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Kommentar von Marthe Ruddat über die Kinderklinik ParchimUnbedingt unbequem bleiben

Es darf nicht dabei bleiben, dass nur die Betroffenen mit einer großen Lobby gehört werden

Machen wir uns nichts vor: Die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens ist nicht umkehrbar. Profit­orientierte Konzerne sind längst etabliert und stellen – auch wenn sie es immer wieder abstreiten – finanzielle Interessen über die Bedürfnisse von Patient*innen und Mitarbeiter*innen.

Das ist aber kein Grund sich zurückzulehnen und zuzuschauen, wie es einfach immer schlimmer wird; wie unprofitable Abteilungen wegrationalisiert werden und Ärzt*innen und Pflegepersonal die Arbeit so sehr erschwert wird, dass sie sich neue Stellen suchen oder gar den Job wechseln.

Nur zu gern verstecken sich die Politiker*innen auf Landes- und Bundesebene hinter der Argumentation, sie könnten einem Unternehmen nicht reinreden. Zu leicht werden die Ausreden der Konzerne geglaubt. Denn: Wer kein Personal finden will, der findet auch keins. Und schafft damit Tatsachen, die Schließungen rechtfertigen.

Die Bürger*innen und Politiker*innen in Parchim zeigen, wie wichtig Engagement ist. Sie sind von Anfang an laut geworden. Sie haben Öffentlichkeit geschaffen und so den Druck erhöht. Asklepios lehnte ein Gesprächsangebot von Bundes-, Landes- und Lokalpolitiker*innen von Linken und SPD zunächst ab. Diese verfassten daraufhin einen offenen Brief. Vergangene Woche fand nun doch ein Gespräch statt. Plötzlich werden Anzeigen in Fachzeitschriften geschaltet, nachdem Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) um Intensivierung der Personalsuche gebeten hat. Mehr als 48.000 Menschen haben die Petition zweier Parchimerinnen für den Erhalt der Kinderklinik unterzeichnet.

Die Schließung einer Kinderstation und eine gefährdete Geburtshilfe treffen natürlich auch einen Nerv: Kinder und Schwangere wecken Emotionalitäten. Das hat den Engagierten sicherlich geholfen.

Es darf aber nicht dabei bleiben, dass nur die Betroffenen mit einer großen Lobby gehört werden. Deshalb ist es wichtig, immer wieder auf die Problematik aufmerksam zu machen. Von Bürger*innen und auch von Ärzt*innen und Pflegekräften. Viele machen das bereits, doch viele haben auch Angst, öffentlich Kritik zu üben – aus Sorge um ihren Arbeitsplatz, den eigenen guten Ruf oder aus Angst vor Klagen der finanzstarken Konzerne.

Nur wenn die Betroffenen so wie jetzt in Parchim oder zuvor in Hamburg unbequem für die Klinikkonzerne sind und vor allem bleiben, wird es den Managern erschwert, ihre Profitstrategie auf Kosten der Versorgung von Menschen weiterzuführen. Nur so wird der Druck auf die Verantwortlichen in der Politik so erhöht, dass sie den dringenden Handlungsbedarf nicht mehr ignorieren können.

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