Abgeordneter über Entschädigungen: „Ein Verrechnen darf nicht sein“
Der Bundestagsabgeordnete Ottmar von Holtz sagt, eine finanzielle Entschädigung für den Völkermord könnte die Landreform in Namibia unterstützen.
![Gruppenbild von Herero und Nama vor dem Bezirksgericht in New York Gruppenbild von Herero und Nama vor dem Bezirksgericht in New York](https://taz.de/picture/3802468/14/107159553.jpeg)
taz: Herr von Holtz, nach dem Völkermord an den Ovaherero und Nama hat die deutsche Kolonialverwaltung in Namibia das Land enteignet. Welche Verantwortung trägt Deutschland heute dafür?
Ottmar von Holtz: Deutschland ist als ehemalige Kolonialmacht in vielerlei Hinsicht verantwortlich für das, was heute in Namibia getan werden kann und zum Teil auch getan werden müsste. Dazu gehört die Frage des Landbesitzes. Deutschland würde seiner Verantwortung gerecht werden, wenn es sich im Zuge der Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit proaktiv anbieten würde, zum Beispiel Vermittlungsgespräche zwischen deutschen Farmern in Namibia und der namibischen Regierung zu führen, um die Landreform voranzubringen.
Die namibische Regierung sagt, sie habe nicht genug Geld, um die Farmen für die Umverteilung aufzukaufen. Müsste nicht Deutschland hier Entschädigung zahlen?
Das könnte ein Teil der Vereinbarung zwischen Namibia und Deutschland sein. Seit Jahren steht im Raum, dass Deutschland neben der Bitte um Entschuldigung und der Anerkennung, dass es ein Völkermord war, eine Art Zahlung leistet, wie immer die dann heißt. Juristen im Auswärtigen Amt sind vorsichtig, wie man das formuliert. Ich nenne das Entschädigungszahlungen. Ein Teil der Entschädigung könnte sein, die Landreform finanziell zu unterstützen.
Wie ist der Stand der Verhandlungen zwischen der namibischen und der deutschen Regierung?
Die Verhandlungen sind leider seit langer Zeit auf Eis gelegt. Mein Verdacht ist, dass es an den Wahlen liegen könnte, die Ende November in Namibia stattfinden. Ich glaube, dass es im Moment tatsächlich eher an der namibischen Seite liegt, dass die Gespräche nicht weitergehen.
Wirkt es sich auf die Landreform aus, dass diese Verhandlungen schleppend verlaufen?
Ja, ein Abschluss würde bedeuten, dass wir endlich Projekte angehen könnten, an denen sich Deutschland auch beteiligt. Solange das nicht der Fall ist, haben wir die ganz normale Entwicklungszusammenarbeit, die aber die Fragen der Landverteilung und des Ahnenlands nicht im Blick hat.
Die Bundesregierung hat Reparationen auch mit dem Hinweis abgelehnt, man zahle das höchste Pro-Kopf-Entwicklungsgeld an Namibia. Ovaherero und Nama sagen, das Geld komme nicht bei ihnen an.
Dass Namibia die meisten Entwicklungsgelder pro Kopf bekommt, hat mit der Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit gar nichts zu tun. Ich werde auch sehr genau darauf achten, dass mit einer Zahlung im Rahmen der Völkermordaufarbeitung die Entwicklungszusammenarbeit nicht reduziert wird. Ein Verrechnen dieser beiden Zahlungen darf nicht sein. Es ist zwingend erforderlich, dass es Zahlungen wegen des Völkermords nur in Regionen geben darf, wo schwerpunktmäßig die Nachfahren der damaligen Opfer leben. Es ist nicht einfach, das nach einem ethnischen Prinzip zu verteilen, weil das schon über 100 Jahre her ist und viele Familien in der Zwischenzeit multiethnisch sind. Aber man kann das Geld unter der Kondition auszahlen, dass es nur in Regionen eingesetzt werden darf, wo schwerpunktmäßig Herero oder Nama leben.
Glauben Sie, dass der Konflikt der Landverteilung entschärft wäre, wenn der Genozid anerkannt wäre und Deutschland sich offiziell entschuldigte?
Ich glaube, dass die Frage zuerst in Namibia gelöst werden muss. Man stößt bei weißen Farmern durchaus auf Verständnis, was die Landfrage an sich angeht, aber was ich vermisse, ist das Geschichtsbewusstsein. Weiße Farmer vertreten ihre sicherlich berechtigten rechtlichen Interessen, aber das Bewusstsein, dass sie sich im historischen Kontext in einer bestimmten Rolle wiederfinden, ist zu wenig ausgeprägt.
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