piwik no script img

Klimavorwürfe zwischen den ParteienDas interessiert nur euch selbst

Ute Scheub
Kommentar von Ute Scheub

Parteipolitik produziert so viel CO2-Ausstoß in ihren Sprechblasen, dass auch hier eine CO2-Bepreisung lohnen würde. Das treibt Leute zu Fridays for Future.

Da hilft auch kein grünes Mäntelchen mehr Foto: dpa

P arteipolitik ist klimaschädlich. Sie produziert dermaßen viel CO2-Ausstoß in ihren Sprechblasen, dass auch hier eine CO2-Bepreisung lohnen würde. Jüngstes Beispiel: SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warf den Grünen am Wochenende vor, sie handelten in der Klimapolitik „neoliberal“ und im Interesse ihrer gut verdienenden Wählerschaft. Die SPD hingegen habe „diejenigen im Blick, die nicht über genügend Geld verfügen, um ohne große Einbußen klimagerecht zu leben und zu konsumieren“.

Also was daran stimmt: Es gibt Leute, die die Grünen wählen und dabei öfter als der Durchschnittsprolli nach Mallorca jetten oder in der Innenstadt mit ihren SUVs Dackel umfahren. Aber wenn Mützenich in seiner logikfreien Analyse recht hätte, dann hieße das, dass die Grünen jedes Mal einen Aufstand und Innenstadtblockaden organisieren, wenn Fliegen und SUV-Fahren teurer werden sollen. Stattdessen schlagen sie das Gegenteil vor: einen CO2-Einstiegspreis von 40 Euro, verbunden mit der Auszahlung von 100 Euro Bürgergeld, das Geringverdienenden zu­gute­kommen soll. Kann und sollte man auch kritisieren, weil der Einstiegspreis nach Ansicht der Klimawissenschaft viel zu niedrig ist; aber dem SPD-Chef ist das zu viel.

Ja, ich weiß, man soll nicht mit Namen spielen. Aber Mützenichs Strategie, anderen auf die Mütze zu geben, um sich selbst und der eigenen Klientel Anstrengungen zu ersparen, ist durchsichtig. Und sie ist ermüdend. Wie wäre es denn mal mit zwischenparteilich abgestimmten Vorschlägen? Wie wäre es mit einem Bürgerrat, der die besten klimarettenden Lösungen zusammenstellt?

Sorry, aber ihr tollen Politstrategen habt es immer noch nicht kapiert: Dieses Konkurrenzspiel zwischen den Parteien, das nur euch selbst interessiert, treibt die Leute massenhaft entweder in die Demokratieverdrossenheit oder auf die Barrikaden von Fridays for Future oder Extinction Rebellion. Ich hoffe, dass die am Montag das Regierungsviertel ordentlich lahmlegen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ute Scheub
Freie Journalistin
Jahrgang 1955, Mitbegründerin der taz und deren Ökologieredaktion, seit 1997 freie Journalistin mit Vorliebe für Geschichten des Gelingens und Autorin von inzwischen 24 Büchern. Schwerpunkt: Ökologie, Frauenrechte, Demokratie, klimafreundliche Landwirtschaft.
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Klar: Die Unsitte, „anderen auf die Mütze zu geben, um sich selbst und der eigenen Klientel Anstrengungen zu ersparen“, ist „durchsichtig“ und „ermüdend“. Sie „treibt die Leute [...] entweder in die Demokratieverdrossenheit oder auf die Barrikaden“. Nur: Dass ein „Bürgerrat“ „die besten klimarettenden Lösungen zusammenstell[en]“ und mit „zwischenparteilich abgestimmten Vorschlägen“ glänzen würde, halte ich für ein Gerücht.

    „Gut“, „besser“ und „am besten“ sind psychologisch eng mit individuellen Vor- und Nachteilen verknüpft. In Bürgerräten aber wären nur solche Leute vertreten, die derartige Institutionen für sich zu nutzen gelernt haben. Die anderen wären nicht dabei, weil sie sich einfach nichts davon versprechen. Leider können die, die sich selber vertreten in einem Bürgerrat, die anderen unmöglich „mitdenken“. Dafür müssten sie (sinnvolle) Abstriche machen von den eigenen Interessen, und das haben sie nie gelernt.

