klimawoche in hamburg: „Koordiniertes Vorgehen notwendig“
Vortrag „Gesetzesflut oder Sturmflut? Wasserstandsmeldung zur deutschen Klimapolitik“: 19.30 Uhr, Rathausmarkt, Eintritt frei
Interview Anastasia Trenkler
taz: Herr Graßl, wann werden wir nicht mehr nach Neuwerk wandern können?
Hartmut Graßl: Diese Frage kann ich nur vage beantworten. Es wird Jahrhunderte dauern, aber es wird kommen.
Was können Sie uns über den Anstieg des Meeresspiegels in Zukunft sagen?
Das hängt von der Klimapolitik ab. Wenn das Pariser Abkommen exzellent umgesetzt wird, dann ist ein Drittel des noch vorhandenen Eises auf der Erde weiterhin zum Abschmelzen verdammt. Das heißt: Der Meeresspiegel wird noch um etwa 20 Meter ansteigen. Das dauert Jahrhunderte und mehrere Jahrtausende, wenn nicht die Menschheit in der Zwischenzeit massiv Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre wieder herausholt.
Wie könnte man das anstellen?
Das kann beispielsweise durch großflächige Aufforstung oder eine veränderte Landwirtschaft gelingen.
Wie viele Bäume müssten denn dafür gepflanzt werden?
Flächen von etwa 30 bis 40 Millionen Quadratkilometern müssten aufgeforstet werden. Das sind Flächen, auf denen früher Bäume wuchsen, die dann aber von Menschen entwaldet wurden. Diese Böden werden oft auch landwirtschaftlich nicht mehr genutzt, weil sie degradiert wurden. Dazu wäre ein riesiges, koordiniertes Vorgehen notwendig. Wegen fehlender Aktion in der Klimapolitik haben wir uns ein großes Problem aufgehalst.
Hätten wir es besser wissen müssen?
Die Wissenschaft hat das vor 30 Jahren prognostiziert. Man hat aber dennoch gehofft, dass es nicht so schlimm kommen würde. Es wurde also trotz der offiziellen Information aus der Wissenschaft auf politischer Ebene kaum etwas unternommen.
Hartmut Graßl, 79, Klimaforscher, war Direktor des Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie (MPI) und wurde mehrfach ausgezeichnet.
Frustriert Sie das?
Nur manchmal, weil ich weiß, dass der Homo sapiens oft nicht vernünftig handelt.
Wie schätzen Sie aus wissenschaftlicher Sicht das neue Klimapaket der Bundesregierung ein?
Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber: Es ist ein Trippelschritt und kein großer. Gemessen an dem, was andere Industrienationen machen, ist das dennoch beachtlich. Ich persönlich hoffe, dass das Paket im Bundesrat nachgebessert wird. Das kann viel helfen.
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