Gespaltenes Brandenburg nach der Wahl: Brandenburger Mauer
Das Land ist in einen roten Westen und einen blauen Osten gespalten. Überall da, wo es Hoffnung gibt, stößt die AfD aber an ihre Grenzen.
Trotz des erstaunlichen Endspurts, den Dietmar Woidke hingelegt und der seiner SPD einen knappen Vorsprung vor der AfD gesichert hat, ist seit dem 1. September klar: Dieses eine Brandenburg gibt es nicht. Es ist vielmehr tief gespalten. Nicht nur in einen wachsenden Berliner Speckgürtel und die ländlichen Regionen fernab der Hauptstadt. Brandenburg hat als Bundesland seit Sonntag auch mit einer Spaltung in Ost und West zu kämpfen.
Schaut man auf die Karte mit den Direktmandaten, so ist der Westen des Landes rundweg rot, der Osten dagegen nahezu flächendeckend blau. Natürlich gibt es Ausnahmen. Dietmar Woidke hat seinen Wahlkreis in Forst behauptet, Mike Bischoff gewann in der Uckermark. Umgekehrt hat die AfD im Westen kein einziges Direktmandat holen können. Insgesamt gingen 25 Direktmandate an die SPD, 15 an die AfD. Alle anderen Parteien holten zusammen nur vier Wahlkreise, einen die Grünen, einen die Freien Wähler, zwei die CDU.
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Roter Westen, blauer Osten, das entspricht nicht ganz den bisherigen Erklärungsversuchen für den Aufstieg der AfD. Abgelegene Landstriche, in die kein Zug mehr fährt; Dorfläden, die schließen; der letzte Arzt, der das Licht ausmacht: All das gibt es auch im Westen der Mark. Dennoch hat die SPD alle drei Wahlkreise in der Prignitz gewonnen. Offenbar hat der Erfolg der AfD im blauen Osten Brandenburgs noch andere Ursachen als schlechte Verkehrsanbindungen und Bevölkerungsabwanderung.
Blaues Band an der Grenze zu Polen
An dieser Stelle lohnt ein Blick an die polnische Grenze. In Eisenhüttenstadt kommen die Rechtspopulisten auf 30 Prozent der Zweitstimmen, in den ländlichen Regionen der Lausitz erreichen sie wie in Heinersbrück sogar 50,5 Prozent. Nur in Schwedt, wo die SPD traditionell stark ist, und im Oderbruch, wo viele Kreative leben, konnte die AfD nicht punkten.
Zwar hat die AfD die Angst vor Grenzkriminalität geschickt für sich zu nutzen versucht. Doch das blaue Band an der Grenze zu Polen ist auch eine verspätete Reaktion auf die Deindustrialisierung der Nachwendezeit. So arbeiten im Stahlwerk von Eisenhüttenstadt noch 2.500 von ehemals 16.000 Beschäftigten. Obwohl er noch brennt, ist für viele Menschen der Ofen aus. Was der Braunkohle in der Lausitz noch bevorsteht, lässt sich andernorts längst beobachten.
Wo nur verschwindet, ohne dass etwas Neues entsteht, färbt sich die politische Landkarte blau. Wo dagegen Neues entsteht, gibt es auch neue Hoffnung. Der Spreewald etwa ist als prosperierende Tourismusregion weitgehend immun gegen die AfD. Ein anderes Beispiel ist die Prignitz. Im seit der Wende stark geschrumpften Wittenberge gibt es neue Hoffnung. Geschickt nutzt die lokale Politik die Lage der Stadt an der Bahnstrecke von Berlin nach Hamburg für eine kleinteilige Wirtschaftspolitik. 1.400 neue Jobs sind entstanden. In Wittenberge kam die SPD auf 38,1 Prozent. Wer Hoffnung hat, wählt offenbar nicht die Partei der Angst.
Der Wittenberger Bürgermeister Oliver Hermann warnt schon lange, dass die milliardenschweren Mittel, mit denen Brandenburg den Strukturwandel bestehen will, nicht allein auf die Lausitz beschränkt werden dürfen. Auch die Prignitz und die Uckermark, fordert er, müssen mehr unterstützt werden. Aber auch Frankfurt (Oder) und Eisenhüttenstadt, Schwedt und Guben brauchen einen strukturpolitischen Neustart, einen Anschub, um für die Green Economy gerüstet zu sein.
Auf dem Land können neue Arbeitsplätze entstehen
Doch Geld vom Land ist nicht das einzige Rezept gegen die Depression. Wie in ländlichen Regionen neue Arbeitsplätze entstehen können, hat gerade erst die Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung über die „urbanen Dörfer“ gezeigt. Voraussetzung dafür, dass sich junge Menschen aus der Stadt dauerhaft in ländlichen Regionen niederlassen, sind schnelles Internet sowie eine Verwaltung, die solche Chancen auch zu nutzen begreift. Und ein neuer Politikstil, wie ihn etwa Frankfurts Oberbürgermeister René Wilke (Linke) pflegt: transparent, lösungsorientiert, unideologisch.
Dass die SPD nun nicht mehr wie bisher (mit der Linken) weitermachen kann, muss für das Land nicht unbedingt negativ sein. Im Gegenteil. Gerade eine neue Koalition wie zum Beispiel ein Kenia-Bündnis aus SPD, CDU und Grünen kann neue Ideen für Brandenburg bedeuten. Der SPD ist dazu nämlich in der Vergangenheit nicht allzu viel eingefallen. Entweder hat sie wie beim Cargolifter oder dem Lausitzring auf zweifelhafte Großprojekte gesetzt, die sich am Ende als gescheiterte Symbolprojekte erwiesen. Oder sie hat, wie in der Lausitz, bis zuletzt an der Braunkohle festgehalten.
Für die Grünen würde mit Kenia, aber auch mit Rot-Rot-Grün dagegen die Chance bestehen, als Schrittmacher eines neuen Wandels punkten zu können. Dafür dürfen sie aber nicht allein auf einen schnellen Ausstieg aus der Kohle setzen, sondern sie müssen den Anspruch formulieren, die innovative Brandenburg-Partei zu werden. Das Umwelt- und Landwirtschaftsressort wäre dazu zu wenig. Zukunftsthemen sind auch Verkehr und Infrastruktur.
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