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Extinction Rebellion in BerlinKein Fortschritt ohne Konflikt

Erik Peter
Kommentar von Erik Peter

Die UmweltaktivistInnen sind erstaunlich ausdauernd – das verdient Respekt. Aber um richtig Druck zu machen, müssten sie viel provokanter stören.

Hauptsache, entspannt bleiben? Foto: picture alliance/Christoph Soeder/dpa

R espekt! Bereits seit drei Tagen blockieren die KlimaaktivistInnen von Extinction Rebellion Straßen und Plätze Berlins. Sie tun das mit einer Ausdauer und Hartnäckigkeit, die einem Bewunderung abverlangen und die viele etablierte Bewegungsakteure neidisch machen kann. Es sind Hunderte, die schon die zweite Nacht infolge am Großen Stern übernachtet haben, hunderte, die nachts um drei Uhr neue Blockaden errichten. Weder Kälte noch Regen stoppt sie und ein Ende der Proteste ist nicht in Sicht.

Die so junge Bewegung beweist eine erstaunliche Mobilisierungsfähigkeit, viele XR-AktivistInnen sind aus anderen Städten, auch aus dem Ausland, angereist. Sie sind bereit, ihre Komfortzone zu verlassen, sich anzuketten und von der Polizei räumen zu lassen. Dabei gehen sie strategisch klug vor; sie besetzen Plätze, die fotogen sind: der Große Stern, der immer noch mit Bildern der Love Parade verbunden wird oder die Marschallbrücke mit Reichstagsblick. Die kommunizierte Gewaltfreiheit führt dazu, dass die Polizei bislang sehr zurückhaltend reagiert.

Schade! Die groß angekündigte Berlinblockade ist gewissermaßen auch ein Bluff. Die Aktionen schränken weit weniger BerlinerInnen ein, als man angesichts der umfangreichen, mitunter hysterischen Berichterstattung annehmen könnte. XR hat es sich in gewisser Hinsicht bequem gemacht mit der Ortswahl für ihre Blockaden, die nicht auf den größtmöglichen Eingriff setzt – auch das ist ein Grund, warum die Polizei nicht so rigoros räumt, wie man es von anderer Stelle gewohnt ist.

Lokalrunde

Die 40. Folge des Podcasts Lokalrunde - das Stadtgespräch aus Hamburg und Berlin beschäftigt sich mit dem Zustandekommen und den Ergebnissen des Projekts Mietenwaatch. Die Auswertung von 80.000 Wohnungsangeboten zeigt: Berlin ist für die Mehrheit nicht mehr bezahlbar. Außerdem: Die Klimabewegung Extinction Rebellion blockiert gerade Berlin, aber sie eckt auch an: Warum provoziert sie vor allem linke Aktivisten?

Auch wenn einige Journalisten und Politiker so tun, als wäre mit den XR-Aktionen eine neue Stufe der Radikalität erreicht, die gewählten Mittel sind alles andere als das. Seit jeher nutzen soziale Bewegungen Blockaden als – vom Verfassungsgericht abgesegnetes – politisches Ausdrucksmittel. Alles geht also seinen geregelten Protestgang der Dinge; selbst die zu Alarmismus neigende Polizei spricht nur von einem „mittleren Chaos“.

Angesichts der großen Angst, die die AktivistInnen vor den Auswirkungen des Klimawandels haben und verbreiten, scheint mittleres Chaos aber unangemessen. Wer ankündigt, kritische Punkte zu blockieren, sollte seinen Worten auch Taten folgen lassen. Neuralgische Punkte gibt es genug, von Autobahnen bis zu Flughäfen. Aktionen hier würden den Druck von der symbolischen auf die praktische Ebene erhöhen, würden aber auch deutlich härtere Gegenreaktionen provozieren. Warum aber auch nicht? Ohne Konflikt wird es keine notwendigen Veränderungen geben.

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Erik Peter
Politik | Berlin
Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".
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3 Kommentare

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  • Danke für diesen Artikel, der sich mit der berechtigten Frage befaßt: sind massivere Blockaden wirksamer, wenn es um die Änderungen in Gesellschaft und (dadurch) Politik geht? - oder vielleicht eher kontraproduktiv, weil sie "die Menschen" abstoßen und nicht "mitnehmen" könnten?



    Jedenfalls ist die Auseinandersetzung um diese Frage produktiv - ganz im Gegenteil zu dem aus meiner Sicht (und ich bin kein XR-Apologet) unsäglichen Artikel "Anschluss garantiert", der insinuiert, die (bisher offenbar durchgehaltene) Gewaltfreiheit der XR-Aktionen sei nur dann gewaltfrei, wenn manfrau einem naiven (völlig fehlgeleiteten) Gewaltbegriff folgen würden. " Gewalt lässt sich nicht einfach ablegen, Gewaltformen haben sich historisch entwickelt und sind mit gesellschaftlichen Strukturen verflochten – es gibt keine gewaltfreien Räume."



    Finde ich super! Weil sich Gewalt "historisch entwickelt" hat, bleiben wir doch am besten dabei - ich hätte dann gern eine Pump-Gun, um mein Ideal einer solidarisch-sozial-gerechten-ökologischen etc. Gesellschaft durchzusetzen. Was mich ein bißchen zögern lässt: könnte es sein, dass die friedliche Revolution in der DDR 1989 ausgerechnet mit dem (durchgehaltenen) Motto "keine Gewalt!" erfolgreich war?



    Wenn es "keine gewaltfreien Räume" gibt, soll dann XR, um eine größere Wirksamkeit zu erreichen, am besten "die Bullen" aufmischen?



    Was die Frage dieses Artikels betrifft: Ich fürchte, ich bin ein Lampenputzer im Sinne des allseits bekannten Spottgedichts - ich allein?

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @RoteZora:

      Das sehe ich ähnlich. Was wir jetzt bei XR erleben, ist ja mehr das Bild einer Blockade.

      Junge Leute an schönen Orten, gut gelaunt der Polizei applaudierend. Jedem ist klar, die Stadt ist nicht einmal halbwegs lahmgelegt.

      Vom Effekt her hätte man genauso gut Demonstrationen auf den Magistralen veranstalten können, nur hätte dann der Happening-Charakter gefehlt.

      Würde man Ernst machen im Sinne von echten Blockaden, wäre die Repression eine ganz andere. Ich könnte da natürlich Geschichten erzählen...

      Was den Großteil der Bevölkerung angeht, ich glaube, die findet beides Scheiße.

      "Wenn nicht mit Rap, dann mit der Pumpgun"

      • @88181 (Profil gelöscht):

        Berliners sind Verkehrskummer eh gewöhnt... man laviert sich drum herum, flucht etwas, und ab dem dritten Tag ists schon Routine... "ach, die jetzt wieder, OK, umfahren." Ich habe nur das ungute Gefühl, dass dieser weichgespülte Kinderkram nur eine Art Testlauf sein könnte für noch ganz andere Sachen, die sich womöglich nicht mal die aktuellen Teilnehmer vorstellen möchten. Oder einige vielleicht doch, wer weiß. Es wird schon beizeiten einige geben, denen Pantomime, Dauerkuscheln und Rumsitzen zuwenig ist. Und ja, ich find beides Sch...