piwik no script img

Mahnmal für NS-Verbrechen in PolenFalsch und gefährlich

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Das Gedenken an die NS-Diktatur an Nationen zu orientieren, würde auf eine Opfer-Konkurrenz hinaus laufen. Es vernebelt mehr als es erinnert.

Gedenkveranstaltung zum Überfall Nazi-Deutschlands auf Polen in Warschau im August Foto: dpa

D er Mord an 6 Millionen Juden durch die Nazis ist in der deutschen Öffentlichkeit präsent. Ganz im Gegensatz dazu drohen jedoch die Verbrechen von Wehrmacht und SS in und an Polen vom ersten Tag des Zweiten Weltkriegs an in Vergessenheit zu geraten. Dabei mag die Dimension der Verbrechen unterschiedlich sein, der mörderische Charakter des NS-Regimes zeigt sich auch im Krieg gegen vermeintlich minderwertige „Slawen“.

Nun hat der Bundestag eine Initiative aufgegriffen, in Berlin ein Denkmal für die polnischen Opfer der NS-Herrschaft zu schaffen. Den Abgeordneten geht es darum, der Geschichtsvergessenheit etwas entgegenzusetzen. Die Begründung für ein solches Denkmal ist also mehr als honorig. Dennoch wäre ein nationales Mahnmal ein falscher, ja gefährlicher Schritt. Denn er öffnet Tür und Tor für eine Erinnerung, die sich am Leid von Nationen orientiert und andere Opfer ignoriert. Mit gleichem Recht könnte Weißrussland ein solches Denkmal einfordern, ebenso Griechenland, Norwegen, Serbien – die Liste der von den Nazis okkupierten Staaten ist lang. Schon hat der ukrainische Botschafter in Berlin verlangt, auch seiner Nation ein solches Denkmal zu widmen.

Das aber liefe auf eine Opfer-Konkurrenz hinaus, in der die Geschichte als nationales Ereignis erzählt wird und nicht als Teil eines ganzen, von Berlin aus zentral geplanten Verbrechens. Es eröffnet bedenkliche Narrative, in denen Krieg und Besatzung ausschließlich als Erfahrung des eigenen Leids interpretiert werden. Es vernebelt mehr, als dass es Erinnerung bewahren kann.

Anstatt Geschichte anhand von Nationen erzählen zu wollen, wäre es angemessener, einen gemeinsamen Lern- und Erinnerungsort zu installieren. Der Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden in Europa, Uwe Neumärker, hat dazu ein Museum der deutschen Besatzungsherrschaft vorgeschlagen. Dieser Weg ist mühsamer, kostspieliger und aufwendiger. Aber er eröffnete die Möglichkeit, Geschichte in den Zusammenhängen sichtbar zu machen, in denen sie geschah.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Die Schuld der Deutschen gegenüber Polen ist bekannt und wird beginnend mit Kanzler Brandt entsprechend gewürdigt. Relativ wenig beachtet wird allerdings, dass ein Großteil der Toten der UdSSR eigentlich Ukrainer waren. Russland als Rechtsnachfolger der UdSSR nimmt diese Opferrolle für sich in Anspruch und die unabhängige Ukraine scheint wie ein neuer Staat ohne Geschichte - die Ukraine sollten wir historisch als Opfer von Hitler aber auch von Stalin sehen.

  • Diese Opfer-Konkurrenz existiert doch schon lange. Denkmäler für einzelne Volksgruppen gibt es oder sie werden gefordert. Ein gemeinsames Opfergefühl und Opfergedenken wäre sinnvoller.

  • In der Antike siedelten die Germanen fast im gesamten heutigem Polen. Damals waren die Slawen, beziehungsweise ihre Vorläufer, noch östlich des Bug.

    Die Slawen sind dann im Mittelalter nach Mitteleuropa eingewandert.

    In den letzten 1500 Jahren haben sich Germanen und Slawen vermischt, so das es heute keinen Menschen in Deutschland, Polen, Österreich, Tschechien und der Slowakei geben dürfte der nicht germanische und slawische Vorfahren hat. Ausgenommen hiervon sind lediglich die Einwanderer der letzten 60 Jahre.

    Eine Tatsache die Faschisten, germanische wie slawische gerne übersehen.

  • Es ist nicht nur falsch und gefährlich, sondern auch unnütz.



    Falsch, weil, wenn das Denkmal nicht explizit allen polnischen Staatsbürgern gewidmet sein wird, damit eine Zementierung des Nazi-Volksverständnisses erfolgt, da Juden, Ukrainer, Roma ect. von Polen wegdefiniert werden und eine sie einschließende polnische Nation verleugnet wird.



    Gefährlich, weil es auf Europa fatale Wirkung hätte, wenn quasi amtlich bestätigt würde, dass Juden, Sinti, Schwule, Linke, Zeugen Jehovas ect keine Polen, Tschechen, Ungarn, Italiener, ect waren, bzw sind.



    Das perpetuiert den alten Ungeist.



    Unnütz, weil die Konzentration aufs Naziunwesen mittlerweile von re-brandet Fascists zur Selbstlegitimation und Weisswaschung verwendet wird, wie ja die Aneignung des Antinaziwiderstands durch die europ. Rechte zeigt.



    Ein Museum wider den Nationalchauvinismus wäre sehr gut, aber der vereinigte Entrüstungsheulsturm der globalen Rechten wäre vernichtend, deswegen dürfte es nicht in Deutschland stehen, um nicht durch NS-Relativierungsvorwürfe verunmöglicht zu werden.

    • @Euromeyer:

      Soweit ich weiß, soll das Denkmal durchaus explizit allen polnischen Staatsbürgern gewidmet werden, also auch Juden, Ukrainern u.a.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Polen wurde im September 1939 vom Osten und Westen von 2 Ländern überfallen - auf den Beginn des zweiten Weltkrieges durch das Deutsche Reich erfolgte der



    russische Angriff auf Polen



    am 17. September 1939.

    Polen wurde von beiden Nachbarn auf Furchtbarste zerrieben und unter sich aufgeteilt - das war der Beginn von WWII. Dieses Verbrechen und die dahinter liegenden Handlungsmuster und die geopolitischen Vorstellungen historisch aufzuarbeiten, auch vor dem Hintergrund der polnischen Geschichte mit seinen Teilungen würde einiges über den aktuellen polnischen - russischen - deutschen und baltischen -- politischen Zustand erklären.

    Dieses Museum wäre daher etwas besonderes -- weil es tief in die Geschichte der Kriege im Osten Europas einsteigen müßte.

    Ob so ein Museum, gestaltet durch Polen und Deutsche momentan überhaupt möglich und machbar wäre kann ich nicht beurteilen.

    Zu vermuten wäre das die russische Förderation so ein Museum als einen Affront verstehen würde und noch Jahre oder Jahrzehnte brauchen wird



    um geschichtliche Tatsachen entsprechend den Ereignissen verarbeiten zu können.

    • @06438 (Profil gelöscht):

      Geteilte Schuld ist halbe Schuld :-)

      Oder?

  • 0G
    06313 (Profil gelöscht)

    Neutrale Denkmäler für die Opfer des Nationalsozialismus gibt es m. A. bereits, zumindest in Berlin. Verschiedene Denkmäler für die verschiedenen von den Nazis verfolgten und in KZs ermordeten Menschen finde ich berechtigt. Die im unmittelbaren Kriegsgeschehen involvierten Soldaten aus aller Herren Länder sind zwar auch Opfer des verbrecherischen Nazi-Regimes, aber es reicht das Denkmal an den unbekannten Soldaten und weitere Kriegsdenkmäler.