liebeserklärung: Der Meister
Für zwölf Handwerksberufe soll ab kommenden Jahr wieder eine Meisterpflicht bestehen. Das wird zwar die Branche nicht retten – dafür ist die Begründung eine Meisterleistung
Der Meistertitel weckt, je nach Standpunkt, sehr unterschiedliche Assoziationen: Kunden, die einen Handwerker rufen, denken an Qualitätsarbeit – und gesalzene Rechnungen. Für die Handwerksbranche ist er eine Chiffre für bessere Zeiten, als die Auftragsbücher voll und die Azubiplätze begehrt waren. Und die Politik schiebt ihm mal den Buhmann zu, wenn ein lästiges Wettbewerbshemmnis dereguliert gehört (wie unter Gerhard Schröder dann tatkräftig umgesetzt). Mal erhebt sie ihn wieder zum Retter des deutschen Handwerks, wenn der meisterfreie Wettbewerb plötzlich böse geworden ist und wieder gebändigt werden muss.
Diese Woche war – sehr zur Freude der Handwerkslobby – wieder mal die Seligsprechung dran: Der Meisterbrief sei die „beste Garantie für Qualitätsarbeit, Verbraucherschutz, Leistungsfähigkeit und Innovationskraft“, frohlockten SPD- und CDU-Wirtschaftspolitiker am Montag. Deshalb möchte die Große Koalition die Meisterpflicht ab 2020 wieder einführen. Zumindest für zwölf Gewerke, darunter Fliesen- und Parkettleger, Lichtreklametechniker, Raumausstatter und Orgelbauer. Und an diesem Punkt wird die Regierung-verteilt-Geschenke-an-ihre-Stammklientel-Geschichte spannend.
Nicht weil dadurch künftig sauberer gefliest oder installiert würde, schließlich dürfen Betriebe ohne Meister auch künftig weiter rumhandwerken. Sondern weil für Union und SPD offenbar nicht jedes Handwerk gleich heilig ist. Dereinst hat Rot-Grün bei 53 Berufen die Meisterpflicht abgeschafft. Dass sie jetzt bei nur zwölfen wieder gelten soll, ist merkwürdig. Die Begründung: Man habe „gefahrgeneigte Handwerke“ ausgewählt. Ach ja? Bisher war Fliesenlegen nicht als Hochrisikoberuf bekannt, weder für Handwerker noch für Kunden. Anderes kann man auch von Platten- und Mosaiklegern nicht behaupten. Noch schöner ist das zweite Kriterium: Es würden Berufe berücksichtigt, die ein „immaterielles Kulturgut“ darstellten. Wie Orgelbauer.
Das deutsche Handwerk als schützenswertes Kulturgut? Das wäre eine meisterhafte Inszenierung – wenn sie erklären könnte, warum Kürschner, Sattler, Buchbinder oder Uhrmacher nicht mit dazugehören. Tja, Meister fallen nicht vom Himmel. Auch nicht in der Politik. Ralf Pauli
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