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Es ist nicht gerade die Liebesheirat, sondern eher eine pragmatische Partnerschaft: die neue Kenia-Koalition in Brandenburg. Rot-Schwarz-Grün, Vernunftehe mit einem Funken Euphorie
Von Stefan Alberti
Es ist 11.16 Uhr an diesem Mittwochmorgen im Potsdamer Landtagsgebäude, als sich dort Historisches ereignet. Jedenfalls aus Sicht der Grünen. In der Mitte des Plenarsaals, einem nüchternen weißen Kasten in hartem Kontrast zur barocken Hülle des Parlaments, hebt eine knapp einssechzig große Frau die Hand zu einem Eid auf die Verfassung, der sie zur stellvertretenden Ministerpräsidentin Brandenburgs macht. Zehn Jahre hat Ursula Nonnemacher als Abgeordnete in diesem Raum gesessen, erst in einer fünf-, dann in einer sechsköpfigen Grünen-Fraktion, hat sie gemeinsam mit Axel Vogel geführt, der kurz nach ihr ebenfalls zum Minister vereidigt werden wird.
Am vorangegangenen Wochenende haben ihre Parteifreunde in Bielefeld viel über eine künftige Regierungsbeteiligung auf Bundesebene geredet. Doch verglichen mit Brandenburg sind die Grünen quasi erst gestern aus dem Bundeskabinett raus: Während sie dort in der Ära Fischer bis 2005 mitregierten, stellten sie in Potsdam zuletzt 1994, also vor einem Vierteljahrhundert, zwei Minister, nämlich Marianne Birthler und Matthias Platzeck. Was sie allein Bündnis 90 zu verdanken hatten, denn die damals noch nicht fusionierten Grünen hatten es bei der ersten Landtagswahl nach der Wende gar nicht ins Parlament geschafft.
Nun also endlich wieder an der Macht, aber mit Partnern, die vor der Wahl weit entfernt schienen. Zusammen mit der CDU hatten die Grünen noch im Wahlkampf eine Spende an die SPD moniert, Mauschelei vermutet und Akteneinsicht gefordert. SPD-Chef Dietmar Woidke wiederum, den seit 2013 regierenden Ministerpräsidenten, hielten vor vier Monaten die wenigsten für Grünen-kompatibel. Dann aber rückten die beiden aufeinander zu: Woidke, der sich auf die Grünen einließ, die Grünen, weil sie akzeptierten, dass Woidke als dritten Partner nicht die Linkspartei und Rot-Rot-Grün wie in Berlin, sondern die CDU dabeihaben wollte.
Dabei hatte die Grünen am Wahlabend am 1. September bei ihrer Feier im obersten Stock des Hotels Mercure, eines der höchsten Gebäude Potsdams, eine gewisse Ernüchterung überfallen. 10,8 Prozent und zehn Abgeordnete im 88-köpfigen Brandenburger Landtag sind zwar weit mehr als bisher und das erste zweistellige Grünen-Ergebnis bei einer ostdeutschen Landtagswahl. Aber in den Umfragen lag die Partei noch zwei Tage vor der Wahl über 14 Prozent, im Juni sogar noch fast gleichauf mit der SPD bei 17 – sodass Nonnemacher bei einem Parteitag so weit ging zu sagen, sie sei auch für das Amt der Ministerpräsidentin bereit.
Es ist nicht gerade eine Liebesheirat, sondern eher eine pragmatische Partnerschaft, eine Art Vernunftehe, was die Parteivorsitzenden tags zuvor mit dem Koalitionsvertrag unterschrieben haben und was nun im Weiß des Plenarsaals Verfassungsrang bekommt. Wenn trotzdem auch bei den Grünen Euphorie durchklingt, dann hat das weniger mit den Partnern zu tun als mit der Möglichkeit, endlich im Land gestalten zu können. Eine „Brandenburg-Koalition“ und eine „Koalition der Mitte“ hat SPD-Chef Woidke das neue Bündnis genannt, als die drei Partner den Koalitionsvertrag vorstellten, „für eine große Mehrheit der Menschen in unserem Land“.
Das klang so, als ob er das auch „Kenia“ genannte rot-schwarz-grüne Bündnis jenen in seiner Partei entgegenhielt, die in Rot-Rot-Grün in Berlin und seit Mitte August auch in Bremen die Blaupause für eine künftige Bundesregierung sehen.
Dass Euphorie kein Wert an sich ist, lässt sich jenseits der Landesgrenzen im Senat und im Abgeordnetenhaus beobachten – während der brandenburgischen Koalitionsverhandlungen zerbrach das Berliner Bündnis fast an den Details des Mietendeckels. Gestartet im Sinne von „Da kommt zusammen, was zusammengehört“, prägen seit Längerem Streit und gegenseitiges Misstrauen die rot-rot-grüne Landesregierung.
Was im Gegenzug bedeuten könnte: Wenn in Potsdam die Grünen mit SPD und CDU emotional nicht viel verbindet, ist auch die Enttäuschung bei einem ersten fehlgeschlagenen Projekt nicht so groß, dass die sofort für tiefe Narben sorgt. Ohnehin scheint eine gewisse Bereitschaft zum Konflikt in dieser Kenia-Koalition sowieso eingebaut: Die Flagge des namensgebenden Landes zeigt nämlich nicht allein die immer zitierten Parteifarben Rot, Schwarz und Grün, sondern auch noch einen Schild mit zwei Speeren.
Neu und bunt: Die Kenia-Koalition in Brandenburg 44–45
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