkommissar bat mich um eine Zigarette, als wir an der Grube standen. Dann ging er schweigend fort in den Wald. Ich glaube, er wollte seine Ruhe haben.“ Richard Thompson Coon erinnert sich an jenen Tag nahe dem Dorf Kursu, als Suchkräfte die Überreste des verschollenen Beerenpflückers Somchai Poonsab endlich aufgespürt hatten. „Aber die Grube – ich mag es dir nicht beschreiben.“ Thompson Coon, gebürtiger Engländer, doch seit vielen Jahrzehnten in Finnland beheimatet, hat im Sommer 2009 gemeinsam mit der thailändischen Aktivistin Junya Lek Yimprasert die Lager der Beerenpflücker besucht, 13 Stück allein in Lappland. Im Jahr davor waren sie in die Dörfer im Norden Thailands gereist, aus denen diese Erntearbeiter stammten – einfache, oft des Lesens und Schreibens unkundige Reisbauern, die weder Englisch verstanden noch die lateinische Schrift kannten, perfekte Lämmer vom jenseitigen Ende der Welt. Für die Unternehmer der Waldbeeren-Industrie in Finnland und Schweden, die vor ein paar Jahren ein uraltes Gesetz für sich entdeckt hatten, wonach das Pflücken von Beeren und Pilzen in den Wäldern des Nordens dem „Jedermannsrecht“ unterliegt und jeder Mensch steuerfrei so viel von den Naturressourcen ernten darf, wie er nur kann und will. Oder muss.

„The company pay food. Very good“, sagte der Kapo Somphong, schlank und zäh, und sah mich durch seine grobschlächtigen Brillengläser an. Ich befragte ihn in der Küche der alten Schule von Nuottavaara über die Lebens- und Arbeitsumstände der Männer und Frauen hier. Neben uns hatte sein Sohn Platz genommen, ein junger Mann namens Suban, der eine Baskenmütze trug und als Einziger außer Somphong auch Englisch verstand. Er saß geduckt und misstrauisch und aß salzigen Reisbrei mit Kokosmilch, der Vater sprach über die Preise der Beeren. „Very good“, 1 Euro 30 für Preiselbeeren das Kilo, „very good price“ von 7 Euro das Kilo für die exklusive und nur einzeln auf ihren Stämmchen in den Sümpfen gedeihende Moltebeere noch im Juli, „one picker 40 Kilo a day, maybe more. Very good money. We come again, every year.“ An einem Tag könnten fleißige Pflücker 40, 50, ja gar 100 Kilo Beeren ernten, an jedem einzelnen Tag ihres Hierseins, zwei Monate lang – eine unfassbare Menge für jeden, der selbst je einen Eimer mit vier, fünf Kilo Blaubeeren zu füllen versucht hat: Selbst in leicht zugänglichen, flachen und trockenen Waldstücken an einem warmen Tag ist die Arbeit körperlich schwer, sind die Stechmücken nahezu unerträglich.

„I don’t like berries“, sagte Somphong jetzt, „I like come here for money, but it’s very cold in summer“, und mit einem Mal sprang sein Sohn vom Tisch auf. Er zischte seinen Vater in Thai an und sagte, wieder zu uns gewandt, er müsse einen Arbeiter zum Arzt bringen, sofort, wie lange wir wohl noch hier seien? Es mussten die letzten Sätze des Vaters gewesen sein, die ihn aufgebracht hatten, da dieser nämlich kurz die Wahrheit gesagt hatte und vielleicht nun noch mehr ausgeplaudert hätte darüber, wie den Arbeitern von Nuottavaara tatsächlich geschah.

Denn noch hatte Somphong nicht preisgegeben, dass nur er und sein Sohn und dessen Cousin die „agents“ dieses Camps waren, deren Aufgabe es war, immergleiche Geschichten bezüglich Profit und „very good food“ und „very much money for pickers“ zu erzählen, doch keinesfalls mehr. Vom Zettel, einer A4-Notiz auf der Küchentür etwa: Auf Thailändisch stand dort, wie viel jedem Arbeiter von seinem täglichen Ernteertrag gleich wieder abzuziehen sei. 5 Euro für das Wohnen pro Person und pro Nacht zum Beispiel: Die finnische Firma Tessacraft, die die Beerenernte dieses Lagers aufkaufte, verrechnete jedem Arbeiter ergo 300 Euro Miete in zwei Monaten, verdiente an 150 Thailändern derart 45.000 Euro.

