Bedrohte Sportart: Sozialer Kastanienkampf

Karen Holloway ist Weltmeisterin im Conkern. Sie kann besser Kastanienkaputtklackern als die Konkurrenz – besser auch als die männliche.

Eine Kastanie, die an einem Band hängt

Prachtexemplar und absolut wettkampftauglich: Ein Kastanie wie zum Conkern gewachsen Foto: Suzanne Plunkett/reuters

Die erste Gesamt-Weltmeisterin im Kastanienkaputtklackern, im Conker also, hatte am Ende nur einen Wunsch: endlich trockene Kleidung anzuziehen und etwas zu essen. Das lag nicht nur am traditionellen englischen Regenwetter, sondern auch daran, dass Karen Holloway eine ganz besonders anstrengende Anreise nach Ashton, dem traditionellen Austragungsort der WM, hinter sich hatte.

Die 32-Jährige legte nämlich einen Teil der Strecke mit dem Kanu zurück. Am Ende hatten sich die Anstrengungen für Holloway gelohnt, im erstmals zwischen dem Männer-Weltmeister und der Frauen-Weltmeisterin ausgetragenen großen Finale errang sie den Titel. Und das, obwohl sie lediglich als Kind einmal geconkert hatte und am Vorabend der WM nur 20 Minuten lang geübt hatte.

Conker ist eben ein simple Sportart: Das Spielgerät, wenig überraschend, ist eine möglichst große und gleichmäßig geformte Kastanie. Die wird mittig durchbohrt und eine an beiden Enden verknotete, 25 Zentimeter lange Schnur hindurchgeführt. Zwei Kontrahenten versuchen nun das gegnerische Sportgerät mit einer schwingenden Bewegung zu treffen und zu zerstören. Fällt es auf den Boden, darf es unter dem Ruf „Conker“ zertrampelt werden– aber nur, wenn der Besitzer nicht schneller ist und „No Conker“ gerufen hat.

Seit 1988 dürfen auch Frauen an der WM teilnehmen. Die Anlageberaterin Liz Gibson, Titelträgerin des Jahres 2002, nannte die Sportart „eine ganz wundervolle Möglichkeit, sich in einer entzückender Umgebung so exzentrisch zu gebärden, wie man gerade Lust hat“. Aber auch im Conker gibt es keine heile Sport­idylle.

Gedopte Kastanien

Bei den Weltmeisterschaften wird zwar akribisch darauf geachtet, dass keine gedopten Kastanien zum Einsatz kommen, aber bei Straßen-Wettbewerben ist das anders. Wie Schalen am besten künstlich gehärtet werden können, wird jeden Herbst aufs Neue erprobt. Manche setzen auf mehrtägige Essigbäder oder das Auftragen mineralölhaltiger Substanzen, andere auf die Wirkung von Tiefkühlfächern und Backöfen.

Bei der WM stellen die Veranstalter die Kastanien, was nicht immer einfach ist, denn auch in Großbritannien werden die Bäume regelmäßig von Miniermotten befallen und produzieren dann nur kleine, nicht wettbewerbswürdige Früchte. Im Buch „Wild London: Urban Escapes in and around the City“ befürchten die Autoren Sam und Sophie Hodges, dass Conker eines Tages sogar völlig verschwinden könnte. Denn einerseits werden zunehmend gegen Mottenbefall immune indische Rosskastanien gepflanzt, deren kleine Früchte gänzlich ungeeignet sind, andererseits ist die Sportart auf den meisten britischen Schulhöfen aufgrund der Verletzungsgefahr verboten.

Ein Verschwinden würde das Ende einer ausgesprochen sozialen Sportart bedeuten. So gehen die WM-Einnahmen ausnahmslos an Blinden-Verbände. Außerdem gibt es die Conker-WM zwar erst seit 1965, als laut Wadard Conker Association (WCA) den Einwohnern von Ashton das Fischen allein zu langweilig wurde und sie das Turnier erfanden, aber es ist natürlich weit traditionsreicher. Zum ersten Mal wurde es 1848 auf der Isle of Wright urkundlich erwähnt, wobei es vermutlich auf Cobnuts basiert, einem noch älteren Zeitvertreib, der mit Haselnüssen ausgeübt wurde.

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Schreibt nicht nur über Sport, sondern auch über Verschwörungsideologien, skandinavische Politik und Königshäuser. *** Die ersten Artikel für den taz-Sport gestalteten sich allerdings etwas schwierig: Mit den Worten "Wie, die schicken uns heute eine Frau?" wurde ich beispielsweise vor Jahren von einem völlig entsetzten Vorsitzenden eines Westberliner Fünftligavereins begrüßt. Da war er also, der große Tag, an dem über seinen Club in der taz berichtet werden würde, und dann das: Eine Frau! Ich antwortete ja, ich sei die Strafe und sofort war die Stimmung super. *** Und eines Tages werde ich über diesen Tag und andere, sagen wir: interessante Begegnungen mal ein Buch schreiben.

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