Neues privates Stadtviertel in Berlin: Grundsteinlegung vor Männerriege
Mitten in Berlin soll auf 25.000 Quadratmetern ein rund um die Uhr bewachtes Stadtviertel entstehen. Am Donnerstag wurde der Grundstein gelegt.
Der exklusive Charakter war bereits bei der Veranstaltung spürbar: Für den Festakt auf den 25.000 Quadratmetern des neuen Investorenviertels zwischen Oranienburger, Johannisthaler und Friedrichstraße waren blickdichte Barrieren, digitale Drehkreuze und dutzende Sicherheitsmänner mit „Mann im Ohr“ aufgestellt worden.
Dabei waren außer den Baubeteiligten lediglich Politiker und Journalist:innen zugelassen. Einige Redner wandten sich in ihren Ansprachen trotzdem an „die Nachbarn“, blickten dabei aber nur in ein Publikum von rund 300 Männern in blauen Anzügen. Die PR-Firma „Am Tacheles“ der Pressesprecherin Anja Strieder, Ehefrau des früheren Bausenators Peter Strieder (SPD), hatte zusammen mit der beauftragten Eventagentur „26 zehn“ den Dresscode für die geladenen Männer aus Baufirmen und Banken ausgegeben. Die wenigen anwesenden Damen waren entweder fürs Büffet oder die Berichterstattung zuständig. Anja Strieder verwies dazu auf taz-Nachfrage auf die durchführende pwr.
Der an den Planungen unbeteiligte amtierende Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) versuchte der Inszenierung das Beste abzugewinnen, machte aber deutlich, dass er die zwölf Ausnahmegenehmigungen aus der Amtszeit Strieders und des früheren Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) heute wohl nicht mehr erteilen würde. Der Tagesspiegel hatte nahegelegt, dass zwischen Kapital und städtischer Repräsentation hierbei mehr als nur operativ paktiert worden sei. Wowereit beschwor in seiner Ansprache den „Mut der Investoren“, „bauen, bauen, bauen!“. In den Grundstein legte er ostentativ nicht den Tagesspiegel, sondern die Berliner Zeitung, die mit dem Titel vom 19.9. deren beiden neue Eigentümer zeigt.
Investor Leon Bressler vom Aermont-Fond hob den „Glauben an die stärkste Volkswirtschaft Europas“ hervor. Gespräche mit dem künftigen Tacheles-Mieter seien „weit gediehen“, wurde ferner bekanntgegeben – dabei wird es um den schwedischen Designkonzern Fotografiska gehen. Das denkmalgeschützte Tacheles-Gebäude war seit der Wendezeit Kulturspielstätte gewesen. Das umliegende neue Viertel wird bis 2023 mit einer Shoppingpassage die Friedrich- mit der Oranienburger Straße verbinden, unterkellert von einer Parkgarage für 400 PKW.
Die von den Schweizer Bauplanern Herzog & de Meuron koordinierten Architekten sehen dafür das profane Büroportalgebäude „Scape“ in der Friedrichstraße vor, sowie ein architektonisch schon interessanteres siebengeschossiges Keilgebäude „Oro“ an der Oranienburger. Ein Hingucker ist das Zweitwohnungsgebäude „Laika“, für dessen Fassade sich an der Moderne der 1920er Jahre orientiert worden ist. Durchfinanziert ist das neue Stadtviertel im Volumen eines „hohen dreistelligen Millionenbetrages“, so das Management. Der Bauauftrag ging an den Hochtief-Konzern. Der Verkauf der etwa 275 Wohnungen soll 2020 beginnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Vermeintliches Pogrom nach Fußballspiel
Mediale Zerrbilder in Amsterdam
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Toxische Bro-Kultur
Stoppt die Muskulinisten!
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“
Wahlkampfchancen der Grünen
Da geht noch was