Pro Kopf und Tag behielt sie weitere 5 Euro für die Benutzung der Autos aus dem Fuhrpark ein: schrottreife, rostdurchfressene Karossen, die regelmäßig mitten im Wald den Geist aufgaben oder mit gebrochenen Achsen und Aufhängungen unlenkbar in Straßengräben krachten, in denen Arbeiter dennoch zu fünft oder sechst Hunderte Kilometer am Tag zurücklegten, um andernorts Beeren zu finden. Oder vom Essen, das keinesfalls the company, sondern auch die Arbeiter bezahlten, weitere 5 Euro am Tag, abzuliefern an die Agenten. Die dann von Firmen wie Lapin Liha aus Rovaniemi – einem nach außen hin reputierlichen Familienunternehmen – längst alt gewordenes, sonst nur mehr als Hundefutter brauchbares Rentierfleisch geliefert bekamen. Dass die Beerenpflücker im Heimatland allesamt einen überteuerten Kredit aufgenommen hatten mit ihrer Landwirtschaft als Einsatz, um überhaupt hierherkommen zu können, sodass jeder Beerenpflücker 30 bis 40 Kilo Beeren pro Tag, annährend drei Tonnen in zwei Monaten zu sammeln hatte, nur um nicht noch mehr verschuldet in sein Dorf heimzukehren: All das vergaß der „agent“ Somphong Phomphaeng, 56 Jahre alt, mit seinem wirren schwarzen Haar und den selbst dunkelnden Gläsern seiner Brille, an jenem Tag zu erzählen.

Nur all die anderen Männer hätten es erzählen können, die Arbeiter, die jetzt allmählich aus dem Wald in nassen und schmutzigen Kleidern zurückkehrten. Um uns herumgingen oder schwach dastanden, sogar auf den Fotografien stehen sie schief und gebückt, nicht aufrecht, und die wie gehetzt zum Essen liefen, nur um danach noch einmal – die Dunkelheit bricht schon herein – ein letztes Mal hinauszufahren. Wie Somchai Poonsab es tat vor ein paar Wochen, an seinem dritten Tag im Dorf Kursu bei Salla, kurz nachdem er das ganze Ausmaß der Katastrophe eingesehen haben musste auf der verzweifelten Suche nach einer letzten Kiste Beeren.

Moderne Arbeitssklaven in einer globalen Welt

„Ich kann eigentlich nichts mehr einkaufen. Gar nichts mehr. Seit ich weiß, woher alles kommt.“ Die Aktivistin Junya Lek Yimprasert kannte das Geschäft mit den land- und rechtlos gemachten modernen Sklaven. In den vergangenen zwanzig Jahren war sie nach Spanien (Gurken, Tomaten) gereist und nach Israel (Orangen), nach Polen (Kartoffeln), in die Niederlande (Tulpen) und nach Deutschland (Spargel), immer an Orte, wo ihren Landsleuten Ähnliches widerfuhr. Wie jetzt in Finnland. Einen Dokumentarfilm über die Machenschaften der Beerenindustrie haben Richard Thompson Coon und Junya gedreht, er heißt „Blueberry Fiasco in Sweden 2009“ und läuft seit mehr als einem Jahr auf YouTube. Wie einsam und resonanzlos ihr Kampf gegen die allsommerliche Ausbeutung Tausender Thailänder in Skandinavien verläuft, steht darunter als Zahl: Bisher wurde der Film 503-mal aufgerufen.

Im Winter wohnen Somphong Phomphaeng, 56, der „agent“, seine Frau und seine Söhne im Nordosten Thailands mit seinen 17 Millionen Kleinbauern. Und seine im Ausland lebende Tochter – verheiratet mit einem Schweden –, die vor einigen Jahren die Idee hatte, Arbeiter aus ihrem Heimatdorf anzuwerben für die Wälder von Lappland, wo ja tatsächlich so viele Beeren wachsen, dass für alle genug da ist. Sie beriet die Idee mit einer schwedischen Firma, die Marmeladen und Säfte aus den Beeren macht und schon immer Beeren aufkaufte, erst von Einheimischen, die sich dann einen Fernseher oder eine Gefriertruhe leisten konnten, und später von Russen und Ukrainern, für die es immer noch gutes Geld war. Die lokalen Banken daheim in Thailand waren damit einverstanden, einen Kleinkredit anstatt für Saatgut nun einmal für ein Flugticket und ein Visum vorzustrecken, und ein paar Dutzend mutige Reisbauern machten sich auf den Weg und verdienten tatsächlich so reichlich, dass sie nach ihrer Heimkunft das Haus renovieren oder eben eine ihrer Töchter in die Schule schicken konnten. Alle hatten in bescheidenem Rahmen ein gutes Geschäft gemacht. Der perfekte Pflücker war erfunden. 2009 waren insgesamt über 10.000 Thailänder in den Wäldern Nordskandinaviens im Einsatz. Nach Einführung einer Art Meldepflicht in Schweden wurden im Sommer 2012 noch 5.404 Thailänder als Pflücker genehmigt, aber es gibt keine ernsthaften Kontrollen vor Ort.

