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Grüne Flaniermeile auf dem Weg

In Brüssel entsteht gerade mitten im historischen Zentrum eine der größten Fußgängerzonen Europas

Aus Brüssel Eric Bonse

Alles fürs Auto, nichts für die Fußgänger: Das war lange das städtebauliche Motto in Brüssel. Mit einem Schnellstraßenring rund um die Innenstadt, großen Boulevards und vielen Tunnels zog die Hauptstadt Belgiens immer größere Blechlawinen an, für Flaneure war kein Platz.

Doch damit soll bald Schluss sein. Mitten im historischen Zentrum entsteht eine der größten Fußgängerzonen Europas. Sie erstreckt sich von der Place de Brouckère über die Börse bis hin zur Place Fontainas – auf insgesamt rund 50 Hektar. Der Boulevard Anspach, früher voller Autos, soll zur grünen Flaniermeile werden.

Fast 30 Millionen Euro kostet das Prestigeprojekt. „Brüssel macht sich schön für Sie“, verkünden grüne Transparente, die die Baustelle abschirmen. Die Werbung ist nötig. Denn noch ist der „neue“ Boulevard Ans­pach alles andere als schön. Ausgerechnet vor der Börse, einem beliebten Treffpunkt, versperren Bagger und Planierraupen den Weg. Das macht nicht nur den Touristen zu schaffen, die sich hier sonst gerne tummeln, sondern auch den Einzelhändlern. Viele Geschäfte sind gähnend leer, kommerziell ist der Umbau eine Katastrophe.

Der Automobilclub Touring und die Brüsseler Handelskammer sind denn auch lange gegen den Umbau Sturm gelaufen. Das Projekt sei zum Scheitern verurteilt, weil die Autos nicht aus der Innenstadt verschwinden, sondern die Seitenstraßen verstopfen werden, hieß es bei Baubeginn 2015.

Vier Jahre später scheint sich die Stimmung zu drehen – zugunsten des „Piétonnier“, wie die Fußgängerzone hier heißt. Denn das erste Teilstück ist fertig. Dort zeigt sich Brüssel plötzlich von einer ganz anderen, charmanten Seite. Wo früher parkende Autos standen, kann man jetzt unbeschwert flanieren – und shoppen. Das erste fertige Teilstück an der Place de Brouckère beherbergt nämlich mehrere große Einkaufscenter und Ladenpassagen. Sie lassen sich bequem per Métro und Bus erreichen – hier scheint das Konzept der Städteplaner aufzugehen.

Schon wagen sich auch die ersten Radfahrer vor und suchen sich ihren Weg zwischen neu aufgestellten Palmen und noch kahlen Beeten. Keine leichte Übung, denn ein echtes Radfahrnetz gibt es in Brüssel nicht, die neue Fußgängerzone sucht noch Anschluss. Doch immerhin, ein Anfang ist gemacht.

Ob es auch ein Happy End gibt, dürfte sich erst Anfang 2020 zeigen, wenn die größte Baustelle Brüssels fertig werden soll. Noch haben Fußgänger und Radfahrer nicht gewonnen: Mitten durch die Baustelle fahren weiter Autos und Busse. Immerhin sind sie schon weniger geworden – und langsamer.

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