: Zwölf Minuten täglich
VORWEIHNACHTSZEIT Genug von Spekulatius schon im Oktober? Keine Lust auf Einkaufshektik und Plätzchenstress? Abhilfe schaffen will seit 15 Jahren ein Hamburger Verein: mit einem Adventskalender
In diesem Jahr erscheint der Kalender des ökumenischen Vereins „Andere Zeiten“ zum 16. Mal.
■ Ab dem 28. November begleitet er durch die Adventszeit – bis zum 6. Januar.
■ 27 Tage lang möchte er jeweils 12 Minuten zum Nachdenken, Meditieren oder Schmunzeln verleiten: mit illustrierten Gedichten, Sprüchen und Geschichten.
■ Mit 4.000 Exemplaren Auflage startete der Kalender im Jahr 1995. Heute erreicht er 800.000 Menschen in 42 Ländern. Gedruckte Auflage: 350.000. Jährlich wächst die Leserschaft um rund 8 Prozent.
■ 7,50 Euro kostet „Der andere Advent“ und ist auch in Blindenschrift erhältlich.
■ Erhältlich ist er bei: Andere Zeiten e. V., Fischers Allee 18, 22763 Hamburg, oder im Internet: www.anderezeiten.de
Ich sitze gemütlich zu Hause und trinke Rooibos-Tee mit Vanillearoma. Es ist Mitte Oktober, aber vor mir liegt schon ein Adventskalender. Keiner mit Glitzer und Schokolade drin, sondern einer, der „anders“ sein will. Den Ursprung des Weihnachtsfestes beleuchten und der Kommerzialisierung etwas entgegensetzen. „Einmal fällt Glanz vom Himmel auf die verdutze Herde und leuchtet den Staunenden heim“, steht da. „Der Weg nach Hause ist der Weg ins Licht.“ Ziemlich kitschig. Ich bin skeptisch.
Noch vor zwei Wochen lag ich in Spanien am Strand: 30 Grad, kühle Drinks, türkisblaues Wasser. Und dann die Sonne: Einen Tag, nachdem ich wieder in Hamburg gelandet war, ging ich in eine Drogerie, Après-Lotion kaufen. Die fand ich schließlich – versteckt hinter einem Arrangement aus Spekulatius, Weihnachtsmännern, Zimtsternen und anderem Krempel, der einen brutal daran erinnert, dass bald Weihnachten ist.
Wer hat denn jetzt schon Lust auf sowas?, habe ich mich gefragt. Weihnachtsstimmung war in den letzten Jahren bei mir immer etwas zögerlich aufgekommen – wenn sie nicht sogar ganz ausblieb, um dann, Heiligabend, knallhart einzuschlagen: in Form von Gänsebraten, Tannenbaum, Geschenken und Papas geliebter Weihnachtsplatte mit „Gloria“ und „Fröhliche Weihnacht überall“.
Nun, in der Drogeriefiliale, wollte ich nur noch zurück in die Sonne: „In 71 Tagen ist Weihnachten“: Da war sie auch schon wieder, die Stimme in meinem Kopf. „Du musst anfangen Geschenke zu kaufen! Du musst Kekse backen! Deine Lieblingsklamotten passen bald nicht mehr! Und ‚Last Christmas‘ wird sechs Wochen dein ständiger Begleiter!“
Wie soll man bei diesem Stress in die richtige Feststimmung kommen? Und was kann man tun, um sie aufkommen zu lassen? Sollten die Tage bis Weihnachten nicht besinnlich sein, romantisch und vielleicht sogar ein bisschen spirituell?
Die Adventszeit einmal etwas langsamer, leiser und wärmer zu erleben: Das wäre auch für mich, die ich nicht gläubig bin und spirituellen Dingen wenig abgewinnen kann, schön.
Dabei also will mir nun der „Andere Advent“ helfen, der da vor mir liegt: Ab dem 28. November täglich zwölf Minuten soll ich investieren in Martin Luther, Bertolt Brecht, Ulla Hahn, Max Frisch und andere. Mir Bilder ansehen, die berühren wollen und zum Nachdenken anregen, die lustig, romantisch oder auch mal traurig sind. Ein Adventskalender der anderen Art also, der mich entführen möchte aus der Hetze, dem Kitsch und dem Kommerz.
Klingt vielversprechend. Auch die in goldenes Licht getauchte Schafherde auf dem Deckblatt gefällt mir besser als Glitzerengel und Weihnachtsmänner.
Noch 45 Tage bis zum ersten Türchen. Ja, ich werde ihn aufhängen. UTE BRADE
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