Die Wahrheit: Morbid. Marode. Manchester
Eine der hässlichsten Städte der britischen Inseln liegt im Norden des Nochvereinigten Königreichs. Besuch in einer regnerischen Metropole des Grauens.
M anchester ist nicht die Perle unter den Städten. Bei einer Umfrage unter Touristen fielen am häufigsten die Worte „hässlich“ und „unfreundlich“ für die nordenglische Stadt. Und nass ist sie auch. Manchester ist noch grauer und regnerischer als der Rest des Landes, das vom Klima nicht verwöhnt ist.
Das Herzstück der Stadt, Piccadilly Gardens, ist so grau wie das Wetter. Ärzte raten depressiven Patienten, den Platz zu meiden. Als ob die Betonwüste nicht schlimm genug wäre, hat man einen Büroblock dazugestellt. Ein Viertel aller Büros in England steht leer, und wenigstens in dieser Statistik wollte Manchester punkten. Jemand schrieb, Piccadilly Gardens sei der einzige Platz der Welt, der von einem Ensemble chinesischer Panzer profitieren würde. Vermutlich verdankt die Stadt den Platz der Zusammenarbeit korrupter Baulöwen mit bestechlichen Stadtverordneten.
Ein anderes Phänomen Manchesters sind die winzigen Luxuswohnungen, die kleiner sind als die Winzlöcher in den Slums von Glasgow im 19. Jahrhundert. Aber alle haben einen Balkon. Man wollte wohl potenzielle Käufer mit einem mediterranen Feeling ködern und sie an die letzte Pauschalreise nach Spanien erinnern, aber aufgrund des wenig mediterranen Wetters sind die Balkone längst verrostet.
Und dann der Dialekt! Bei einer Umfrage des Instituts YouGov, das sich sonst mit Wahlprognosen beschäftigt, landete der Manchester-Slang auf dem zehnten von zwölf Plätzen. Nur der Birmingham-Dialekt, das Pendant zum Schwäbischen, wurde auf den letzten Platz verwiesen. An der Spitze lag das in der Republik Irland gesprochene Englisch, was Blödsinn ist, weil es dort Dutzende verschiedener Dialekte gibt.
Der nordirische Dialekt landete auf dem siebten Platz. Dabei unterscheiden sich die Dialekte Nordirlands und der benachbarten Grafschaft Donegal in der Republik Irland kaum voneinander. Den Wahlumfragen von YouGov sollte man künftig mit Skepsis begegnen.
Lediglich bei der politischen Korrektheit liegt Manchester vorne. Voriges Jahr hat der Studentenverband der Universität beschlossen, dass nach Vorlesungen und Veranstaltungen nicht mehr geklatscht werden soll. Stattdessen soll man „Jazz-Hände“ zeigen – also mit offenen, nach außen gerichteten Handflächen und gespreizten Fingern wedeln. Es gehe um Inklusion, heißt es in der Begründung: Beifall könne Menschen mit Autismus, sensorischen Störungen oder Schwerhörigkeit Probleme bereiten. Was aber ist mit dem blinden Gastdozenten?
Das könnte jedoch eine Lösung für Manchesters Probleme sein. Wenn die Bewohner nur noch in Gebärdensprache kommunizieren, kann sich niemand über den Dialekt mokieren. Und mit den Jazz-Händen könnten sie die Architekten, Bauunternehmer und Stadtverordneten vermöbeln. Nur gegen das Wetter kommen sie damit nicht an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!