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3.000 Schafe und 39 Hunde

Schafherden und Weidetiere vor Wolfsrissen zu schützen kostet Geld. Für Züchter und Landwirte wird der Wolf damit vor allem zu einer finanziellen Belastung. Aber der Schutz funktioniert immer besser

„Der Wolf ist da, die Tiere müssen geschützt werden“

Karsten Günther, Schafzüchter

Von Stefan Hunglinger

Mit Wölfen leben“ heißt eine Broschüre des Landes Brandenburg für Tierhaltende, Jagende und Forstmitarbeitende, für jene Menschen also, die direkt – und nicht aus politischem Kalkül – mit dem Vorkommen der Wölfe umgehen.

Gelingt denn aus Sicht der Tierhaltenden das Leben mit Wölfen in Brandenburg? Wie sieht es mehr als zehn Jahre nach seinem Wiedererscheinen aus?

„Der Wolf ist eigentlich nur ein Problem unter vielen“, sagt Jürgen Körner, „aber er ist eine emotionale und finanzielle Zusatzbelastung.“ Körner ist Schäfer und Schafzüchter in Jüterbog im Landkreis Teltow-Fläming. Auf 500 Hektar hält er 3.000 Tiere. 2003 hat Körner die 1.200 Schafe der Agrargenossenschaft Welsickendorf übernommen, die die Haltung aufgeben wollte. In der Genossenschaft, die aus einer LPG hervorgegangen ist, hatte er in den achtziger Jahren auch die Schäferei gelernt, „von der Pike auf“, wie er sagt. Nachdem das russische Militär 1994 aus Jüterbog abgezogen wurde, ging der dortige Truppenübungsplatz in den Besitz der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg über. Dort pachtet Jürgen Körner das Weideland für seine Schafe.„Meine Fläche gehört der Naturschutzstiftung, ich habe keine Alternative, ich muss mit dem Wolf klarkommen“, sagt der Schäfer, und berichtet von den Vorteilen, die die Schafhaltung für das Naturschutzgebiet habe.

Doch nicht nur die Stiftungsvorschrift, auch das Bundesnaturschutzgesetz schützt den Wolf seit 1990 höchstmöglich. In der DDR hingegen waren die Tiere ab 1984 ganzjährig zum Abschuss freigegeben.

Jahrelang habe das Leben mit den neuen Wölfen gut funktioniert, erzählt Jürgen Körner. Im letzten Jahr habe er allerdings einmal zehn, ein anderes Mal sechs Tiere durch Wolfsrisse verloren. „Das hing aber auch mit den Umweltbedingungen zusammen“, berichtet er. Der Waldbrand in Jüterbog habe das Wild in die Flucht getrieben, Rehe hätten in Folge die Zaunanlage beschädigt, seine Hunde hätten die Schafe außerhalb des Geheges schließlich nicht mehr schützen können. So sei es zu den Rissen gekommen: „Ein Unfall“.

„Der Wolf ist da, die Tiere müssen geschützt werden“, sagt Karsten Günther vom Schafzuchtverband Berlin-Brandenburg. „Unser Vorteil gegenüber den westlichen Bundesländern ist, dass wir schon jahrelange Erfahrung mit den Wölfen haben“, erklärt der Agraringenieur. Im Verband gebe es Tierhaltende, bei denen der Schutz funktioniert, und andere, die die Wölfe reduziert sehen möchten.

„Der persönliche Kontakt zu den Weidetierhaltern verläuft in der Regel freundlich und sachlich“, schreibt das für Wölfe zuständige Landesamt für Umwelt (LfU) auf die Anfrage, ob die offiziellen Wolfs-Ansprechpersonen in Brandenburg mit Wut, Hass oder gar Übergriffen von Wolfsgeschädigten zu tun hätten. Es komme gelegentlich vor, dass die haupt- oder ehrenamtlichen Ansprechpersonen mit Wut oder Hass konfrontiert sind, schreibt das LfU dazu. Gerade in den sozialen Medien würden sie manchmal namentlich angegriffen. „Die Initiatoren sind jedoch in der Regel nicht die betroffenen Tierhalter.“

Das LfU schreibt auch, dass die Zahl der Nutztierrisse mit der Zahl der Wolfsterritorien gestiegen sei. Die meisten Wolfsübergriffe auf Weidetiere hätten sich jedoch in Herden ereignet, die nicht wolfsabweisend geschützt waren.

Schon bevor 2007 ein Wolfspaar in der Nähe von Bad Muskau das erste Territorium in Brandenburg etablierte, hatte Jürgen Körner sich auf die Raubtiere vorbereitet. Nicht nur mit einer angemessenen Elektrozaunanlage, sondern auch mit den ersten von jetzt 39 Herdenschutzhunden, die er sich 2006 zulegte. „Nicht jeder kann mit Hunden“, sagt Körner, er selbst jedoch zeigt sich begeistert und ist überzeugt von ihrer wolfsabweisenden Wirkung. Körner meint jedoch auch: „Der Unterhalt der Hunde macht mich finanziell kaputt.“ Vom Land wünsche er sich eine deshalb eine Schutzprämie von 25 Euro pro Schaf. Auch Karsten Günther fordert mehr Einsatz des Landes Brandenburg. Schutzmaßnahmen sollten zu 100 Prozent übernommen, der Schadensersatz mit Rechtsanspruch ausgestattet werden, sagt Günther.

Das Leben mit Wölfen – für Tierhaltende eine Frage von laufenden Kosten.

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