piwik no script img

Impeachmentverfahren in USATrump spürt den Gegenwind

Im US-Repräsentantenhaus beginnen die Anhörungen im Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump. Die Stimmung wendet sich gegen ihn.

Es ist kalt und windig: Präsident Trump am Dienstag in New York Foto: Andrew Harnik/ap/dpa

NEW YORK taz | Als das Impeachment-Verfahren gegen Richard Nixon 1973 live übertragen wurde, klebten zwei Drittel der US-AmerikanerInnen am Bildschirm, und die Popularität des Präsidenten stürzte ab. Donald Trump und seine Vertrauten erleben schon im Vorfeld der am Mittwoch beginnenden öffentlichen ZeugInnenaussagen im Repräsentantenhaus, wie sich die Stimmung gegen sie ändert.

Am Montag wird der US-Präsident beim Veteranentag in New York ausgebuht. Sein gleichnamiger Sohn verlässt in Kalifornien fluchtartig den Saal, als er bei der Vorstellung seines Buches wegen der zahlreichen Zwischenrufe nicht zu Wort kommt. Trumps persönlicher Anwalt Rudolph Giuliani, der die Schattenaußenpolitik in der Ukraine organisiert hat, lässt sich kaum noch im TV sehen.

Und im Weißen Haus wirft die Möglichkeit von Verrat ihre Schatten voraus. Unter anderem nutzt der gegenwärtige Stabschef, Mick Mulvaney, der wie viele SpitzenmitarbeiterInnen von Trump nur vorübergehend im Amt ist, die Vorladung vor den Ausschuss, der er bislang keine Folge geleistet hat, um Druck auf seinen Boss auszuüben.

Nach zwei Monaten ZeugInnenaussagen hinter verschlossenen Türen öffnet der kalifornische Demokrat Adam Schiff die Impeachment-Anhörungen ab Mittwochvormittag für die Öffentlichkeit. Damit nimmt er zugleich auch den Verschwörungstheorien über das angeblich undemokratische Gemauschel hinter verschlossenen Türen die Macht.

Mit Ablenkungen und Beleidigungen

Und die Republikaner, die vor wenigen Wochen in einem spektakulären Auftritt die Regeln des Kongress verletzt haben und mit Handys und Kameras in eine Ausschusssitzung hineingeplatzt sind, müssen sich fortan damit arrangieren, dass sie nichts mehr behaupten und unterstellen können. Trump ist längst in die beleidigende Gegenoffensive gegangen. Auf Twitter beschimpft er Schiff als „korrupt“, als „Verräter“ und „Manipulator“.

Die republikanische Partei versucht vom eigentlichen Thema der öffentlichen Ausschusssitzungen mit Vorschlägen für immer neue Zeugen abzulenken, die Schiff und mit ihm die demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus nicht vorladen will.

Unter anderem wollen die RepublikanerInnen den anonymen Whistleblower öffentlich hören, der das Telefonat bekanntgemacht hat, in dem Trump Druck auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski ausgeübt hat, damit er Ermittlungen gegen seine US-amerikanischen politischen WidersacherInnen einleitet. Die RepublikanerInnen drängen auch darauf, den Sohn von Ex-Vizepräsident Joe Biden vorzuladen.

Stattdessen werden als Erste langjährige RegierungsmitarbeiterInnen vor die Kameras treten, die über den Verdacht von Parteilichkeit erhaben sind. Viele von ihnen haben zuvor schon hinter verschlossenen Türen ausgesagt und dabei die Vorwürfe des Whistleblowers bestätigt.

Schatten-Außenpolitik in der Ukraine

Der amtierende US-Botschafter in der Ukraine, William Taylor, eröffnet den Reigen. Als er in diesem Jahr von Trump in die Ukraine geschickt wurde – wo er bereits unter George W. Bush und Barack Obama als Botschafter gedient hatte –, fand er dort „verwirrende und alarmierende Zustände“ vor. Dazu gehörte, so Taylor, dass Trumps privater Anwalt Giuliani eine Art parallele Außenpolitik betrieb.

Die geschasste Ukraine-Botschafterin, Marie Yovanovitch, ebenfalls eine der frühen öffentlichen ZeugInnen des Impeachment-Verfahrens, ist vermutlich selbst ein Opfer von Giulianis Schatten-Außenpolitik geworden. Dessen ukrainische Vertrauensleute intrigierten gegen Yovanovitch, bis Trump sie abberief.

Was bisher als Gerücht galt, wird ab Mittwoch öffentlich. Alle werden zusehen können

Mit den Fernsehauftritten werden die AkteurInnen, die bislang im Hintergrund aussagten, zu öffentlichen Figuren. Und die Einzelheiten der Erpressungsversuche von Trump gegen den ukrainischen Präsidenten, die bislang wie Gerüchte erschienen, können mit Namen und Daten gefüllt werden.