    Die sogenannten westlichen Gesellschaften sind Konkurrenzgesellschaften. Sie leben quasi von einem „Gleichgewicht des Schreckens“, und zwar so lange, wie ihre (organisierten) Einzelteile ungefähr gleich stark sind. Gewinnt eine die Überhand, wird aus der Demokratie eine Diktatur, denn auch die Demokratie basiert letztlich auf dem Prinzip der Gewalt, wenn auch einer geteilten.

    Wenn wir überleben wollen, werden wir der tröstlichen Gewissheit der eigenen Überlegenheit also abschwören und anfangen müssen, auch unseren Konkurrenten eine Daseins-Berechtigung zuzubilligen. Und zwar als gleichwertiges Korrektiv, nicht als Herren oder Knechte. Das kann man Kommunismus nennen und fürchten. Besonders erwachsen oder auch nur intelligent wäre das aber nicht.

    Sollen FfF und ER das Regierungsviertel ruhig lahmlegen. Vielleicht merken die Herrschenden dann, wie wenig sie ohne Gewalt ausrichten gegen Vernunft. Ich hoffe nur, dass nicht wieder irgendwelche Möchtegern-Herrscher sich die Rebellion unter den Nagel reißen. Man wird ja wohl noch träumen dürfen...

  • Mit dem erneuten Aufweichen des Klimapäckchens an diesem Wochenende und dem Diskussionsniveau Mützenichs zeigt die SPD, dass sie mit Hochdruck daran arbeitet, es unter die 5%-Hürde zu schaffen. Liebe Genossen, das schafft Ihr noch.

    • @Haggi:

      Durch Losentscheid würden vermutlich ähnlich zuverlässig gute Vorsitzende ermittelt werden, wie bei der Nabelschau der Regionalkonferenzen.



      Wenn den alten Kohlköpfen in der Partei niemand das Regieren streitig macht, dann kommt die nächste Chance der SPD, wenn sie an der 5%-Hürde scheitert.

  • "Ich hoffe, dass die am Montag das Regierungsviertel ordentlich lahmlegen. "

    Ich auch, Ute !

  • RS
    Ria Sauter

    Hallo Frau Scheub,



    natürlich machen die Grünen keine Strassenblockade, wenn Fliegen und SUV Fahren teurer wird.



    Warum sollten sie? Ihre Wählerschicht zahlt das locker.



    Es ist zum schreien, solche Argumente zu lesen, wie Ihre!

    • @Ria Sauter:

      Ihre Argumentation ist auch zum schreien.



      Ich kenne eigentlich meist vermeindliche "Grüne" die sich über die Art und Folgen ihres Lebenswandels Gedanken machen.



      Und ich kenne viele nicht "Grüne" denen das echt voll egal ist.



      Übrigens gibt es genauso viele gut betuchte CDU/CSU/FDP/ADF und was weis ich was Wähler die sich SUV etc gerne gönnen.



      Aber wenn einem so gar nichts einfällt dann ist das Grünenbashing immer nett oder ?

      • 0G
        05158 (Profil gelöscht)
        @Opossum:

        ".. Die SPD hingegen habe „diejenigen im Blick, die nicht über genügend Geld verfügen, um ohne große Einbußen klimagerecht zu leben und zu konsumieren“."



        Diesen Blick kann man nur FÜRCHTEN!!



        Kleinigkeiten wie Hartz 4 usw.



        Ihr Artikel trifft zu.

        Ach übrigens, habe ich schon mal geschrieben. Freue mich, Hurra das OPOSSUM ist wieder da.(kann nichts dafür...).)

    • @Ria Sauter:

      Nix als Klischees im Kommentar. Hat der Text im vorauseilenden Gehorsam so vorgelegt. So betreibt man das Geschäft der Rechten auch aus ser taz. Vielleicht solltet ihr mal ihre Propagandaanleitungen lesen, von NPD, Reconquista oder Sezession sumfeld, damit ihr endlich das Spiel begreift, dessen Teil ihr heute noch unbewusst und in kleinen geduldigen Schritten erledigt. Die Clique ist im Gegensatz zum Rest der Gesellschaft sehr strategisch in ihrem Vorgehen. Und es sickert schon weit ins bürgerliche Milieu. Die vierte Gewalt ist bis auf Springer, deren Geschäft auf derselben Linie fährt, völlig verpennt. Macht euch doch bitte endlich mal schlau.