piwik no script img

DVDESKDer Charme des Ungenierten

„Coffy“ (USA 1973; Regie: Jack Hill)

Coffy nimmt gleich zu Beginn die großkalibrige Flinte in die Hand und schießt dem Mann, der das Leben ihrer Schwester mit Drogen zerstört hat, den Kopf weg. Coffy ist schwarz, vollbusig attraktiv mit Afroperücke und kennt nicht nur in diesem Fall kein Vertun. Dann schlagen zwei Männer ihren Ex, einen schwarzen Cop, weil er anständig ist, vor ihren Augen zu Brei: ein vorzüglicher Anlass für Coffys nächsten Rachefeldzug. Zuletzt muss dann ein schwarzer Politiker dran glauben, der große Sprüche klopft, der mit Coffy schläft und ihr Liebe vorspielt, sie jedoch, als es hart auf hart kommt, den Drogendealern zum Fraß vorwirft – bei ihm zielt sie tiefer.

Coffy ist, wie man in einem Dialog erfährt, eine „befreite Frau“. Aber „allzu befreit auch wieder nicht“, wie sie selbst hinzufügt. Als nicht allzu befreite Frau wurde Pam Grier, hier als Coffy, im Jahr darauf wiederum als Titelheldin im Nachfolger „Foxy Brown“ zur Ikone jener Spielart des schwarzen Kinos, die aus guten Gründen unter dem Terminus technicus Blaxploitation rubriziert wird. Exploitativ ist daran alles, auch der Emanzipations- und Befreiungsanteil. In der Mehrzahl der Fälle wurden die schwarzen Heldinnen und Helden (Shaft, die Erfindung eines weißen Krimiautors, wäre auf jeden Fall noch zu nennen) von Weißen in Szene gesetzt: hier von Jack Hill, der mit Francis Ford Coppola studiert und beim B-Movie-King Roger Corman sein praktisches Handwerk erlernt hat. Von Coppolas Talent ist er als Regisseur leider Welten entfernt, kein Wunder, dass man später nicht mehr viel von ihm hörte.

Wobei man andererseits sagen muss, dass der Dilettantismus einen gar nicht geringen Teil des Reizes der Blaxploitation-Filme ausmacht. Auch die Darsteller sind fast alle so atemberaubend schlecht wie die Dialoge; der Funk der Musik ist eine ganz billige Nummer; die Motivation der Figuren ist fast ausnahmslos an den Afroperücken herbeigezogen – allerdings Vorsicht, einmal sind in der langen Mähne von Coffy sogar Rasierklingen versteckt. Man begreift also schnell, worauf es eigentlich ankommt: darauf, dass die Heldin Gelegenheit bekommt, nach der Knarre zu greifen; darauf, dass – vorzugsweise beim Catfight – die Kämpfenden, schwarz oder weiß, nach dem einen oder anderen Ruck an der Kleidung die Brüste versehentlich blank ziehen; darauf, dass auch und gerade der Drogenboss und Pimp, King George, mit seinem Stall scharfer Miezen möglichst cool rüberkommt. Im letzteren Fall kann man das allerdings so und so sehen: Der senfgelbe Anzug mit Schmuck, Hut und Kette macht eher den Eindruck, als hätte der Ausstatter den Star-Trek-Fundus geplündert und wäre bei den Kleidungsideen besonders alberner Bewohner sehr ferner Planeten gelandet.

Besser nicht erns tnehmen

Die Naivität, Direktheit und – bei allem Mangel an Political Correctness – doch auch Unschuld des Ganzen macht das alles bis heute goutierbar. Blaxploitation der „Coffy“-Variante ist Camp, den man besser nicht im Ernst als Emanzipationsunternehmen begreift (anders sieht es etwa mit Melvin van Peebles’ in jeder Hinsicht explosiverem und radikalerem Schlüsselfilm „Sweet Sweetback‘s Baadassss Song“ aus). Und gerade, weil diese Filme so direkt und outriert auf die niedrigsten Gelüste des schwarzen Publikums zielen und sich für den Mainstream des seriösen Hollywoodkinos kein Stück interessieren, setzen sie doch etwas in die Welt, das vorher in dieser Weise kaum denkbar war. Quentin Tarantino mit seinem ausgeprägten Sinn für den Charme von Exploitation- und Camp-Traditionen hat Pam Grier als „Jackie Brown“ fast drei Jahrzehnte später ein Denkmal gesetzt. Hier ist das Original, dem es an Tarantinos Sophistication so sehr fehlt, wie es den ganz eigenen Charme des vollkommen Ungenierten besitzt. EKKEHARD KNÖRER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen