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Für 82 Geflüchtete ging es nun schnell

Italiens neue Regierung ändert den Kurs in der Migrationspolitik. Die rasche Aufnahme der Geretteten in Staaten der EU hilft dabei

Gerettete Migranten von Bord der „Ocean Viking“ am Samstag im Hafen von Lampedusa Foto: Mauro Buccarello/reuters

Aus Rom Michael Braun

Die 82 Flüchtlinge an Bord des Rettungsschiffs „Ocean Viking“ sind in der Nacht zu Sonntag im Hafen von Lampedusa an Land gegangen. Mehrere europäische Staaten sind bereit, einen Großteil von ihnen aufzunehmen. Erstmals seit 14 Monaten findet so eine Rettungsaktion im Mittelmeer ohne die bisher üblichen Schikanen und Repressalien vonseiten des italienischen Staates ihr Ende.

Die „Ocean Viking“, ein von SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen betriebenes Schiff, hatte zunächst am 8. September 54 Migranten vor der libyschen Küste aus Seenot gerettet und dann zwei Tage später noch einmal 30 Personen an Bord genommen. Eine hochschwangere Frau und ihr Mann waren schon nach Malta ausgeflogen worden.

Dann schien sich jenes Drehbuch zu wiederholen, das der Chef der rechtspopulistisch-fremdenfeindlichen Lega, Matteo Salvini, seit seinem Amtsantritt als Innenminister im Juni 2018 eingeführt hatte. Die „Ocean Viking“ bat sowohl Italien als auch Malta um die Zuweisung eines sicheren Hafens, doch über mehrere Tage antwortete keiner der beiden Staaten.

Doch es gab durchaus erste Zeichen, dass die neue Koalition aus Fünf Sternen und der gemäßigt linken Partito Democratico (PD) vom harten Kurs des bisherigen Innenministers Matteo Salvini abweichen wird. Italiens Regierung sprach kein Verbot gegen die „Ocean Viking“ aus, in italienische Hoheitsgewässer einzulaufen, und sie drohte auch nicht mit der Beschlagnahmung des Schiffs oder horrenden Geldbußen.

Am Samstagmorgen schließlich kam die Wende. Nach „nur“ sechs Tagen Wartezeit bekam das NGO-Schiff die Erlaubnis, Lampedusa anzusteuern. Italiens Regierung hatte zuvor mit vier anderen europäischen Staaten Vereinbarungen getroffen. Je 25 Prozent der Flüchtlinge an Bord – das sind je 21 Personen – werden von Deutschland und Frankreich übernommen, 8 von Portugal und 2 von Luxemburg. Die übrigen bleiben vorerst in Italien.

Ist das nun die Wende in Italiens Flüchtlingspolitik, die Abkehr von Salvinis Politik der „geschlossenen Häfen“? Der Lega-Chef jedenfalls schäumt auf Facebook: „Jetzt öffnet die neue Regierung die Häfen: von wegen Anwälte der Italiener, ich sehe hier Anwälte der Gesetzesbrecher am Werk.“

Lega-Chef Matteo Salvini sieht „Anwälte der Gesetzesbrecher“ am Werk

Doch der Fünf-Sterne-Chef und neue Außenminister ­Luigi Di Maio spricht von einem „großen Missverständnis“. Den sicheren Hafen habe Italiens Regierung nur deshalb zugewiesen, „weil Europa beschlossen hat, den Großteil der Migranten zu übernehmen“. Das hätte die Vorgängerregierung nicht anders gemacht. Zugleich aber erklärte Di Maio, es hätten sich „neue Mechanismen, ja Automatismen gebildet“: In Zukunft soll die Flüchtlingsverteilung nicht mehr Ergebnis eines wochenlangen Gezerres sein.

Italiens Medien berichten von einer Grundsatzeinigung zwischen Italien, Deutschland und Frankreich, wonach die beiden Länder je 25 Prozent der in Italien ankommenden Flüchtlinge aufnehmen werden. Bundesinnenminister Seehofer ist nach eigenem Bekunden dazu bereit. Hinzu kommen sollen weitere Staaten aus der „Koalition der Gutwilligen“. Am 23. September soll die Regelung auf einem Gipfel in Malta festgezurrt werden.

Kulturminister Enrico Fran­ces­chini von der PD freut sich, es sei „Schluss mit der Propaganda Salvinis auf dem Rücken der Verzweifelten des Meeres“. Die „Ocean Viking“ wird umgehend wieder ihre Rettungsmission in der Straße von Sizilien aufnehmen können.

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