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Vorwärts in die Vergangenheit

Mit den Sechzigern vertraut, aber nicht nostalgiebesoffen: Die Allah-Las aus Kalifornien im Kesselhaus

Von Thomas Mauch

Dass die Sechziger noch nicht vergessen werden, dafür sorgt auch Quentin Tarantino, der dieses Jahrzehnt in seinen Filmen beim Soundtrack allemal favorisiert. Natürlich ist das auch bei seinem neuesten Film so, „Once Upon a Time in Hollywood“, der ja dazu in den sechziger Jahren spielt.

Ein Film, in dem Tarantino bekanntermaßen korrigierend in den Lauf der Geschichte eingreift, indem er als Regisseur dafür sorgt, dass die Schauspielerin Sharon Tate nicht von den Mitgliedern der Manson Family umgebracht wird (wie es wirklich war), sondern im Gegenteil diese auf dem Weg zum Mord selbst hingemetzelt werden. Sharon Tate überlebt. Was so allerdings ganz andere Sechziger gewesen wären.

Musikalisch interessant an dem Film ist, dass Tarantino gleich mehrfach Songs von Paul Revere & the Raiders einsetzt. Fast möchte man meinen, dass er damit gleichfalls, wie in der Tate/Manson-Family-Angelegenheit, die Historie umschnitzen möchte, indem er der gern in Kostümuniformen angetretenen Band eine besondere Bedeutung zuspricht. Dass diese zum Pop drängenden Zweite-Reihe-Garagenrocker also eigentlich mindestens so bedeutend für die Popgeschichte seien wie, sagen wir einmal, die Byrds.

Und mit dieser wenigstens für Popnerds unterhaltsamen Frage kann man nun endlich mal zu dem Konzert der Allah-Las kommen, die am Donnerstagabend im gut gefüllten Kesselhaus der Kulturbrauerei schon auch eine Lesart der Sechziger vorstellten.

Selbst wenn sich die Band aus Los Angeles gar nicht unbedingt in der Retroschublade sehen will, ist ihr zurückgelehnt hingeschrammelter Gitarrenrock doch deutlich von den Sechzigen inspiriert. Gerade haben die Allah-Las mit „Lahs“ ihr viertes Album veröffentlicht, und wahrscheinlich könnte man mit den Musikern nächtelang über Unterschiede und mögliche Gemeinsamkeiten von den Byrds und Paul Revere & the Raiders debattieren und darüber, welche Band nun den wesentlicheren Einfluss auf ihre angenehm schlaffe und entspannte Musik hatte – oder ob da vielleicht nicht noch mehr Beau Brummels oder Love drinsteckt, um die wenigstens mal genannt zu haben von dem Glanz und Gloria der US-amerikanischen Mittsechzigermusik. Schließlich hat sich die Band 2008 im legendären Amoeba-Plattenladen in Los Angeles gegründet, wo drei der vier Mitglieder arbeiteten (im Kesselhaus wurden die Allah-Las von Tim Hill an den Keyboards unterstützt).

Um sich aber in die Musik der Band einzufinden, braucht man diesen geschichtlichen Unterbau nicht. Die Allah-Las bedienten auch nicht die Experten mit geschickt eingebauten musikalischen Zitaten oder besonders herausgestellten Verweisen, sie machten einfach ihre meist im mittleren Tempo daherkommende geschmeidige Milde-Sorte-Musik, ohne Stimmungsschwankungen, ohne Drama. Eine Musik, die sich eben auch in den Sechzigern zurechtgefunden hätte und trotzdem nicht nostalgiebesoffen daherkommt.

Das Publikum jedenfalls zeigte sich eigentlich von Beginn des Konzertes an berührt von der Musik und wiegte sich darin. Nicht wenige sangen die Texte mit. Den meisten im Publikum dürften auch die möglichen Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Paul Revere & the Raiders und den Byrds egal sein, kennen sie Erstere doch höchstens als eine Band aus einem Tarantino-Film und Letztere als Wikipedia-Eintrag.

Die Sechziger in der Gegenwart. Man könnte sich schon vorstellen, dass so Bands wie die Allah-Las die originalen Sechziger mal überflüssig machen.

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