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Es hat Boom gemacht

18 Schweinswale sind nach einer Minensprengung verendet. Eigentlich gäbe esbereits Alternativen, um die Weltkriegsmunition aus Nord- und Ostsee loszuwerden

Kein natürlicher Rückenschwimmer: Schweinswal in der Ostsee Foto: Matthias Meinsen/dpa

Von Esther Geißlinger

Heller Bauch, dunkler Rücken, schlanker Leib: Schweinswale sind die einzigen Wale, die dauerhaft in Nord- und Ostsee leben. Doch die Säugetiere, die rund 1,80 Meter lang werden können, sind bedroht. Besonders eine Population, die zwischen Fehmarn, Darß und östlich davon lebt, besteht nur noch aus 300 bis 600 Tieren. Ausgerechnet diese ohnehin kleine Gruppe könnte etwa 18 Tiere eingebüßt haben, als im Rahmen eines Marine-Manövers mehrere Minen unter Wasser gesprengt wurden.

Die Explosionen sind für die Tiere tödlich, selbst wenn sie sich viele Kilometer vom Spreng-Ort entfernt aufhalten, berichtet Dagmar Struß, die Leiterin der Nabu-Landesstelle Schweinswalschutz: „Das feine Biosonar, mit dem die Tiere sich orientieren, wird durch den Knall zerstört.“ Die besondere Tragik: Die Sprengung geschah im August, also in der Zeit, in der die Wale sich paaren. „Damit ist auch noch die nächste Generation betroffen“, sagt Struß.

Die Landesstelle Schweinswalschutz befasst sich seit 2014 mit dem Zustand der Meeressäuger und den Veränderungen in der Ostsee: „Am Schweinswal lassen sich viele Probleme zeigen: das Abnehmen von Muschelbänken, der zunehmende Lärm, der schrumpfende Schonraum“, sagt Struß. Auf die Wale haben diese Veränderungen dramatische Folgen. Normalerweise werden die Tiere 20 oder mehr Jahre alt, doch in der Ostsee ist die Lebenserwartung auf unter vier Jahre gesunken. „Da Weibchen aber erst mit drei bis vier Jahren geschlechtsreif werden, können sie mit vier bis fünf Jahren das erste Kalb bekommen – wenn sie statistisch nicht mehr am Leben sind“, sagt Struß.

Viele der Tiere verenden in Stellnetzen. Für Struß ist es aber verkürzt, den „Schwarzen Peter einzig an die Fischerei“ zu schieben: „Wenn die Tiere durch Lärm taub geworden sind, sind sie orientierungslos und erkennen die Netze nicht.“ Ohne ihr Sonar seien Wale praktisch hilflos, da ihre Augen nicht sonderlich gut seien: „Die schwimmen vielleicht noch eine oder zwei Wochen, dann sind sie verhungert.“

Verendete Wale werden in Büsum im Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung untersucht, einer Außenstelle der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Die dortige Institutsleiterin ist Expertin für das Gehör von Walen. Sie kann feststellen, ob der Säuger einen Hörschaden hatte und ob der durch einen scharfen Einzelknall oder durch Dauerkrach entstanden ist.

Bergen statt Sprengen

Über 1,6 Millionen Tonnen konventioneller und chemischer Kampfmittel liegen nach Expertenmeinung in der Nord- und Ostsee. Die Altlasten der Weltkriege verrosten langsam, giftige Inhaltsstoffe treten aus.

Minen, die Schiffe oder Fischerei stören, werden entweder geborgen oder unter Wasser gesprengt.

Eine Gruppe aus Fraunhofer Institut, Uni Leipzig, Heinrich Hirdes EOD Services GmbH und Automatic Klein GmbH hat das Robotische Unterwasserbergungs- und Entsorgungsverfahren entwickelt.

Bei dem RoBEMM-Verfahren hebt ein Roboterfahrzeug unter Wasser die Mine in einen Kasten. Sie wird später an Land vernichtet. Mit diesem Verfahren könnten nach Meinung der Herstellergruppe 70 bis 100 Prozent der Minen geräumt werden.

Nicht nur wegen des Lärms seien Minensprengungen ein Problem: „Gift wie Quecksilber oder Kadmium verbreitet sich im Meer“, sagt auch Dagmar Struß. Die NATO macht regelmäßig sogenannte „Historical Ordnance Disposal Operations“ – also Altlastenbeseitigung in Nord-, Ostsee und Atlantik. Laut dem Kieler Umweltministerium werden dafür Taucher und automatische Bergungssysteme eingesetzt. Teilweise gelten Blindgänger aber als „nicht-bergungsfähig“. Sie werden gesprengt. Allein in der Kieler Bucht liegen bis zu 700 englische Minen, darunter auch die 42, die die NATO entlang des Seeweges „Kiel-Ostsee-Weg“ im August und September zerstörte.

Protest kam von Schleswig-Holsteins Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne): „Ich erwarte von Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer, dass sie den internationalen Schutzstatus der Schweinswale achtet und auf Sprengungen von Munition verzichtet.“ Er verwies auf Alternativen zur Sprengung wie das automatische RoBEMM-Verfahren (siehe Kasten). Allerdings gibt es bisher nur einen experimentellen „Demonstrator“, heißt es aus dem Ministerium. Die Politik müsse nun zügig entscheiden, ob dieses Verfahren eingesetzt wird. Nicht nur Schifffahrt und Natur sind von Seeminen bedroht, auch geplante Offshorewindparks.

Immerhin hat die Umweltministerkonferenz den „Einstieg in die geordnete Bergung“ beschlossen. Albrecht fordert: „Der Bund muss jetzt die geforderte Gesamtstrategie zur Beseitigung von Munition im Meer angehen.“

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