geht’s noch?: Die leere Seite
AfD-Landeschef Björn Höcke sagt ein Interview mit der „Thüringer Allgemeinen Zeitung“ ab. Statt Konsequenzen daraus zu ziehen, inszeniert sich die Zeitung als Opfer
Für Björn Höcke begann diese Woche mit einem guten Morgen. So schrieb er es in einem Facebookpost: Während er „einen Schluck aus der Kaffeetasse“ nahm, überflog er die Titelseiten der Thüringer Allgemeinen Zeitung, und hups!, was fiel ihm da auf? Sehr viel „Weißraum statt Höcke“.
Der AfD-Landeschef hatte kurzfristig seine Zustimmung für ein Gespräch mit eben diesem Medium zurückgezogen. Woraufhin die Zeitung am Montag eine fast leere Seite abdruckte. Ganz nach dem Motto: Hier hätte das Interview mit einem Faschisten stehen können (Verzeihung, meine Interpretation). Sie erinnern sich: Im September brach der AfD-Spitzenkandidat ein Interview mit dem ZDF ab. Er drohte damals, dass es mit ihm künftig keine Interviews mehr geben werde. Höcke hat sein Wort also gehalten.
Chefredakteur der Thüringer Allgemeinen Zeitung Jan Hollitzer verteidigte das Vorgehen seiner Redaktion, argumentierte mit dem Kodex der Zeitung. Der besagt: Man berichte „sachlich, ausgewogen und fair über die Parteien und Kandidaten und deren politische Ziele“. Für Faschisten, wie man Höcke nun offiziell bezeichnen darf, gilt das also auch.
Es wirkt, als wolle Hollitzer seine Zeitung als Opfer inszenieren. Als eines, das darunter leide, dass der AfD-Politiker plötzlich keine Zeitungsseite mit seiner rassistischen Hetze füllen will. Schade ist das in dieser Erzählung also nur für die Zeitung selbst, nicht für Höcke. Der lacht sich auf Facebook schlapp („Jetzt muß ich herzlich lachen, danke Jan Hollitzer!“) und erhält in den Kommentaren von seinen rechten Anhängern Zustimmung. Höcke geht, mal wieder, als Sieger aus dieser Geschichte hervor.
Was die Thüringer Allgemeine versäumt hat, war das Entscheidende zu problematisieren: Dass man einem Rechtsextremen wie Höcke überhaupt Raum zusprechen wollte. Raum für seinen menschenfeindlichen Unsinn. Das ist der eigentliche Skandal.
Das Argument der Gleichbehandlung, das die Thüringer Allgemeine anbringt, darf in diesem Fall nicht zählen. Nicht für einen Menschen, dessen Ideologie auf der Auslöschung anderer beruht.
Das Gefühl, von rechter Gewalt bedroht zu sein, ist für manche dieser Tage allgegenwärtiger als sowieso schon. Wer dieses Gefühl kennt, wer davon betroffen ist, denkt anders über einen Faschisten wie Höcke als andere. Für diese Menschen ist ein Weißraum in einer Zeitung mehr als nur eine leere Seite. Wer das begreift, wird Höcke und seinesgleichen nie wieder Raum geben.
Erica Zingher
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