Das Zusammenleben war schnell geregelt. In den ersten Jahren hätten laut dem Dorfbürgermeister Veli Ajanki die Bewohner oft mit allerlei Beschwerden angerufen: „Es war wohl auch ein wenig Angst dabei bei jenen, die dunkelhäutige Menschen zum ersten Mal sahen.“ Er erfand im Laufe der Jahre Regeln, die immer elaborierter wurden. Gemeinsam mit Somphong kam man überein, Karten zu verwenden, versehen mit roten Arealen, die nicht von den Thailändern leergegrast werden sollten, nicht näher als zwei Kilometer am Dorf sollten sie pflücken und, als Meisterstück der Einfachheit, die Faustregel: Wenn du ein Haus siehst, dann musst du umdrehen. Es gehe jetzt gut, sagte Veli, natürlich seien derzeit die Thailänder in der Mehrzahl im Dorf, aber auch denen gehe es gut, „weshalb sonst würden sie jedes Jahr wiederkommen?“

Hatte ich diesen Satz nicht schon oft gelesen in den Artikeln finnischer und schwedischer Blätter? Jedes Jahr sprossen sie aus den Zeitungsseiten wie Pilze aus feuchtem Waldboden, Homestorys aus Orten wie Nuottavaara, wenn wieder ein Reporter samt einem Fotografen ins Lager gefahren kam und sich mit den Thailändern unterhalten hatte, aber mit wem genau? Mit den Agenten und deren Clans, die als Einzige Englisch sprachen, die als Einzige überhaupt anzutreffen waren am helllichten Tage.

Die Beerenpflücker aber, sie waren um vier, manche schon um drei Uhr früh aufgebrochen, mit einem Proviantpaket unter dem Arm in ihre Autos gestiegen und würden auch diesmal nicht vor zehn Uhr am Abend zurückkehren – wie an jedem Tag ihres Hierseins.

Der Unternehmer fährt jetzt Porsche

Von ihrem Wiederkommen profitieren selbstredend die Unternehmer. Richard Thompson Coon hatte sie besucht, den Besitzer von Lapin Liha (Lapplands Fleisch) etwa, der seit Kurzem einen weißen Porsche fuhr mit feuerroten Bremsblöcken: „Weil er es sich verdient hat! So hat er es mir gesagt.“ Und auf Richards Frage, ob Lapin Liha zum größten der Beeren verarbeitenden Unternehmen in Lappland heranwachsen wolle, kam die ehrliche Antwort: „Nein. Damit auch die anderen ein wenig von dieser Scheiße abbekommen.“

Richard erzählte vom Chef von Riitan Herkku (Riitas Köstlichkeit) – persönlich war dieser Unternehmer einmal nach Thailand gereist, um hemdsärmlig im Reisfeld eine Art kosmischer Abbitte zu leisten und coram publico gleich neue Rekruten anzuwerben. Und die Agenten? In Thailand habe es kürzlich eine Schießerei gegeben, und einer der „agents“ sei dabei ums Leben gekommen, ein Territorialstreit sozusagen, wer als Nächster die Bauern anwerben dürfe, auf dass sie im nächsten Sommer wieder ein Kontingent Menschen verfrachten könnten. Nach Lappland, in diesen lichten und unheimlichen, mit Sümpfen und Kargstellen durchwirkten Wald. Zum Beerendienst.

Epilog: Die Ursache des Todes von Somchai Poonsab wurde nie vollständig geklärt. Im Januar 2011 veröffentlichte die Polizei eine Verlautbarung, nach der sich die Todesursache aufgrund des fortgeschrittenen Zerfalls am Leichnam nicht mehr mit absoluter Sicherheit habe feststellen lassen. Ein Verbrechen sei doch mit großer Wahrscheinlichkeit auszuschließen.

Die Dorfvereinigungen der Gegend hatten schon lange vor dieser Auskunft angefangen, Gelder für die Familie des Umgekommenen, für seine Frau und drei Kinder im Vorschulalter, zu sammeln. Als endgültiger Betrag wurden 5.728,15 Euro an die Witwe in Thailand überwiesen.

Thomas Brunnsteiner, 38, lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern im lappländischen Dorf Vaattojärvi, wo er den thailändischen Beerenpflückern jeden Sommer begegnet. Diese Geschichte verfasste er für das Magazin Reportagen (reportagen.com), in dessen aktueller Ausgabe der Text in Originalversion erscheint

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