Eine der vielen offenen Fragen ist es, wie viel der ukrainische Präsident bei dem Telefonat über den Erpressungsversuch wusste. Eine andere ist, ob Giuliani, der in dem Impeachment-Verfahren wie die Hauptperson neben Trump wirkt, im präsidentiellen Auftrag gehandelt hat.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • •Anders als Richard Nixon, der 1974 seinen Rücktritt vom Präsidentenamt in der Gewissheit erklärte, einem Impeachment zu entgehen, von seinem Nachfolger im Amt dem Republikaner Gerald Ford in erster Amtshandlung amnestiert zu werden, wird Trump seinem Impeachment nicht entgehen, weil er sich mit Klauen und Pfoten gegen anschwellend öffentliche Forderungen verweigert, zurückzutreten, und auch von keinem Nachfolger im Amt amnestiert werden, weshalb er womöglich im Hintergrund sondiert, ob er in Russland, Türkei, Nordkorea gegebenenfalls in vernetzter Special Amigo Friendship politisches Asyl erlangt.



    •Vielleicht sogar deshalb Nordkorea im Geschwindschritt verdeckt zur erstschlagfähigen Atommacht befördern will?

  • "Nach zwei Monaten ZeugInnenaussagen hinter verschlossenen Türen öffnet der kalifornische Demokrat Adam Schiff die Impeachment-Anhörungen ab Mittwochvormittag für die Öffentlichkeit."

    Und prompt ging es schief. George Kent, einer der beiden Hauptbelastungszeugen, hat ausgesagt, daß die Ukraine eine Untersuchung starten sollte, mit dem Ziel herauszufinden, ob die Firma Burisma Bestechungsgelder zahlte um eine gegen sie gerichtete Korruptionsuntersuchung abzuwürgen.

    Ach Schiffy, die ganze Impechmentfarce ist so, Verzeihung, "abgef*ckt", daß sie versehentlich die Bidenkorruption ins Zentrum rückt.

  • "Trump spürt den Gegenwind ... Die Stimmung wendet sich gegen ihn."

    Es würde mich freuen, aber wenn ich die Umfrageergebnisse sehe glaube ich noch nicht daran. Trump´s Basis läßt sich nicht durch Fakten beirren.



    Und Trump ist sicher nicht der Hellste, aber dass er die Mehrheit im Wahlgremium erhalten kann ohne die Mehrheit der Stimmen zu bekommen, das weiß er. Und genau darauf zielt seine Rhetorik ab.



    Und dann wird noch ziemlich lange offen sein, wer bei den Demokraten das Rennen machen wird. Gut möglich, dass Trump eine/n Gegenkandidatin/Gegenkandidaten erhält, die/der für die kleine Gruppe an Wechselwilligen nicht wählbar ist.



    Aus dem Grund: "Die Stimmung wendet sich gegen ihn." enthält noch "ein bisserl" Wunschdenken. Leider.

  • Derweil rufen junge französische Frauen in musikalischer Form zur Wiederwahl von Trump auf: "One more time with Donnie (song for Trump)", guckste hier: www.youtube.com/watch?v=BPkKRRx67Ck

  • Liebe Taz Redaktion.

    So gern ich Ihre Artikel auch lese. Alle Artikel über Trump suggerieren stets wie knapp es um Ihn bestellt ist, und das er bald nicht mehr im Amt ist. Dieser Mann wurde schon 20 Mal ausgezählt und er ist immer noch da. Der Mann hat bald 3/4 seiner Amtszeit überstanden und wird es auf eine zweite Anlegen. Bitte schreiben Sie solche Titel lieber nur noch wenn es konkret wird. Das das glaubt kein Mensch mehr solang das nicht wirklich entschieden ist.

  • Die eine eine Frage - aber denn doch.

    Wo steckt eigentlich dieser Schlauberger grad - der noch unlängst ungefragt Rat a taz erteilte - “…die Demokraten sollten sich um wichtigere Dinge kümmern.“ ? ?(o.s.ä.)

    kurz - pretty pitty - wa! 👻

  • "Sein gleichnamiger Sohn verlässt in Kalifornien fluchtartig den Saal, als er bei der Vorstellung seines Buches wegen der zahlreichen Zwischenrufe nicht zu Wort kommt"

    Eventuell interessantes Detail: Die "heckler" waren "alt-right" und weitere Rechtsextreme, die bisher eigentlich geschlossen das System Trump unterstützt haben

    • @Yodel Diplom:

      Weitere Ergänzung: Trump Jr.'s Buch heisst "triggered" und handelt davon, wie die linken angeblich den Diskurs unterdrücken würden. Als er dann bei seiner eigenen Lesung keine Fragen zulassen wollte, sind ihm seine (ehemaligen) rechtsaußen-Fans dann ordentlich in die Seite gefallen.

      • @Hauke:

        Stimmt, das Detail hatte ich vergessen zu erwähnen.

        Großartig war auch die Reaktion seiner Freundin die dann sagte "Ich hoffe ihr macht alle Online-Dating, denn ihr beeindruckt hier heute echt niemanden!" (frei übersetzt) - ich meine wer sagt sowas? Was soll das überhaupt für eine Beleidigung sein?

        Das ist echt unglaublich skurril.