: „Ich rechne nicht damit“
Warum Kupfergeld gar nicht geht: Ein Kellner berichtet von seinem Alltag mit dem Trinkgeld
Florian, 43,ist Kellner in der taz-Kantine und stellvertretender Betriebsratsvorsitzender. Er hat sich dafür eingesetzt, dass das Trinkgeld im gesamten Kantinenteam aufgeteilt wird.
Schon neben dem Lehramtsstudium habe ich in der taz-Kantine gekellnert. Nach dem Abschluss bin ich hier geblieben. Trinkgeld ist für mich eine Honoration des Services, es ist eine Art zu sagen: „Das hat mir so gut gefallen, ich gebe gerne etwas dazu.“
Ich arbeite nicht wegen des Trinkgeldes in der Gastronomie. Klar, es ist nett, aber ich rechne nicht damit. Bestimmt gibt es Kellner, die Trinkgelder per se erwarten, weil im Knigge steht, dass man zwischen 8 und 10 Prozent geben solle. Da bin ich vielleicht untypisch: Weder beurteile ich einen Gast deswegen positiv oder negativ, noch bin ich beleidigt, wenn ich kein Trinkgeld bekomme. Trotzdem finde ich es unschön, wenn mir ein Gast Kupfergeld vor die Nase wirft.
Falls das Trinkgeld auffällig hoch ist, weise ich Gäste darauf hin, denn häufig vertun Leute sich oder haben den Betrag missverstanden. Besteht jemand allerdings darauf, dann ist es eben so. Natürlich frage ich mich, was dahintersteckt – sowohl bei niedrigen Trinkgeldern als auch bei hohen. Bei einem Tisch mit vielen Menschen mag es daran liegen, dass die Person die anderen beeindrucken will. Habe ich aber das Gefühl, dass das üppige Extra eine nette Geste ist, freue ich mich.
Das höchste Trinkgeld, das ich in der taz-Kantine je erhalten habe, gab mir ein älterer Herr nach einer Abendveranstaltung. Er trank einen Wein und steckte uns einen 20-Euro-Schein zu und sagte: „Hier bitte, dann könnt ihr noch ein schönes Feierabendbierchen trinken.“ Er machte nicht den Anschein, als täte ihm die Summe sonderlich weh, also habe ich nicht weiter darüber nachgedacht. Dennoch ist mir in den Jahren aufgefallen, dass Menschen, von denen ich vermute, dass sie gut verdienen, tendenziell weniger Trinkgeld geben als normale Menschen.
Ich sage immer Danke, wenn ich Trinkgeld bekomme. Denn Trinkgelder sind ein Geschenk. Und doch verstehe ich nicht, dass manche Gäste, die bei einer Rechnung von 38,90 Euro auf 39 oder 40 Euro aufrunden, erwarten, dass ich mich gebührend bedanke.
Häufig finden bei uns Veranstaltungen statt und der Chef übernimmt die Rechnung: Bei 135 Euro zahlt er etwa 140 Euro. Die meisten halten sich bei kleineren Beträgen, ob 10, 20, 30 oder 40 Euro, an die 10-Prozent-Regel. Bei 135 Euro denken sie: „13,50 Euro ist schon eine ganze Menge, 5 Euro sind auch in Ordnung.“ Ab einem bestimmten Betrag rechnen die Leute nicht mehr mit Prozenten, sondern sehen die Summe, die sie als Trinkgeld geben.
Ich habe mich mit anderen Kollegen und Kolleginnen lange dafür eingesetzt, dass das Trinkgeld bei uns gesammelt wird, weil ich es unfair finde, dass Kellner, die abkassieren, mehr haben als die, die das Essen bringen. Nach langem Hin und Her konnten wir durchsetzen, dass das Trinkgeld über die Woche gesammelt wird und wir es am Freitag unter allen aufteilen. Protokoll: Simon Schwarz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen