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Mord an CDU-Politiker Walter LübckeSpur der Waffe führt in den Norden

Die Bundesanwaltschaft prüft, ob die Mordwaffe im Fall Lübcke von „Combat 18 Pinneberg“ stammt. Zu der Neonazi-Gruppe hatte Stephan E. Verbindungen.

Aus der Aservatenkammer: die vier Rossi-Revolver Foto: dpa

Hamburg taz | Eine neue Spur im Mordfall Walter Lübcke führt nach Schleswig-Holstein. Die Bundesanwaltschaft prüft, ob die Tatwaffe, ein Revolver der Marke Rossi, von der rechtsextremen Terrorgruppe „Combat 18 Pinneberg“ stammen könnte. Zwar ist der mutmaßliche Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten, Stephan E., gefasst, die Hintergründe des Anschlags sind aber noch nicht ausermittelt.

Die Bundesanwaltschaft bat die schleswig-holsteinischen Behörden um die Akten zu einer aufgelösten Gruppe mit dem programmatischen Namen „Kampfverbund Adolf Hitler“. Nach Informationen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) will sie klären, ob die brasilianische Waffe des Kalibers 38 Spezial, mit der Lübcke ermordet wurde, zu jenen gehört, die der damalige schleswig-holsteinische NPD-Landesvorsitzende Peter Borchert für Combat 18 Pinneberg besorgt haben soll.

Zwei Aktenvermerke führten die Bundesanwaltschaft auf diese Spur: Vor sechzehn Jahren, am 5. April 2003 nahm Stephan E. in Neumünster an einen Aufmarsch gegen die Wehrmachtsausstellung teil. In der Stadt kam es zu Ausschreitungen. E. wurde wegen Körperverletzung und Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er eine Frau am Hals packte und wegschleuderte.

Zu dieser Zeit soll E. schon knapp ein Jahr bei der Kasseler Sektion von Combat 18 involviert gewesen sein. Die Combat-18-Strukturen gehören zu dem militanten internationalen Netzwerk „Blood & Honour“ (B&H), das stark im Rechtsrock-Milieu verankert ist. Die Combat-18-Gruppen gelten als bewaffneter Arm von B&H. In Deutschland ist B&H zwar seit 2000 verboten, viele der führenden Kader sind aber weiterhin in der Szene aktiv.

Durchsuchungen bei der Gruppe in Pinneberg

Den Marsch gegen die Ausstellung, die die Verbrechen der Wehrmacht im Osten dokumentierte, hatte Borchert angemeldet. Wenige Monate später, am 28. Oktober 2003, ging die Polizei gegen Combat 18 Pinneberg vor, da der Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung bestand sowie der Verdacht des Waffenhandels, des Vertriebs illegaler Rechtsrock-CDs und der Schutzgelderpressung.

An die 300 Beamte durchsuchten rund 50 Wohnungen und Treffpunkte der Gruppe. Sie stellten eine „Anti-Antifa-Liste“ mit Namen, Fotos und Adres­sen politischer Gegner sicher und fanden sechs Waffen: eine Pumpgun, eine Schrotflinte und vier Rossi-Revolver, die mit der Mordwaffe aus Kassel baugleich seien sollen. Borchert, der auch den „Club 88“ in Neumünster maßgeblich führte, gehörte zu den fünf Hauptverdächtigen.

Der Razzia folgte allerdings kein großes Verfahren. Ein Deal des Landgerichts Kiel mit den Angeklagten verhinderte, dass die Öffentlichkeit im Zuge des Verfahrens Hintergründe über möglicherweise geplante Anschläge oder die Herkunft der Waffen erfuhr. Am 27. April 2004 verurteilte das Landgericht Borchert zu drei Jahren und zwei Monaten Haft.

An die 300 Beamte durchsuchten rund 50 Wohnungen und Treffpunkte; sie stellten einen Anti-Antifa-Liste sicher und sechs Waffen, darunter vier Revolver

Bis heute ist unklar, ob die Polizei damals alle Waffen sicherstellte. Borchert sagte dem RND, er habe wegen des Deals 2004 einen Schwung Waffen auf seine Kappe genommen, „ohne dass ich sie je gesehen, respektive diese angekauft oder weitervermittelt hätte“. Wie viele Revolver er hatte, müsse er schätzen. „Mit einiger Sicherheit“ könne er aber sagen, dass alle seine Revolver sichergestellt seien.

Borchert hat sich mittlerweile als eine Rockergröße in der Gang Bandidos etabliert. In Neumünster soll er, unterstützt von Rockerfreunden mit rechtsextremer Herkunft, im Tattoo- und Klub-Geschäft unterwegs sein. Offiziell führt er aber keinen der entsprechenden Betriebe (taz berichtete). E. will er nicht persönlich kennen.

Möglicherweise Verbindungen zu weiterer Kameradschaft

Eine weitere Verbindung lässt den Weg der Waffen von Schleswig-Holstein nach Hessen nicht unwahrscheinlich erscheinen: E. soll enge Beziehungen zu Bernd Tödter gehabt haben. Tödter, der aus Bad Segeberg stammt, war im Raum Kassel im Milieu von Combat 18 aktiv und gründete den „Sturm 18“.

Dem Sturm soll wiederum E. angehört haben. 2015 verbot das Landesinnenministerium diese Kameradschaft: Schon der Namen offenbare den Bezug zum Nationalsozialismus, schrieben die Beamten zur Begründung. Borchert und Tödter kennen sich ebenfalls aus der Haft, wie Borchert bestätigte. Zwischen 1994 und 1996 saßen sie zeitgleich in Neumünster eine Jugendstrafe ab. Das Netz persönlicher Beziehungen könnte die Waffenwanderung erleichtert haben.

Tödter, der wie Borchert mehrfach in Haft war, ist unlängst nach einen Gefängnisaufenthalt nach Bad Segeberg zurückgezogen. Von dort aus baut er den deutschen Ableger des „Aryan Circle“ (AC) aus Amerika auf (taz berichtete).

E. will seine Tatwaffe 2016 gekauft haben – dreizehn Jahre nach der Razzia bei Combat 18 Pinneberg. Kein Grund für die Ermittler, nicht diese Spur zu überprüfen.

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