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Rheinland-Pfälzer Schüler triumphiertSchach-Großmeister mit 14

Beim Grand-Swiss-Wettbewerb wird der Saulheimer Vincent Keymer jüngster Großmeister der deutschen Geschichte – und lässt hoffen.

Mit fünf Jahren Schach gerlernt: Vincent Keymer Foto: dpa

BERLIN taz | Mit der abschließenden dritten Niederlage in elf Partien und 4,5 Punkten konnte Vincent Keymer nicht ganz zufrieden sein. Dass der Schüler aus dem rheinland-pfälzischen Saulheim dennoch glücklich von der Isle of Man abreiste, lag an seinen Leistungen in den ersten neun Runden beim mit Weltklasse-Spielern gespickten Grand-Swiss-Wettbewerbs. „Es ist toll, die dritte Großmeister-Norm hier bei diesem extrem stark besetzten Turnier erreicht zu haben. Ich freue mich sehr darüber“, sagte Keymer. Durch den Erfolg steigt er im Alter von 14 Jahren und elf Monaten zum jüngsten Großmeister der deutschen Schach-Geschichte auf.

Zum Vergleich: Der legendäre US-Amerikaner Bobby Fischer hatte 1959 mit 15 Jahren einen lang anhaltenden Rekord aufgestellt, als der Weltmeister von 1972 über Jahrzehnte der jüngste Großmeister blieb. Peter Leko steigerte diese Bestmarke 1994 im Alter von 14. Jetzt zog Keymer zumindest diesbezüglich mit seinem ungarischen Trainer, der es bis zum Vizeweltmeister schaffte, gleich. Die Erfolge von Leko zu erzielen – bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.

Die deutschen Schach-Fans hoffen jedenfalls auf eine Rückkehr der goldenen Zeiten wie damals mit Weltmeister Emanuel Lasker und seinem schärfsten Rivalen Siegbert Tarrasch, die von 1894 bis 1921 die weltweite Szene beherrschten. Genau verfolgen sie daher den Aufstieg des Talents, das mit fünf Jahren das Schachspiel erlernte und mit elf Jahren bereits bundesweit auf sich aufmerksam machte.

Dem Weltmeister aus Norwegen bot Keymer einen fantastischen Kampf und stand vor einer weiteren Sensation

Der Durchbruch gelang Keymer im April 2018, weil er als Nummer 99 der Setzliste das Grenke-Open in Karlsruhe vor Dutzenden von Großmeistern gewann und sich 10.000 Euro Taschengeld als Siegprämie verdiente. Zudem gelang dem Wunderkind damit die erste der drei erforderlichen Großmeister-Normen, um den Titel auf Lebenszeit zu erhalten.

Zum Auftakt schwerstes Los

Mit dem unerwarteten Triumph in Karlsruhe verdiente sich der Sohn eines Musiker-Ehepaars das Recht, 2019 bei den Grenke Chess Classic mitzuspielen. Nach der zweiten Großmeister-Norm in Dänemark sollte dort die dritte Norm perfekt gemacht werden. Das Los bescherte dem gebürtigen Mainzer gleich zum Auftakt die schwerste Probe: Magnus Carlsen. Dem Weltmeister aus Norwegen bot Keymer einen fantastischen Kampf und stand vor einer weiteren Sensation. „Ich habe nur auf Tricks gespielt“, räumte der Weltranglistenerste ein und war froh, den halb so alten jungen Burschen nach fast sieben Stunden doch geschlagen zu haben. Nach mehreren verpassten guten Chancen gegen die Weltbesten landete Keymer mit zwei Punkten am Ende des Feldes.

Mit dem 119. Platz unter 154 Teilnehmern auf Isle of Man wachsen die Bäume für Keymer auch nicht in den Himmel. Sein Potenzial deutete der 1,85 Meter große junge Mann jedoch mehrfach an. Seinen zweiten Sieg verpasste er etwa in der Vorschlussrunde knapp gegen den Hamburger Niclas Huschenbeth, der einer der weltweit 1519 aktiven Großmeister ist – unter rund 400.000 registrierten Aktiven mit Elo-Weltranglistenzahl. Trainer Leko kann ihm noch einiges zeigen, blieb der Ungar doch ungeschlagen und verbuchte als 42. zwei Zähler mehr.

Dass die Spitze extrem eng zusammen liegt, bekam selbst Carlsen gezeigt: Der Weltmeister stand mehrfach am Rande einer Niederlage. Doch der Norweger konnte sie abwenden und ist nun seit 101 Partien ungeschlagen. Weil ihm aber nur vier Siege gelangen, landete der 28-Jährige mit 7,5 Punkten lediglich auf Platz sechs. Die 70.000 Dollar Preisgeld sicherte sich überraschend der Chinese Wang Hao dank besserer Wertung vor Vizeweltmeister Fabiano Caruana (USA/ beide 8). Wang Hao qualifizierte sich so noch für das Kandidatenturnier, bei dem der nächste Herausforderer von Carlsen ermittelt wird – Keymer ist noch nicht dabei.

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1 Kommentar

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  • Eine Leistung, die jeden Fußballprofi in den Schatten stellt.



    Die Bezahlung dürfte erbärmlich sein.