: Rot-Grün lobt Zukunftsstrategie
Die Bundesregierung sieht sich als Garanten für umweltschonendes Wachstum
BERLIN taz ■ Die eigentliche Botschaft des „Wegweiser Nachhaltigkeit 2005“ lautet: Eine nachhaltige Politik für Deutschland, das kann nur Rot-Grün. Denn vor den zwei zentralen Herausforderungen, die die Bundesregierung sieht – Wirtschaften unter den Bedingungen der Globalisierung und eine alternde Bevölkerung – versagten die Konzepte von Schwarz-Gelb („reine Wachstumsstrategie, die soziale Anliegen und Schutz der Umwelt allenfalls nachrangig berücksichtigt“) und Linkspartei („einfache Antworten für dicke Problemknäuel“).
Der Bundesregierung ist diese Abgrenzung so wichtig, dass sie sie gleich in die ersten drei Absätze ihres „Wegweisers“ geschrieben hat, den sie gestern verabschiedete. Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) nutzte die Gelegenheit auch gleich, um eine „Fortsetzung der Energiewende“ zu fordern. Den anstehenden Neuwahlen ist auch der „Wegweiser“ geschuldet. Denn eigentlich hätte die 2002 beschlossene „nationale Nachhaltigkeitsstrategie“ nach einer Zwischenbilanz 2004 erst 2006 fortgeschrieben werden sollen. Schon beim „Fortschrittsbericht 2004“, der nachhaltige Entwicklung anhand von 21 ausgewählten Indikatoren misst, war klar geworden: Fortschritte gibt es bei der Agrarpolitik, den erneuerbaren Energien oder bei den Investitionen in Bildung. Stagnation oder negative Trends zeigen sich dagegen bei der Verkehrspolitik, der öffentlichen Verschuldung oder beim Flächenverbrauch. Der „Wegweiser“ führt keine Indikatoren an, sondern zieht eine allgemeine Bilanz. Unter „nachhaltigem Wirtschaftswachstum“ erscheinen dort Steuersenkungen, rückläufige Subventionen und Staatsquote, höhere Investionen in die Bildung – ob das allerdings Jobs schafft, davon ist nicht die Rede. Energie wird effizienter genutzt, und der Anteil der erneuerbaren Energien liegt bei 11 Prozent des Stromverbrauchs. In der „Kraftstoffstrategie“ hat die Regierung mit Experten und Autobauern den Kurs in die Zukunft beschrieben: erst Effizienzsteigerung, dann Biokraftstoffe, langfristig Wasserstoffautos.
Besonderen Wert legt der „Wegweiser“ auf ein sozialpolitisches Feld: den demografischen Wandel. Einerseits plädiert die Regierung dafür, die alternde Gesellschaft nicht nur als Belastung (Renten- und Gesundheitssystem) zu sehen, sondern die „Potenziale älterer Menschen“ stärker zu beachten. Und der „Wegweiser“ lenkt den Blick auf einen weiteren Aspekt: Die Bevölkerungszahlen werden regional ganz unterschiedlich zurückgehen. Im Osten Deutschlands, aber auch in den ländlichen Gebieten Niedersachsens und Hessens wird die Bevölkerung bis 2020 stark abnehmen. Die Folge laut „Wegweiser“: neues Nachdenken über Stärken dieser Regionen – aber auch neue Debatten, wo Straßen, Bahnverbindungen und Schulen gebraucht werden.
Trotz der rot-grünen Ansprüche auf die Nachhaltigkeitspolitik zeigt der „Wegweiser“ aber auch: Themen und Institutionen der Nachhaltigkeit werden durch einen möglichen Wechsel in der Bundesregierung wenig berührt. Mit der Energieversorgung, dem demografischen Wandel oder der Agrarpolitik werde sich auch jede andere Regierung befassen müssen und zu ähnlichen Ergebnissen kommen, ist man sich in der Regierung sicher.
Von den Umweltpolitikern der Union kommen ähnliche Signale. Die Nachhaltigkeitsstrategie soll fortgeschrieben werden, der Rat für Nachhaltigkeit weiter arbeiten und der parlamentarische Beirat ebenfalls seine Arbeit fortsetzen. Sicherlich wird es aber andere Akzente geben. Kanzlerkandidatin Angela Merkel (CDU) hatte vor dem Rat unter anderem erklärt, der Begriff „Nachhaltigkeit“ sei zu stark von der Umweltseite geprägt.BERNHARD PÖTTER
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